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Bistum Cambrai

G a m b r a i.

Die Grafschaft Cambrai, das spätere Bistum, bildet bis zur Einnahme durch die
französischen Truppen (1677) ein Glied des deutschen Reiches. Erst der Friede zu
Nimwegen überweist die Stadt endgültig der Herrschaft Ludwigs XIV.

Die ersten Nachrichten über die Bildwirkerei im eigentlichen Sinne — der Begriff
„hautelissier" ist ähnlich wie in Tournai schwankend — fallen in die Regierungszeit
Johanns VI. von Burgund (1439—1479), eines Bastards Philipps des Guten. 1466 repariert
Noel de Bery im Auftrage der städtischen Schöffen verschiedene Wirkteppiche. Ob
der Meister für den Bischof aus burgundischem Blute tätig war, ob Johann VI. über-
haupt eine sonderliche Neigung für reiche Bild Wirkereien besaß, ist noch völlig un-
geklärt. Nach den bis jetzt vorliegenden, allerdings unzureichenden Unterlagen scheint
es sich lediglich um die vorübergehende Heranziehung von Bildwirkern gehandelt zu
haben, ein Vorgang, der sich bei fast jedem Fürsten- oder Bischofssitze von Bedeutung
feststellen läßt,

Bis zum Beginne des 18. Jahrhunderts schweigen die Nachrichten. Baron de Boyer
de St, Suzanne bringt in seinen „Notes d'un curieux" zwar einen „hautelissier" Philipp
Blanchard, der 1559 aus Valenciennes zuzieht, es handelt sich jedoch augenscheinlich
um keinen Wirker, sondern um einen Kunstweber, einen Angehörigen der großen
Hautelissezunft, wie sie Tournai, Valenciennes, Orchies und andere Industrieorte zu
Tausenden zählten (1). Valenciennes besaß um die Mitte des 16. Jahrhunderts nicht
einen Tapetenwirker. Auf die Schwierigkeiten der Beschaffung von Bildteppichen
gelegentlich des Aufenthaltes Kaiser Karls V. in dem Hauptorte des Hennegau (1539)
wurde an anderer Stelle bereits hingewiesen.

Erst durch den Übergang des Bistums an den französischen Staat bietet sich die
Möglichkeit, eine einigermaßen konkurrenzfähige Bildteppichmanufaktur ins Leben zu
rufen. Die Unterbietungen der zahllosen Ateliers Flanderns und Brabants fallen fort,
das prunkliebende Frankreich stellt ein vortreffliches Absatzgebiet für Wirkereien in
mittlerer Preislage dar, der deutsche Markt ist durch die Nachwirkungen des dreißig-
jährigen Krieges stark geschwächt. Ähnlich wie in Valenciennes und Lille begünstigen
die städtischen Körperschaften die Einführung der Bildwirkerei, von der sie sich —
in Erinnerung an die Großmanufakturen der benachbarten spanischen Erblande — be-
sonderen Gewinn sowie Hebung der Steuerkraft versprechen, ganz abgesehen von den
allgemein gültigen wirtschaftlichen Anschauungen, die in industriellen Neugründungen
eine Art soziales Ideal erblicken. Schon bald nach dem Nimweger Frieden setzen
Verhandlungen (1682) ein, die zunächst kein Ergebnis zeitigen.

Erst die politischen Umwälzungen, die der spanische Erbfolgekrieg mit sich bringt,
der verschiedene, ehedem zu Frankreich zeitweilig gehörige Orte dem alten Staats-
verbande wieder einfügt, zwingen u. a. auch Johannes Baert, den Inhaber des be-
deutendsten Bildteppichwirkereibetriebes von Tournai, Mittel und Wege zu finden, sich
den französischen Markt, auf den er durch jahrzehntelange Geschäftsverbindungen
angewiesen ist, zu erhalten.

Meister Johannes (Joannes) entstammt einer angesehenen Oudenaarder Wirkerfamilie.
Die Beschießung seiner Heimatstadt (1684), die ewigen militärischen Plackereien, die

\ i» Göbel, Wandteppiche.

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