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Deutscher Altphilologenverband / Landesverband Rheinland-Pfalz [Editor]; Glücklich, Hans-Joachim [Honoree]; Loos, Hartmut [Oth.]
Athlon: Festschrift für Hans-Joachim Glücklich — Speyer: Landesverband Rheinland-Pfalz im Deutschen Altphilologenverband, 2005

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.53136#0136
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130

Kurt Smolak
Hieronymus als Übersetzer

braucht in diesem Zusammenhang den griechischen rhetorischen Terminus
έμφατικώτΕρον. Das machtvolle Wirken von Jesu Wort sollte durch die Hinzufügung
von „ich sage dir“, also eines Verbums des Sprechens, in einer dem Inhalt adäquaten
Weise zum Ausdruck kommen. Noch weiter gehe Matthäus, der „Gefolgsmann“ (pedi-
sequus) Christi, wenn er nicht nur ein Zitat aus dem Propheten Zacharias dem Jeremias
zuschreibe (27,9f), sondern dieses in einer Form bringe, die sowohl vom hebräischen
Original als auch von der Septuagintaübersetzung abweiche; doch dem Apostel sei es
nicht darauf angekommen, „Wörter und Silben zu erhaschen, sondern gehaltvolle
Lehrsätze aufzustellen“31. Es übersetzten also auch die Evangelisten so wie Cicero und
Plautus, bzw. wie Horaz es empfiehlt. Dies bedeutet aber: Der Heilige Geist selbst, der
ja die Verfasser der biblischen Bücher nach jüdischer und christlicher Auffassung in-
spirierte, lässt sinngemäße Übersetzungen in der Art Ciceros durchaus zu, so paradox
dies klingen mag.
Wodurch unterscheiden sich aber nun Ciceros Übersetzungen von denen der biblischen
Autoren? Nach einer Stelle aus dem Prolog zu seiner Übersetzung des Pentateuch sieht
Hieronymus allein im inspirierten Inhalt einen - freilich den entscheidenden - Unter-
schied etwa zwischen Ciceros Übersetzung von Xenophons Oikonomikos und den
Übersetzungen des Paulus aus dem Hebräischen. Dem den Inhalt vermittelnden
Spiritus sanctus entspricht kein ebenbürtiger Spiritus rhetoricus, wie Hieronymus sich
leicht ironisch ausdrückt32. Allein der Umstand, dass er selbst das Alte Testament nach
dessen ‘Erfüllung’ durch die Menschwerdung Christi übersetze, rechtfertige ein Ab-
weichen von der Septuaginta, und das bereits für die alttestamentlichen Zitate im
Neuen Testament, vor allem bei Paulus. Was dereinst ‘dunkle’ Prophetie gewesen sei,
liege nun als ‘klare’ historische Tatsache vor. Das bedeutet aber, wenn man die im
57. Brief vorgetragene Rechtfertigung der vom aramäischen Wortlaut abweichenden
Übersetzung des Herrenwortes durch den Evangelisten Marcus als einer (auf welcher
Ebene auch immer vollzogenen) Verdeutlichung des Inhalts bedenkt, dass Hieronymus
das Prinzip des sinngemäßen Übersetzens auch für die Bibel gelten lässt: Was an der
zitierten Stelle bloß das sprachliche Ethos betrifft - das Gewicht der Worte Jesu soll
stärker betont werden -, bezieht sich im Fall der Neuübersetzung des Pentateuch auf
die theologische Aussage. Ist aber der „tiefere Sinn“ (mysterium) einer „Wortfolge“,
welche die Septuaginta, da vor der Menschwerdung Christi entstanden, noch als Pro-
phetie las, nun erschlossen, so muss sich das, wie man folgern darf, gegebenenfalls
auch in einem abweichenden ordo verborum niederschlagen - wohl nicht zufällig hebt
Hieronymus im Prolog zu seiner Übersetzung des Buches Esther eigens hervor, dass er
im konkreten Fall „ganz wörtlich“33 aus dem Hebräischen übersetzt habe, da der Text
31 Epist. 57,7,4: non verba et syllabus aucupari, sedsententias dogmatum ponere.
32 Die Erörterung geht von der Tatsache aus, dass ein und dieselben Stellen aus dem Alten Tes-
tament in den kanonischen Apostelbriefen anders übersetzt sind als in der Septuagintaversion:
Der inspirierende Spiritus sanctus könne doch nicht jeweils unterschiedlich vorgegangen sein
- derartige Differenzen seien nur bei nicht inspirierten Übersetzungen wie jenen Ciceros vor-
stellbar.
33 Librum Hester ...de archivis Hebraeorum elevans verbum e verbo pressius transtuli.
 
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