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Brüssel

1598 beklagt sich Sweerts über die mangelhafte Beschaffenheit der abgelieferten Tep-
piche, das Material sei schlecht, die Patronen nicht genau beachtet. In den nun fol-
genden Verwickelungen treten eine Reihe der bekanntesten Wirker in Erscheinung.
Die Namensangaben gewinnen an Wert durch das beigefügte Alter der Zeugen. Der
Brüsseler Hermann Vermeiren (54 Jahre) bekleidet das Amt eines Hoftapissiers des
Erzherzogs Albert, er ist der „tapicero mayor van zyne doorluchtichste hoocheyt den
eertshertoghe Albertus"; Franz Sweerts der Jüngere zu Antwerpen — verheiratet seit
1597 — hat den Laden auf der Pant und den Betrieb seines Vaters, des so scharf
angegriffenen Maklers, übernommen; Christian de Visch unterhält ein größeres Atelier
in Brüssel; Jakob Tseraerts (65 Jahre) führt den Titel eines königlich spanischen Hof-
lieferanten; Wilhelm Tous (51 Jahre) betreibt in Brüssel in der rue des Taneurs eine
Wirkerwerkstatt; Corneille Tseraerts (41 Jahre) ist wie sein Verwandter Jakob Tser-
aerts Brüsseler Wirker und Händler. Fast alle besitzen Zweigniederlassungen in Ant-
werpen, entsprechend betreiben verschiedene Antwerpener Meister Ateliers in Brüssel.
Das ständige Hin- und Herfluten macht eine klare Trennung mitunter fast unmög-
lich. Franz Sweerts sucht sich herauszureden; er behauptet zu dem fraglichen Zeit-
punkte (seit Januar 1598) nicht mehr Courtier sondern wieder Händler gewesen zu
sein. Eine neue Reihe Zeugen marschiert auf. Der Ausgang des Prozesses ist unbe-
stimmt. Er zeigt aber immerhin mit genügender Klarheit, wie wenig von den alten
Zunftgrundsätzen, die zu Beginn des 16. Jahrhunderts noch im wesentlichen maß-
gebend waren, übrig geblieben ist. Der Handel, nicht die Erzeugung der Wirkereien,
wird zur Haupterwerbsquelle der führenden Ateliers; die Bestimmungen der kaiser-
lichen und städtischen Edikte lassen sich unschwer umgehen. Wauters glaubt den
wirtschaftlichen Zustand damit charakterisieren zu können, daß er die Tapissiers in zwei
große Lager trennt, auf der einen Seite die arbeitenden und hungernden Meister, auf
der anderen Seite die Händler. Die Annahme trifft nur in beschränktem Maße das
Richtige. Selbstverständlich bleibt einer großen Zahl von Kleinateliers nichts weiter
übrig, als für den vom Glücke begünstigteren Kollegen zu arbeiten; allen Werkstätten
steht jedoch die Handelsbetätigung frei und wird von ihnen auch zumeist ausgeübt.
Die selbständigen Kleinmeister bilden nicht die wirtschaftlich am schlechtesten ge-
stellte Klasse im Rahmen der großen Wirkerzentren, viel schlimmer ist der Geselle
daran, dem die Mittel zur Meisterprüfung fehlen, und vielleicht noch erbärmlicher ist
das Los des auf Arbeit gehenden Meisters, dessen Geldkatze nur eben zur Bezahlung
der Sportein für die heißersehnte Würde langte.

Die großen Händler sind in der Regel auch zugleich die Inhaber der großen Ate-
liers. Es mehren sich in der Spätzeit des 16. Jahrhunderts allerdings die Fälle, in
denen auch Nichtfachleute den Bildteppichhandel betreiben.

Wauters konstruiert eine besondere Händlersignierung, eine Art ^, er stützt sich
hierbei auf die Angabe eines Herrn von der Brüsseler Staatsbibliothek. Das Zeichen
«d'un quatre contourne, avec traverse croisee et montant accole de lettres", kommt
angeblich in Nobilitierungsakten des öfteren als «chiffre de marchand" vor. Eine
Reihe der bekanntesten Großwirker betreibt auch den Handel, führt jedoch nicht das
erwähnte 41- Andererseits genügt eine Durchsicht der Hausmarken, um erkennen zu
lassen, daß auch Familien das Zeichen besitzen, bei denen es einwandfrei feststeht, daß
sie nie Handel trieben. Ähnlich verhält es sich mit den Malermonogrammen. Was
hat z. B. die Signierung des 1584 verstorbenen Brügger Meisters Jakob van den Coorn-
huuse, die besonders deutlich das \ bringt, mit dem Handel zu schaffen? (41).

Wir finden das f als Steinmetzzeichen in dem englischen Register der lodge of Free-
masons zu Brechin, in Münzmarken (42), auf den Mauerzeichen in Nieupoort, auf dem
Schild des 1480 verstorbenen Erzbischofs Jacobus de Sienno in der Metropolitankirche
zu Gnesen und an unzähligen anderen Stellen, deren Beziehungen zum Handel nicht
ohne weiteres ersichtlich sind. Ebenso häufig kommt das als Ballenmarke in Ver-
bindung mit Namensinitialen vor, es führt in dieser Form vielfach die Benennung
«Merkurzeichen"; in der Spätzeit, im 18. und 19. Jahrhundert, tragen im Süden Deutsch-

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