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Lille

Brüsseler Marke Boß, nach der Mitte zu den Buchstaben F. Handelt es sich um einen
Teppich, den de Melter in Brüssel begonnen und in Frankreich vollendet hat?

Die Teniersdarstellungen pflegt Meister Johann anscheinend erst in den letzten Jahren
seiner Liller Tätigkeit, wenigstens sind frühere Arbeiten dieser Gattung mir nicht
bekannt. 1695 besichtigt Michel le Pelletier die Liller Manufaktur de Melters, er
rühmt eine kürzlich fertiggestellte Folge von sechs Behängen nach Teniers, die
einen Wert von 4200 fl. repräsentiert. Der Schwiegersohn nimmt sich der Motive
mit Eifer an. Eine fast vollständige Serie weist der Wirkereischatz der Stadt Paris
auf (5). Es handelt sich um acht Teppiche, die zumeist die Signierung der Werniers-
schen Manufaktur tragen. Die Bordüre besteht aus der im 18. Jahrhundert beliebten
und zumeist recht langweiligen Rahmenfassung, in unserem Falle durch einige mit
Blumen umwundene, eiförmige Kartuschen belebt. Die Höhe der einzelnen Behänge
wechselt zwischen 2,95 und 3,20 m. Die Motive der Folge entsprechen fast völlig der
von H. Rydams und J. van der Borght um 1700 gewirkten Serie von acht Stück, die
sich gegenwärtig im Besitze des Herzogs von Medina Celi zu Madrid befindet. Über
den entwerfenden Künstler herrscht kein Zweifel. Verschiedene Teppiche führen in
der Bildfläche die Bezeichnung: „DAVID TENIERS JVNIOR PINXTT . 1680". (David
Teniers HI. geb. 1638, gest. 1685.) Die Pariser Folge umfaßt folgende Darstellungen:

I. Ein ländlicher Spielmann bearbeitet den Dudelsack. Ein junges Paar tanzt. Rechts
schauen zwei Zecher, die sich von ihrer Bank erhoben haben, interessiert der
Gruppe zu. Im Hintergrunde, in einer Lichtung, vergnügen sich speisende und
trinkende Bauern; der eine schmaucht sein Pfeifchen. H. 3,00 m, L. 5,55 m.
H. Ländliches Mahl.

Inmitten einer Waldlichtung speisen fünf flämische Bauern. Ein Dudelsackspieler
— neben einer umgestülpten Tonne — sorgt für die Unterhaltung. H. 3,20 m,
L. 5,10. Der Teppich ist signiert: L. F. (Lilie) G. WARNIERS(6).

III. Ländliches Fest,

Ein Dudelsackpfeifer spielt zum Tanze, die Runde — drei Bauern und zwei
Mädchen — schwingt sich in ausgelassenen Sprüngen. Ein Spitz äußert bellend
sein Mißfallen. Rechts stehen zwei Zecher vor der klobigen Bank, links stützt
sich ein Landmann auf den Spaten. H. 3,15 m, L. 4,76 m. Die Signierung ist
die gleiche wie bei dem vorigen Teppich.

IV. Tric-Trac-Spiel.

Wieder öffnet sich die Waldlichtung. Zwei Bauern sitzen vor dem Brett, drei
andere machen den Kibitz. Der Gärtner mit seinem Spaten und ein auf dem
Warenballen hockender Hausierer rauchen gedankenlos ihre Pfeife. Im Hinter-
grunde erhebt sich eine Stadt mit Hafenanlagen. H. 2,90 m, L. 4,05 m. Signierung
L (Lilie). G. W.
V. Tric-Trac-Spiel.

Der Teppich bringt eine schmälere Variante des vorigen Stückes. Der seitliche
reiche Baumschlag fehlt. H. 3,03 m, L. 2,48 m.
VI. Kartenspiel.

In einer Waldlichtung vergnügen sich trinkende und kartenspielende Bauern.
H. 2,95 m, L. 2,50 m. Signatur L. F. (Lilie) G. WARNIERS.
VH. Zechende und rauchende Bauern.

Die Arbeitsgeräte liegen abseits auf der Erde. H. 3,02 m, L. 1,75 m. Die Signierung
stimmt mit der des vorigen Behanges überein.
VIII. Galante Unterhaltung.

Ein Mann sitzt am Wirtstische, in der Hand das volle Glas. Er lauscht vergnügt
dem Oboespiel der Frau. Im Hintergrunde blaut eine bergige Landschaft mit
Häusern und Stallungen. H. 3,05 m, L. 2 m.

Ein Exemplar des fehlenden achten Stückes der Serie, das übrigens nicht zu der
Pariser Folge gehört, hängt auf Schloß Heiligenberg (Kreis Konstanz). Der Schweine-

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