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Brüssel

widerspricht, daß Bildteppiche nahe verwandten Stiles, wie die „Einnahme Jerusalems*
in Saumur — nicht zu verwechseln mit dem Tournaiser Teppich im New-Yorker
Metropolitanmuseum — gleichfalls den Namen des Künstlers tragen. Es erscheint aus-
geschlossen, in diesen verschiedenen Teppichen abgewandelte Kopien früherer Reihen,
die diesen zudem zeitlich nahe stehen müßten, zu erblicken. Aus dem entsprechenden
Grunde scheidet die Annahme aus, daß die eine der Trojafolgen — die Fragmente
von Schloß Bayard und Issoire — die Wiederholung einer wenig älteren Reihe sein
könnten, die durch das Fragment im Besitze des Grafen Schuwaloff vertreten würde.
Die «Beratung zwischen Odysseus, Diomedes und Aeneas" trägt keine Signierung.
Abgesehen davon, daß diese Tatsache bei dem nicht allzu ausgedehnten russischen
Fragmente auf einem Zufall beruhen kann, wäre selbst, wenn eine Wiederholung vor-
liegen sollte, die Anfertigung neuer Entwurfszeichnungen völlig überflüssig.

Die dritte und wahrscheinlichste Annahme ist die, daß Jan nach illuminierten Manu-
skripten arbeiten ließ, die von einem Künstler des eigenen Ateliers gefertigt wurden,
der seine Ausbildung Meistern verdankte in der Art des Oudenaarder Miniaturisten
Jehan le Tavernier, des Liller Enlumineur Loyset Lyedet oder des Brügger Willem
Vreland; oder daß schließlich der Auftraggeber Meister Jan Werke in der Art der
„Conquetes de Charlemagne" oder der „Vengeance de Nostre Seigneur" zur Ver-
fügung stellte. Die Verwendung von Miniaturen ist gang und gäbe; der ent-
werfende Patronenmaler nimmt rücksichtslos die Vorlagen, wo und wie sie ihm
günstig erscheinen. Es liegt die starke Wahrscheinlichkeit vor, daß de Melys
Ausführungen den richtigen Weg zeigen. Er erwähnt die Signierung auf einer
Miniatur der Heures d'Aragon(177): «R OMAIFA". Noch typischer ist die Schrift,
die als dekoratives Moment den Zimmerfries in der „Annonciation des Heures"
belebt (178). ROME. NOREISA MENOSN PRVSKMION. Rome ist nicht
die französierte Form von Roma, es ist der Name Jans van Roome. Schwierig ist
die Deutung der auf das Wort ROME folgenden Buchstaben, die willkürlich anein-
ander gereiht zu sein scheinen. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um ein
Kryptogramm. Auch hier gibt eine Publikation E. de Melys wesentliche Anhalts-
punkte (179). Der Autor stützt sich auf das Werk des Fr. Bonaventura Hepburne,
die «Virga aurea septuaginta duobus encomiis B. V. Mariae coelata", die 1616 in Rom
erschien. Es ist mir bislang nicht möglich gewesen, den Band durch eine deutsche Biblio-
thek zu erreichen. Schon die wenigen Proben, die de Mely dem Werke entnimmt,
das zum größten Teil auf alter Tradition fußt, daneben eine Reihe neuer phantastischer
Schöpfungen bringt, geben wertvolle Ausblicke. Der Foliant beschreibt nicht weniger
als 72 Alphabete, die in den voraufgegangenen Jahrhunderten im Gebrauche waren.
Es ist zu erwarten, daß eine schärfere Nachprüfung der zahllosen, unlösbar scheinenden
Inschriften, die sich in erster Linie auf Miniaturen finden, zu überraschenden Ergeb-
nissen führt.

Schon die Vorliebe Jan van Roomes für kryptographische Spielereien, die in erster
Linie typisch für Illuminatoren sind, illustriert die Art der Tätigkeit des Meisters.
Die Patronen der Trojareihe sind nach Stil und Tracht schwerlich nach 1485 ent-
standen. Die Annahme Thie>ys, der das Schriftband auf einer der Entwurfszeich-
nungen A. D. 1545° als Anno Domini 1500 liest, dürfte kaum zutreffen. Die Ge-
schichte Trojas ist als Brüsseler Arbeit anzusehen, die Signatur Bruss. Braban gibt die
Bestätigung. Die Rollen der Tuchmachergilde nennen bereits in der ersten Hälfte des
15. Säkulums eine Unzahl von Legwerkern, mit dem Beginn des 16. Jahrhunderts ist
mit einer starken Zunahme der Ateliers unbedingt zu rechnen. Es wäre mehr wie
seltsam, wenn diese Hunderte von Teppichen sämtlich der Zeit zum Opfer gefallen
sein sollten. Von besonderer Eigenart sind die engen Beziehungen Jan van Roomes
zu den Tournaiser Ateliers, Beziehungen, die bei der Besprechung dieser Manufaktur
bereits eingehendere Würdigung fanden.

Die Trojafolge trägt, dem Zeitgebrauche folgend, doppelte Inschriften, am Kopfende
in lateinischer, am Fußende in französischer Sprache. Den Text verfaßte ein Literat

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