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Deutung

Die Krönung zu Jerusalem ist im wesentlichen dem gleichen Motive des Karlsteppichs
entlehnt.

Im Vordergründe ruht die Muse der Geschichte, im Arme die Leier Terpsichores(l);
hingegeben lauscht sie den Heldentaten Gottfrieds, von denen ihr das befreite Jerusalem
— eine allegorische Frauengestalt — berichtet.

Mit bemerkenswerter Vorsicht wird jeder Anklang an zeitgenössische Trachten in
dem „Cäsarteppich" zu vermeiden gesucht (Abb. 84). Der Patronenmaler ist — aller-
dings ohne Erfolg — ehrlich bemüht, nur Dinge zur Darstellung zu bringen, die dem
Begriffe des «decoro" entsprechen. Geschäftig kramt der disponierende Literat eine
Fülle von Episoden hervor. Hinter Caesar schreiten die Liktoren mit dem Ruten-
bündel; vor dem Feldherrn dehnt sich der Flußlauf des Rubikon. Warnend taucht
die Gestalt der Roma aus dem Gewässer, im Schilfe stößt ein Silen oder ein Hirt in
das Horn. Drastisch wirkt der Augur, der in einem großen Bottiche allerlei totes Ge-
tier durcheinanderquirlt; der Foliant mit den kabbalistischen Zeichen, ein Totenschädel,
die Phiole mit dem Zaubertrank und notabene die zwei Kater erhöhen den geheimnis-
vollen Eindruck. Gekreuzte Schwerter und ein Feuerbecken, in dessen qualmenden
Flammen seltsame Wesen erscheinen, vervollständigen den Apparat des Hexenmeisters
der Antike (!). Das eigenartige Motiv spielt an auf die Vorbereitungen zum Kriege
Casars gegen Pompejus. Eine Episode im Hintergrunde bringt den Raub des römischen
Staatsschatzes, der im ersten Viertel des Jahres 49 dem Feldherrn die Weiterführung
des Krieges in Spanien ermöglichte.

Eine weitere Abart der Triumphe, die den Sieger weder zu Wagen noch zu Roß
erscheinen läßt, verkörpern in erster Linie zwei Teppiche, von denen der eine dem
Louvre, der zweite dem Londoner Viktoria und Albert Museum eignet.

Der erste Behang (um 1520) enstammt der ehemaligen Sammlung Cli. Andr6(118).
Er zeigt den Liebesgott — einen in zeitgenössischer Tracht gekleideten Jüngling —,
den Frau Venus — sie erscheint als geflügelte Hofdame, ähnlich wie in der Moralität, die
Weihnachten 1514/15 am englischen Hofe in Szene ging — geleitet. Amor trägt in den
Händen die Kerzen des Lebens; er blickt als Sieger auf die Unterlegenen, die sich zu seinen
Füßen winden. Reichgekleidete Paare vervollständigen das reizvolle Bild. Adam und
Eva, David und Bathseba, Samson und Delila, Salomo und andere alttestamentliche
Persönlichkeiten bilden in den Gewändern des frühen 16. Säkulums den Hofstaat. Auch
die Allegorie geht nicht leer aus; Frau Idolatria tritt auf. Ein Gelehrter — wahr-
scheinlich der Verfasser des Triumphes — hält eine große Schriftrolle in Händen:
Felix qui potuit rerum cognoscere causas. Über ihm schwebt ein weiteres Band:
Omnia proetereunt proeter amare Deus.

Die Darstellung mutet an wie die Szene eines zeitgenössischen Humanistendramas
in der Art des Judicium Paridis, das Locher im Juli 1502 auf der Ingolstädter Uni-
versität aufführen ließ. Juno erscheint als Personifikation des tätigen, Pallas Athena als die
Verkörperung des beschaulichen, Venus als die des genießenden Lebens. Der dritte
Akt bringt den Triumph des Liebesgottes. Sämtliche Persönlichkeiten haben, ähnlich
wie in dem besprochenen Teppiche, eine zweite moralisierende Bedeutung.

Der zeitlich etwas frühere Behang im Viktoria und Albert Museum (Abb. 85) zeigt
die drei Parzen Klotho, Lachesis und Atropos als Besiegerinnen der Keuschheit, deren
Gestalt ihnen als Fußschemel dient. Das Motiv ist nicht gerade originell, es ist fast
wörtlich einer Handzeichnung der Petrarcaschen „Trionfi" in der Pariser Arsenalbiblio-
thek entnommen.

Die Uberleitung zu den rein didaktischen Folgen, die mit dem Gedanken des
Triumphes, sei er zu Wagen, zu Pferd oder zu Fuß, brechen und nur locker mit-
einander verknüpfte Einzelszenen dem Beschauer vor Augen stellen, bilden gewisse
Bildteppichserien, die sich des feststehenden Gerüstes als Konstruktionsprinzip be-
dienen.

Zweifelsohne war diese Art der Lösung — die „eschaffauts" erscheinen bei jedem
fürstlichen Einzüge und allen möglichen sonstigen festlichen Veranstaltungen — dem

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