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Oudenaarde

navant au susdit mutier; nous consentons et voulons que ces personnes exercent libre-
ment, leur vie durant, les susdits Industrie et commerce de tapisserie, sans que cela
puisse £tre tire" ä consequence" (5).

Die Antwerpener Beschlagnahme wirkt wie der Funke ins Pulverfaß, der die ge-
reizte Stimmung der Massen zum Entflammen bringt. In Wirklichkeit findet die
aufrührerische Bewegung ihre Begründung in den elenden wirtschaftlichen Verhält-
nissen, die durch den scharfen Hochgang der Preise für Kleidung und Lebensmittel,
der mit dem ersten Drittel des 16. Jahrhunderts einsetzt, aufs äußerste verschärft
werden. Ähnlich ist die Lage in den anderen flämischen Städten mit starker Arbeiter-
bevölkerung. Das Herabdrücken der Gesellen und Lehrlinge zum vierten Stande, das
Aufhören der Gleichberechtigung der verschiedenen Staffeln ein und desselben Hand-
werks, versetzt dem alten städtischen Unabhängigkeitssinn den Todesstoß. Der Schutz
der Kommune, der bislang in den Händen Zünftiger lag, die einheitlich dachten und
handelten, wird illusorisch. Die Städte, zumeist von einer Geld-, seltener von einer
Geistesaristokratie regiert, vermeiden nach Möglichkeit jede kriegerische Betätigung.
Die allgemeine Wehrpflicht der Zünfte wird durch ein Berufssoldatensystem ersetzt,

Fast Gent allein, trotz, oder richtiger gesagt infolge des starken Niederganges der
einheimischen Tuchindustrie, vertritt den alten Standpunkt städtischer Selbstherrlich-
keit. Als 1537 die Statthalterin Margarete von Österreich infolge des Einfalles des
französischen Königs auch von Gent die Kriegssteuer verlangt, erhält sie eine glatte
Absage. Mitte 1539 setzt der Aufruhr in der zügellosesten Form ein. Die große Masse
der Handwerker und Gesellen der umliegenden Städte, in erster Linie von Ouden-
aarde, Courtrai, Ypern, Armentieres, Grammont und Lille schließt sich der Bewegung
an (6).

Der Aufstand, von wortreichen zu jeder wirklichen Tat unfähigen Männern geleitet,
bricht beim Eintreffen Kaiser Karls, der mit 5000 Mann vor Gent erscheint, kläglich
zusammen und besiegelt hiermit das Ende der alten Zunftverfassung. Die Ouden-
aarder Wirker, die durch weiter andauernde Arbeitseinstellung einen kümmerlichen
Gewinn einzuheimsen suchen, werden nach kurzer Zeit durch den Hunger zu be-
dingungsloser Unterwerfung gezwungen (7). Es wird dafür gesorgt, daß die der Stadt
auferlegte Strafe von 8000 Gulden in nicht allzumilder Form durch verstärkte Arbeits-
leistung aufgebracht wird. So kommt es, daß einesteils ein großer Teil der Gesellen
und Kleinmeister trotz aller Verbote auswandert, andernteils die übrig gebliebenen
Betriebe sich immer mehr zu Großunternehmungen auswachsen. Es ist durchaus nichts
seltenes, daß ein einziger Großwirker und Händler 30 bis 60 Kleinbetriebe beschäftigt.
Der nicht kapitalkräftige Meister steht entweder im Solde des vom Glücke mehr be-
günstigten Kollegen, oder er zieht — sofern er der Heimat nicht ganz den Rücken
kehrt — in die Umgebung der Stadt, wo er neben seiner Ackerwirtschaft den Wir-
kereibetrieb ungehemmt von irgendwelcher Beaufsichtigung betreibt ttä quoy ung
chascun est d'aultant plus enclin que natourelement l'homme desire vivre en libertö,
sans estre subject ä loix ne aultre charge" (8). Der Brauch bürgert sich schon um
1520 ein; um die Mitte des 16. Jahrhunderts sind die Orte in den Pfarreien Edelaer,
Nukerke, Etichove, Volkeghem, Kerkhem n. a. zu reinen Wirkerkolonien geworden.
Zu Anfang wehrt sich der städtische Tapissier gegen den ländlichen Fachgenossen, der
seinen Ruf durch minderwertige Erzeugnisse schädigt; dann sucht er die Umstände für
sich auszunutzen (9). Um 1560 wird es Brauch, daß der ländliche Wirker sich mit
dem selbständigen Einkauf der Materialien — es kommt nur deutsche Wolle in Frage —
nicht mehr abgibt. Der Oudenaarder Großunternehmer liefert ihm den Rohstoff nach
Gewicht, die Vergütung erfolgt nach Ablieferung der betreffenden Arbeit. Da es sich
zumeist um grobe und kleinere Wirkereien, vielfach nur um Kissendecken handelt,
erstreckt sich diese Art der Kreditgewährung nur auf einige Wochen. Die Bezahlung
ist die denkbar schlechteste; der Heimbetrieb zwingt den Wirker, seine Familien-
angehörigen — die Kinder treten bereits mit dem 7. Jahre in die Arbeit ein — in der
schärfsten Weise auszunutzen. Kurz es entsteht ein System industrieller Betätigung,

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