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Brüssel

Der österreichische Textilienschatz enthält eine aus sechs Teppichen bestehende
Don Quijotefolge, die einem Brüsseler Atelier des 18. Jahrhunderts entstammt, jedoch
keine Signaturen trägt. Die Darstellungen stimmen mit der Leyniers-Reydams'schen
Serie nur in zwei Stücken überein, sie decken sich jedoch völlig mit den im van den
Hecke'schen Prospekte erwähnten Episoden. Wir finden den Auszug Sancho Pansas
nach seiner Insel, den feierlich-komischen Einzug, Don Quijote im Käfig, das Mahl
und den geprellten Sancho. Es liegt die Vermutung nahe, daß die Wiener Serie dem
Atelier Meister Peters entstammt.

Zum Schlüsse des Prospektes teilt der Wirker mit, daß er jederzeit bereit sei, auch
einzelne Teppiche der genannten Serien abzugeben oder das eine und andere Stück
nach Wunsch in den Abmessungen vergrößert oder verkleinert herstellen zu lassen.

Die Sammlung der Stadt Gent besitzt verschiedene Bildteppiche aus der Manufaktur
des Peter van den Hecke. Der Spätzeit des Ateliers gehört ein Behang an, der das
Innere eines fürstlichen Frauengemaches zeigt. Die Damen sind eifrig mit Spinnen,
Spulen und dem Verarbeiten eingefärbter Wollen beschäftigt, Es ist schwer zu sagen,
zu welcher Folge dieses vereinzelte Stück gehört, Der Katalog der Brüsseler retro-
spektiven Kunstgewerbe-Ausstellung 1880 führt den Teppich unter der Bezeichnung
„Die Frauen des Darius". Möglicherweise handelt es sich um eine sinnbildliche Dar-
stellung, die mit dem zweiten Stücke, das gleichfalls der Stadt Gent eignet, und den
Genius der Wissenschaft, umgeben von gelehrten Männern, wiedergibt, zu derselben
Serie gehört. Sollten nicht Wandteppiche aus den „Freuden der Welt" in Frage
kommen? Der unter dem Titel uDer Friede" in dem Kataloge der Ausstellung
erwähnte Behang bildet die Fortsetzung; möglicherweise ist die Darstellung mit dem
„Überfluß" identisch. Ein weiblicher Genius thront in den Wolken, in den Händen
den Ölzweig. Der Reichtum läßt aus dem Füllhorne Gold und Geschmeide hernieder-
strömen. Zerbrochenes Kriegsgerät deckt den Boden. Allegorische Gestalten und
Amoretten verherrlichen Kunst, Wissenschaft und Handel. Vielleicht mit noch mehr
Recht lassen sich die beiden ersten Teppiche mit der Signierung Meister Peters der
Folge der „Berühmten Frauen" einreihen. Es würde sich dann um Penelope und
Sappho handeln. Daß das Programm die Serie nicht aufzählt, dürfte seinen Grund
darin haben, daß die Reihe erst nach der Abfassung aufgenommen wurde.

Dem gleichen Atelier gehört eine Wirkerei aus der Geschichte Roms an: Clölia und
ihre Gefährtinnen auf der Flucht,

Einen vereinzelten Teppich — eine junge Dame übt in einem Park Toilettenkünste —
mit der Signierung P. V. D. H. besitzt die Stadt Paris. Wahrscheinlich kommt van Schoor
als Patronenmaler in Frage.

Peter van den Hecke stirbt 1752 und wird am 19. Februar in der Kirche Notre Dame
de la Chapelle beigesetzt. Seinen beiden Ehen entsprossen nur Töchter. Die Manu-
faktur erlischt, die Warenbestände und Kartons werden versteigert. Unter den Pa-
tronen findet sich u. a. eine Geschichte der Psyche von Jan van Orley und eine Reihe
„Die Berühmten Frauen" nach den Entwürfen von De Haese. Die Vorlagen der Historie
Cupidos und Psyches waren kurz zuvor für eine für Maria Theresia bestimmte Folge
benutzt worden, die wahrscheinlich aber nicht zur Ablieferung kam. Das Inventar des
österreichischen Textilienschatzes erwähnt keine derartige Reihe mit der Signierung des
Peter van den Hecke. An vorrätigen Wandteppichen weist der Nachlaß des Meisters
außer einer Geschichte des Don Quijote, die Folge der Berühmten Frauen, die wohl
nur dieses eine Mal gefertigt wurde, und einen Jahreszeitenteppich auf.

Eng verknüpft mit der Geschichte der Manufaktur der van den Hecke ist das Atelier
der Raes. Die Anfänge des Unternehmens gehen mit Franz Raes, der aus Glaubens-
nöten landflüchtig wird, bis in das 16. Jahrhundert zurück.

Der Begründer des Ruhmes der alten Wirkerfamilie wird im 17. Säkulum Jan Raes.
Er steht zu Beginn des zweiten Jahrzehntes in naher geschäftlicher Verbin duDg mit
Katharina van den Eynde, der Witwe des Jakob Geubels. Die Liller Rechnungsbelege
erwähnen 1613 die von beiden Firmen gelieferte, kostbare — «d'or, de soye et de

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