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Brüssel

Auswärtigen, die in der Hauptstadt Brabants sich niederlassen wollen, außer den
4 Goldridders und den 2 Gelten Rheinwein lediglich verlangt, der Kandidat «moet
geleert hebben drie jair lanc in eenege vrie stad". Eine gewisse Mindestzeit für den
Gesellenstand ist nicht vorgeschrieben. Der Einheimische kommt mit der gleichen
Erklärung geldlich glimpflicher davon. Der Jungmeister muß schließlich nach erfolgter
Aufnahme in den darauf folgenden 14 Tagen mit seinem Betriebe beginnen, um end-
gültig in den Genuß der ihm zugesicherten Gerechtsame zu gelangen.

Das Meisterstück scheint von französischen Manufakturen übernommen worden zu
sein, wenigstens ist dort der Brauch bereits seit dem Ausgange des 14. Jahrhunderts
nachweisbar (11). Der erzieherische Wert dieser Prüfung, die später scharf durch-
geführt wird und in der Regel die Wiedergabe eines Kopfes oder reicher Brokat-
gewänder zum Gegenstande hat, ist nicht zu verkennen. Die Auswahl der künstlerisch
und technisch Befähigten schafft erst die Grundlage zu einer festgefügten Werkstatt-
gliederung. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß schon zu Ende des 15. Jahrhunderts
die „Kopfarbeiter" d. h. diejenigen Meister, die im Wirken der technisch schwierigen
Körperteile eine besondere Fertigkeit besaßen, mit den kostbareren Folgen beauftragt
wurden. Der Betrieb des Wirkereiateliers stufte die Gesellen und die Meister, die
um Lohn arbeiten mußten, in Kopf-, Gewand- und Landschaftswirker ab. Die Tat-
sache tritt im 16., namentlich im 17. Jahrhundert, in den Perioden weitgehender Arbeits-
teilung, besonders scharf in Erscheinung.

Nach erfolgter Meisterprüfung leistet der Betreffende den vorgeschriebenen Eid; ein
Bankett vereinigt die alten und den neuen Kollegen, dem in den glücklicheren Zeiten
das von der Innung dem Jungmeister gegebene Mahl folgt,.

Das Essen, richtiger gesagt das Zechgelage, das am Jahrestage des Zunftheiligen
bisweilen groteske Formen annimmt, ist mit all seinen ergötzlichen und bisweilen
auch weniger erfreulichen Einzelheiten in der Literatur genügend bekannt und ge-
würdigt. Jedes Jahrhundert weist eine stattliche Anzahl von obrigkeitlichen Ver-
boten wider die allzustarke Völlerei auf, ohne daß ein merklicher Erfolg zu verspüren
gewesen wäre.

Der kaiserliche Erlaß von 1544 baut die technischen Vorschriften und das Signierungs-
wesen der Brüsseler Verordnung von 1528 zu einem festen Gefüge aus.

Der Erwerb der Meisterwürde bedingt nicht ohne weiteres wirtschaftliche Selbst-
ständigkeit. In den Anfängen der Brüsseler Manufaktur war die Durchführung eines
eigenen Ateliers insofern erleichtert, als der vermittelnde Kaufmann die Rohmaterialien
vorschußweise hergab. Die demokratische Welle fegt den größten Teil der Vorrechte
der alten Gilde fort, sie gibt dem auch weniger bemittelten Meister eine größere,
vielfach allerdings nur theoretische Bewegungsfreiheit. Das erforderliche hohe Betriebs-
kapital zwingt c!>en Wirker, entweder nur Arbeiten einfacherer Art, in erster Linie
Verdüren und Kissenblätter zu fertigen, die keine allzulange Zeit beanspruchen und
rasch abzusetzen sind, oder bei einem vom Glücke begünstigteren Fachgenossen zu
arbeiten. Es ist durchaus nicht selten, daß für einen Großwirker zahlreiche Klein-
meister tätig sind, denen der Betreifende die notwendigen Rohstoffe stellt. Der Brauch
nimmt zu Ende des 16. Jahrhunderts bisweilen krasse Formen an, er erklärt die un-
gleiche Güte so mancher mit dem gleichen Wirkernamen gezeichneter Teppiche ein
und derselben Folge. Der unvermögende Meister arbeitet als „huerlinck" das eine
oder andere Stück in seiner Werkstatt und signiert mit dem Namen seines Auftrag-
gebers. Die Einzelheiten finden gelegentlich der Besprechung der einzelnen Manufak-
turen eingehendere Behandlung.

Das Maklerwesen ist der Rest des alten von der Kaufmannsgilde getragenen Zwischen-
handels. In Brüssel, der Stadt vorwiegender Qualitätsarbeit, kommt die wirtschaft-
liche Übermacht einzelner Manufakturen erst verhältnismäßig spät zur Auswirkung.
Der Courtier, „makelaer" oder „saamcoopere", ist eine Art Instanz zwischen Erzeuger
und Käufer. Der Makler hört auf, wie in Arras oder Brügge, nur Kaufmann zu sein.
Er wird zu einer vereideten Vertrauens- und Amtsperson, die an bestimmte Taxen ge-

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