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Brüssel

großer Originalkarton ergänzte in glücklichster Weise die zur Schau gestellten Wir-
kereien.

Eine zweite nicht minder berühmte Serie ist mit dem Namen des rührigen Wirkers
verknüpft, die mehrfach wiederholte Geschichte des Apostels Paulus. Die Ausstellung
Altbrüsseler Kunst vom Jahre 1905 (137) brachte sowohl einen Teppich dieser Folge,
wie den als Vorbild dienenden Karton. Es handelt sich um die Enthauptung des
Apostels. Der Entwurf gehört dem 16. Jahrhundert an und dürfte einem Maler der
Orleygruppe, wohl Peter Coecke zuzusprechen sein. Veränderungen, die sich dem
Zeitgeschmacke anpassen — es fehlt nicht die dekorative Distelstaude — und neue
Bordüren sind selbstverständlich. Von besonderem Interesse ist die Staffage des Hinter-
grundes, die die römische Porta Ostia durch ein Architekturbild ersetzt, das dem
Brüsseler Hai-Tor ähnelt. Renaissancereihen nach den Kartons, die ein Jahrhundert
später Auwercx als Vorlagen benutzt, sind nicht selten. Sowohl die Krone Spanien,
wie die österreichischen und bayerischen Staatssammlungen weisen erstklassige Aus-
führungen auf, die in Einzelheiten variieren (Abb. 383, 384a).

Die von Auwercx gewirkte Wiederholung der Enthauptungszene befindet sich im
Besitze eines Herrn Ch. L. Cardon, sie trägt die Brüsseler Marke und den vollen Wirker-
namen A. AUWERCX; ein zu der gleichen Folge gehöriger Teppich — Paulus läßt
die heidnischen Schriften vernichten — zeigt die Signierung G. VAN LEEFDAEL.
Die Serie scheint aus dem Zusammenarbeiten der beiden Firmen im Auftrage eines
unbekannten Mäzens entstanden zu sein.

Meister Albert ist ferner die A. A. signierte Folge der «die Welt beherrschenden
Kräfte", acht Teppiche, in der österreichischen Staatssammlung zuzuschreiben. Als
Patronenmaler wird Ludwig van Schoor genannt (Abb. 339).

Charakteristisch für die gemeinsame Tätigkeit des Guilliam (Wilhelm) van Leefdael
und Albert Auwercx' ist eine außerordentlich fein durchgeführte Dianenserie von sieben
Teppichen im englischen Privatbesitze (138). Die anmutigen, kleinfigurigen Szenen
spielen in Waldlandschaften mit blühendem Gesträuch und zarten Fernsichten. Die
Bordüre arbeitet mit den reichen Blumen- und Fruchtgirlanden des ausgehenden
Barocks. Drei Behänge der Folge tragen den Auwercxschen, die übrigen den Leef-
daelschen Namen.

Zu erwähnen ist weiterhin eine Mosesserie von sieben Behängen im Textilienschatze
der Kathedrale zu Toledo mit der vollen Signierung unseres Wirkers (139). Die
Europa- und Amerikateppiche im Besitze des Grafen Enzenberg sind Stücke der
Weltteilfolge. Sie bringen in dekorativ äußerst wirksamen Allegorien die für den
betreffenden Kontinent charakteristischen Trachten und Beschäftigungen. Amerika wird
durch eine weibliche Idealgestalt mit Pfeil und Bogen verkörpert; Indianerinnen mit
phantastischem Federschmuck bilden den Hofstaat, es fehlt nicht an farbenfrohem Ge-
tier; Krokodile und Papageien erhöhen den exotischen Reiz. Herrin Europa erhält die
schönen Künste als Begleiterinnen. Architekturen und gut durchgeführte Landschafts-
szenerien bilden den Abschluß. Die Signierung nennt sowohl Wirker — A. Auwercx —
wie Maler — L. van Schoor inv. et pinxit (140).

Eine scharfe Konkurrenz erwächst dem Auwercxschen Unternehmen in dem Atelier
des Geraert Peemans. Dem Meister wird das Hochkommen wesentlich erleichtert durch
die verwandtschaftlichen Beziehungen zu Geraert van der Strecken, dem bedeutendsten
Mitgliede der Strecken-Leefdael-Leyniers-Gruppe. Inwieweit ihn sein Schwiegervater
an Aufträgen beteiligt, ist in den Einzelheiten bislang noch nicht festzustellen. Als am
15. Oktober 1665 die Privilegierung durch den Brüsseler Rat ausgesprochen wird, be-
schäftigt Peemans 14 Wirker an sechs Stühlen, deren Zahl sich in den darauffolgenden
Jahren noch erheblich vermehrt. 1678 verkauft Peemans durch Vermittelung des Ant-
werpener Händlers Andrea Martini dem Grafen de Caprara die acht Teppiche zählende
Folge der Geschichte Scipios und Hannibals.

Die bekannteste Serie, die dem Meister den Ruf eines der hervorragendsten Brüsseler
Wirker des 17. Jahrhunderts einträgt, ist die Geschichte Kaiser Aurelians und der

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