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Er erwirbt 1424 von Marguerite Boursette, der Tochter des bekannten aristokratischen
Wirkereihändlers Vincent Boursette und von der Witwe des Huart Walois ein an
sein Haus anstoßendes Gartengrundstück. Insgesamt besitzt Meister Fere zwei Häuser,
das schon erwähnte und ein zweites außerhalb der Pforte Konville. Das Zweigatelier
seines Sohnes Jehan befindet sich in der Rue du Four-de-la-Place neben dem Wirkerei-
betrieb des Jehan de Gamans. Der Enkel eröffnet wiederum ein selbständiges Unter-
nehmen in der Rue de Neufveglise.
Einen weiteren Wirker, sowie die von ihm hergestellte Folge, benennt das Inventar
(7. Mai 1405) Margaretens von Flandern, Herzogin von Burgund. Im Schlosse Blassevel
bei Arras findet sich u. a. wun vies (vieux) tappis de haulteliche qui parle du Mariage
de la fille d'un seigneur, et y est escript comment il fu fait a Arras en la maison
Haton Le Potier." Das Inventar nennt den Bildteppich alt; nach der Art, wie der
Ausdruck in der damaligen Zeit gebraucht wird, dürfte es sich um ein Alter von
höchstens 30—40 Jahren handeln. Haton le Potier würde das Stück also etwa um
1370 fertiggestellt haben. Die Sitte, den Namen des Wirkers in einem besonderen
Schriftband festzuhalten, kommt augenscheinlich nur vereinzelt vor. Der Brauch, der
weniger eine Reklame bezweckt, sondern vielmehr eine Art Protest gegen die nach
wie vor allmächtige Kaufmannsgilde darstellt, dürfte sich wohl lediglich auf die In-
haber der umfangreicheren Wrirkereiateliers beschränkt haben.
Sehen wTir von frühen Folgen ab, die nicht mit Sicherheit als Wirkteppiche anzu-
sprechen sind, wenn auch starke Wahrscheinlichkeit dafür spricht, wie z. B. bei den
Behängen mit den Szenen aus dem Leben des St. Alban, des ersten Märtyrers von Eng-
land, die Abt Richard (18) (1088 bis 1119) angeblich in Arras wirken ließ und an-
deren mehr.
Am 2. Juli 1313 bestellt die kunstsinnige Gräfin von Artois, Mahaut (Mathilde) bei der In-
haberin eines Arraser W' irkereiatelier Ysabieaus Caurree, Witwe des Simon de Hailennes,
fünf Wirkteppiche, die wahrscheinlich die Wappenembleme der hohen Auftraggeberin
trugen. Es kann sich nur um einfachere Arbeiten gehandelt haben; die Quittungsleistung
in Höhe von 39 liv. 16 s. erfolgt bereits am 13. Oktober des gleichen Jahres. 1321 er-
scheint eine „tapisseresse Aghehes de Lindres", die in der Rue de Miaulens in Arras
arbeitet, in den Rechnungsbelegen des gräflichen Bailli der Stadt; drei Jahre später
wird Jehan de Tellu als Lieferant einer Wappenwirkerei erwähnt. Am 24. Dezember
1391 erhält eine aus Arras nach Avignon abgewanderte Wirkerin Marie de Atrebato
für die Verfertigung verschiedener Maultierdecken im Auftrage des Gegenpapstes
Clemens VII. den Betrag von 12 flor. curr. (19). LTm die Mitte des 14. Jahrhunderts
arbeitet in iVrras ein Jehan Capars «ouvrier de hauteliche", der sich vor 1352 in Tournai
ansässig macht. Es ist hierbei nicht ganz klar, ob der Ausdruck „hauteliche" im Tour-
naiser Sinne gebraucht ist, also einen Weber bezeichnet oder nach der Arraser Termino-
logie mit einem Wirker zu identifizieren ist.
Die Aufzählung weiterer Namen erübrigt sich; sie vermögen, ohne Verbindung mit
ausgeführten Arbeiten, kein Bild der frühen Manufakturen der alten berühmten Wirker-
stadt zu geben. Ebenso nutzlos erscheint es, die in den Bürgerlisten von Arras er-
wähnten „hautelissiers" und „tapisseurs^ zu benennen. Einesteils ist mit Sicherheit
nicht zu ersehen, ob es sich tatsächlich um regelrechte Inhaber von Wirkereiateliers
und nicht um Händler handelt, andernteils läßt sich ohne eingehende Nachprüfung
nicht feststellen, ob Meister oder ältere Gesellen gemeint sind.
Die bislang bekannte Geschichte der Arraser Teppichmanufakturen gibt keine über-
sieht über die Tätigkeit der verschiedenen Ateliers, sie berichtet lediglich über Kauf-
abschlüsse größerer und kleinerer Tapisseriemakler. Die Mehrzahl von ihnen gehört
dem städtischen Patriziat an wie Vincent Boursette, Huart und Jehan Walois, Pierre
le Conte, Andreas de Monchy (Mouchi), Guiliaume Faimal genannt Rifflart, Jehan de Croi-
settes, Jehan Cosset, Willaume au Vaissel, Philippe de la Vigne, Martin de Paris, Baudin
Fastoul, Jacquemart und Mathieu d'Avions. Es ist zwecklos, die von ihnen vermittelten
Wirkereifolgen einzeln mit den Daten des Auftrages näher zu erörtern. Die Ver-
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Er erwirbt 1424 von Marguerite Boursette, der Tochter des bekannten aristokratischen
Wirkereihändlers Vincent Boursette und von der Witwe des Huart Walois ein an
sein Haus anstoßendes Gartengrundstück. Insgesamt besitzt Meister Fere zwei Häuser,
das schon erwähnte und ein zweites außerhalb der Pforte Konville. Das Zweigatelier
seines Sohnes Jehan befindet sich in der Rue du Four-de-la-Place neben dem Wirkerei-
betrieb des Jehan de Gamans. Der Enkel eröffnet wiederum ein selbständiges Unter-
nehmen in der Rue de Neufveglise.
