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Deutung

Die Bild Wirkereien, die zeitgenössische oder antike Eklogen zum Leitfaden wählen,
zeigen in weit stärkerem Maße wie die Pastoralen ihre Abhängigkeit von dem Ursprungs-
lande; sie geben sich straffer, antiker.

Ein, wenn auch spätes Beispiel — der Wandteppich entstammt dem Besitze der
Berliner Kunsthandlung Altkunst — dürfte zur Illustration des Themas genügen (Abb. 97).

Im Boote ruht die Nymphe, zwei Faune kürzen die Fahrt durch Musik; die Gefähr-
tinnen ziehen am Ufer das Fahrzeug an straffgespanntem Seile. Der Hintergrund ist
mit Episoden der mir zunächst unbekannten Ekloge ausgefüllt. Links tanzen die drei
Schönen zum Klange der Pansflöte, die ein bocksbeiniger Bursche bläst. Das frohe Zu-
sammensein wird bald gestört. Ein Bauer oder Faun raubt das eine Mädchen und
trabt, die holde Last auf dem Rücken, über einen halsbrecherischen Steg. Die Szene
im Vordergrunde stellt augenscheinlich die Rettungsaktion der Geraubten dar.

Die Ekloge bleibt dem flämischen Empfinden lange fremd. Die moralisierenden
Liebesspiele behalten auch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ihre alte Anziehungs-
kraft. Ein Wandteppich im Musöe des Gobelins (um 1500) behandelt eine Pastorale
alten Schlages (144). Auf blühender Au sitzt die Schäferin, in der Hand die Wurf-
schaufel. Die junge Dame — das Gesicht hat nichts bäuerisches — richtet an den
gesucht latschig näher tretenden Schäfer eine Gewissensfrage, die dieser mit einem
Wortspiele beantwortet, Die Verbindung didaktischer Gedankengänge mit Liebes-
gesprächen gehört zum guten Tone. Zu derselben Gattung rechnet ein Bildteppich,
der das Liebesspiel schildert/ Die schöne Herrin flicht dem Sieger im Kampfe der
Worte den Kranz, sein weniger glücklicher Rivale reicht der Domina die Blumen
aus der Schürze der Gefährtin. Eine Episode ähnlicher Art füllt die rechte Hälfte des
Hintergrundes.

Gewissermaßen als verbindendes Glied der plaidoyerie d'amour mit der Eklogen-
dichtung Italiens erscheint in der Kunst der Bildwirkerei das Leben des Liebesgottes
und das seiner hohen Herrin Venus, in dem sich seltsam nordisch-symbolische Ele-
mente mit antikisierenden Motiven mischen. Ein charakteristisches Beispiel bietet eine
Folge im spanischen Staatsbesitze.

Die Geschichte der Venus wird 1558 in dem Nachlaßinventar der Dofia Maria er-
wähnt; sie umfaßt sechs Teppiche.

Gott Amor erscheint als Sieger. Die Auffassung hat nichts mehr mit den uns be-
kannten Triumphen des Liebesgottes — es sei nur an den Behang im Louvremuseum
erinnert — gemein. Der lockere Schelm thront als geflügelter Putto auf einem mit
prächtiger Schabracke geschmückten Elefanten (Abb. 98). Die eigenartige Wahl des
Reittieres — eine Reminiscenz an mittelalterliche Tage — entspringt dem spintisieren-
den Geiste des entwerfenden Literaten. Der Elefant gilt dem Physiologus als keusches,
aller Unmäßigkeit abgewandtes Tier. Es kommt zu unserer Darstellung erst durch
die Mandragorasage in Beziehung. Das Weibchen kann nur dann Junge zeugen, wenn
das Männchen es durch eine List dazu bringt, von der Alraunwurzel (herba mandra-
gora), die beim Paradiese wächst, zu fressen. Der Elefant dient zur Illustrierung des
Sündenfalles. Die allegorische Begründung des Bestiaire, der mit Psalmsprüchen und
Stellen aus den Evangelien arbeitet, ist nicht ohne Interesse (145). Der Liebesgott auf
dem Elefanten besagt: Die Pfeile Amors treffen sicher das Herz der Liebenden, die
Mittel und Wege finden, das Gebot der Keuschheit zu umgehen. Von den beiden
Paaren des Vordergrundes ist das eine bereits den Geschossen Amors erlegen. Der
Partner der zweiten Dame, ein schon betagter Herr, sucht schleunigst sein Heil in
der Flucht. Im Hintergrunde spiegeln sich flämische Bauernhäuser im Dorfweiher.
Ein zweiter Behang der Folge bringt Tanzszenen um den Altar der Venus. Die Ge-
wänder der Frauen zeigen ein seltsames Gemisch der geschlitzten und gerissenen
Tracht der Renaissance, den kleidsamen Hauben, mit antik anmutenden Zutaten. Der
dritte Teppich bringt die Geißelung Psyches, einer hochgewachsenen Mädchengestalt;
vergebens bittet Amor, ein kleiner Putto, Venus um Gnade. Das vierte Stück gibt die
Chariten — CHARITES — wieder, die Grazien der Römer. Die beigefügten Namen

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