Einen weiteren Wirker, sowie die von ihm hergestellte Folge, benennt das Inventar
(7. Mai 1405) Margaretens von Flandern, Herzogin von Burgund. Im Schlosse Blassevel
bei Arras findet sich u. a. wun vies (vieux) tappis de haulteliche qui parle du Mariage
de la fille d'un seigneur, et y est escript comment il fu fait a Arras en la maison
Haton Le Potier." Das Inventar nennt den Bildteppich alt; nach der Art, wie der
Ausdruck in der damaligen Zeit gebraucht wird, dürfte es sich um ein Alter von
höchstens 30—40 Jahren handeln. Haton le Potier würde das Stück also etwa um
1370 fertiggestellt haben. Die Sitte, den Namen des Wirkers in einem besonderen
Schriftband festzuhalten, kommt augenscheinlich nur vereinzelt vor. Der Brauch, der
weniger eine Reklame bezweckt, sondern vielmehr eine Art Protest gegen die nach
wie vor allmächtige Kaufmannsgilde darstellt, dürfte sich wohl lediglich auf die In-
haber der umfangreicheren Wrirkereiateliers beschränkt haben.
Sehen wTir von frühen Folgen ab, die nicht mit Sicherheit als Wirkteppiche anzu-
sprechen sind, wenn auch starke Wahrscheinlichkeit dafür spricht, wie z. B. bei den
Behängen mit den Szenen aus dem Leben des St. Alban, des ersten Märtyrers von Eng-
land, die Abt Richard (18) (1088 bis 1119) angeblich in Arras wirken ließ und an-
deren mehr.
Am 2. Juli 1313 bestellt die kunstsinnige Gräfin von Artois, Mahaut (Mathilde) bei der In-
haberin eines Arraser W' irkereiatelier Ysabieaus Caurree, Witwe des Simon de Hailennes,
fünf Wirkteppiche, die wahrscheinlich die Wappenembleme der hohen Auftraggeberin
trugen. Es kann sich nur um einfachere Arbeiten gehandelt haben; die Quittungsleistung
in Höhe von 39 liv. 16 s. erfolgt bereits am 13. Oktober des gleichen Jahres. 1321 er-
scheint eine „tapisseresse Aghehes de Lindres", die in der Rue de Miaulens in Arras
arbeitet, in den Rechnungsbelegen des gräflichen Bailli der Stadt; drei Jahre später
wird Jehan de Tellu als Lieferant einer Wappenwirkerei erwähnt. Am 24. Dezember
1391 erhält eine aus Arras nach Avignon abgewanderte Wirkerin Marie de Atrebato
für die Verfertigung verschiedener Maultierdecken im Auftrage des Gegenpapstes
Clemens VII. den Betrag von 12 flor. curr. (19). LTm die Mitte des 14. Jahrhunderts
arbeitet in iVrras ein Jehan Capars «ouvrier de hauteliche", der sich vor 1352 in Tournai
ansässig macht. Es ist hierbei nicht ganz klar, ob der Ausdruck „hauteliche" im Tour-
naiser Sinne gebraucht ist, also einen Weber bezeichnet oder nach der Arraser Termino-
logie mit einem Wirker zu identifizieren ist.
Die Aufzählung weiterer Namen erübrigt sich; sie vermögen, ohne Verbindung mit
ausgeführten Arbeiten, kein Bild der frühen Manufakturen der alten berühmten Wirker-
stadt zu geben. Ebenso nutzlos erscheint es, die in den Bürgerlisten von Arras er-
wähnten „hautelissiers" und „tapisseurs^ zu benennen. Einesteils ist mit Sicherheit
nicht zu ersehen, ob es sich tatsächlich um regelrechte Inhaber von Wirkereiateliers
und nicht um Händler handelt, andernteils läßt sich ohne eingehende Nachprüfung
nicht feststellen, ob Meister oder ältere Gesellen gemeint sind.
Die bislang bekannte Geschichte der Arraser Teppichmanufakturen gibt keine über-
sieht über die Tätigkeit der verschiedenen Ateliers, sie berichtet lediglich über Kauf-
abschlüsse größerer und kleinerer Tapisseriemakler. Die Mehrzahl von ihnen gehört
dem städtischen Patriziat an wie Vincent Boursette, Huart und Jehan Walois, Pierre
le Conte, Andreas de Monchy (Mouchi), Guiliaume Faimal genannt Rifflart, Jehan de Croi-
settes, Jehan Cosset, Willaume au Vaissel, Philippe de la Vigne, Martin de Paris, Baudin
Fastoul, Jacquemart und Mathieu d'Avions. Es ist zwecklos, die von ihnen vermittelten
Wirkereifolgen einzeln mit den Daten des Auftrages näher zu erörtern. Die Ver-
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