Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
I 2

GOLDSCHMIDT

den dicken Lippen und Augenlidern und den plastisch geperlten
Blutstropfen der Hände.

Literatur: Vöge, die Elfenbeinbild werke 1900/2 Nr. 39 Tafel XII. — Dal-
ton, in Archaeologia 58 1903 p. 43a. — Goldschmidt, Jahrbuch der Kgl. Preuß.
Kunstsammlungen XXVI 1905 S. 55f. (Abb. 5), S. 62 Nr. 3.

9- BUCHDECKEL (Fragment). TAFEL V

Die Frauen am Grabe.

IX. Jahrhundert. Adagruppe.

Florenz, Museo Nazionale (Kat. Supino 1898 Nr. 35).

Höhe i6,3 cm (ohne moderne Anstückung 14,8 cm), Breite 10,8 cm.
Auf der Rückseite Vertiefung für Wachs. Teil eines antiken Diptychons, das
auf der Bildseite von neuem skulpiert wurde, bildete die untere Fortsetzung
von Nr. 8, dessen abgeriebene Inschrift auf dem Bande sich auf die Szene der
Frauen am Grabe bezieht (vgl. dort). Ein oberer Randstreifen ist ziemlich jung
ergänzt (nicht mit abgebildet), ebenso ist ein Stück am Rande rechts erneuert,
das vermutlich infolge einer gleichen Durchbohrung, wie sie sich noch bei
der oberen Hälfte findet, ausgebrochen ist. Ungefäbr gegenüber am linken
Rande sind auf der Rückseite Spuren wie von der Anbringung eines Ver-
schlusses. Später ist rundherum eine Metallfassung gelegt, wie man aus den
vielen Löchern des Randes schließen kann. Der Grund ist sehr dünn und
mehrfach gesprungen. Drei Bohrlöcher oben im Reliefgrund, die vielleicht
einmal zum Aufhängen der Platte gedient haben, sind wieder ausgefüllt.
Die Erhaltung ist gut, die Farbe des Elfenbeins hellbraun. Vgl. Nr. 8 und
Nr. 20.

Gehört zur Sammlung Carrand und stammt aus der Sammlung Evans.

Ein steiniger Erdhoden trennt die Fläche in zwei Begionen:
oben auf der Grabplatte sitzender Engel, der zu den drei Frauen
redet, von denen nur die vorderste ein Gefäß trägt, unten das
Grabmal mit zwei symmetrisch auf ihre Lanzen sich stützenden
Wächtern. Vgl. die Wächter auf der vermutlich orientalischen
Gürtelschnalle des heiligen Cäsarius in Arles (Abb. /[).
Über den Stil vgl. Nr. 8. Die Falten scheinen hier noch ge-
häufter.

Literatur: De Rossi im Archivio storico dell'arte II 1889 p. 12. — Ainaloff,
in Berichten der k. orthodoxen Palästinagesellschaft Februar 1894 (russisch).
— Catalogo del R. Museo Nazionale di Firenze 1898 Nr. 35. — Graeven, Elfen-
beinwerke, II 1900 Nr. 25. — Goldschmidt im Jahrbuch der kgl. preuß.
Kunstsammlungen XXVI 19öS S. 55 Fig. 5, S. 62 Nr. 9.

I O. BUCHDECKEL oder SCHBEIBDIPTYCHON. TAFEL V
Zwei Tugenden im Siege über Laster.
IX. Jahrhundert. Adagruppe.

Florenz, Museo Nazionale, Coli. Carrand Nr. 3o (Kat. Su-
pino 1898).

Höhe 32,8 cm, Breite 10,5 cm.

Erhaltung gut bis auf die obere linke Ecke, an welcher der Band durch
Wachs ausgebessert ist. Eine Anzahl späterer Bohrlöcher neben den sechs
kleinen Köpfen und außerdem noch an einzelnen Stellen des Bandes dienten
wohl zur Befestigung. Die ursprüngliche Bestimmung ist sicher, in einen
Bahmen gefaßt zu werden, da um die ganze Platte ein schmaler Steg her-
umgeführt ist. Zugleich aber zeigt die Bückseite die vertiefte Fläche für
Wachs mit einem 1,2—1,5 cm breiten, höheren Rand wie ihn die Schreibdip-
tychen aufweisen. Oben in der Vertiefung unleserliche Schriftreste. Vermut-
lich handelt es sich um eine antike Diptychonplatte, die auf der Außenseite
neu beschnitzt worden ist, während die Innenseite in der alten Form bestehen
blieb, und die dann in einen Rahmen gefaßt, weiter als Schreibdiptychon
oder als Handschriftendeckel verwandt wurde.

Stammt nach Angabe des Florentiner Kataloges aus der Abtei Ambronay bei
Genf, die 799 gegründet wurde, und war im Besitz von M. Sommerard Pere
in Paris.

Der äußere Bahmen und ein Mittelstreifen von Blattpalmetten
umgeben zwei Felder, die noch einmal von einem Perlstab um-
zogen sind und unter einer reichen Arkade „je einen jugendlichen
Krieger mit Panzerhemd und Mantel, Beinschienen und Schild
und mit einem Diadem in den Locken zeigen. Derselbe setzt
die Lanzenspitze auf die zu Boden getretene Gestalt einer Frau,
wie es nach den langen Haaren scheint. Es ist anzunehmen, daß
die Gegenplatte zwei gleiche Figuren enthielt und damit die vier

Kardinaltugenden dargestellt waren als Sieger über die Laster.
Die kleineren weiblichen Köpfe in viereckigen Feldern an den
Ecken des Bahmens, im ganzen sechs, sollen vermutlich die ge-
ringeren Tugenden repräsentieren.

Der Stil ist in seinen vollen Formen der Figuren, in der Art des
Haares und der Faltensäume sehr bezeichnend für die Ada-
gruppe. Die Ornamentik der Säulen und Bogen ist sehr reich und
findet in den Tafeln aus Bourges (Nr. 19), in den Lorscher Buch-
deckeln (Nr. i3 und i/j) und dem Harrach-Diptychon (Nr. 18)
ihr nächstes Analogon. Die Blätter sind durch ihre fleischigen
gerollten Formen charakteristisch.

Literatur: Tresor de numismatique, bas-reliefs et Ornaments II 1839 pl. LVIII
no. I. — Bossi im Archivio storico dell'arte II 1889 p. 11. — Gazette des beaux-
arts 3ime serie tome VIII (1892) p. 336. — La Collection Carrand au Bargello
ä Florence 1895 Tafel 8. — Catalogo del R. Museo Nazionale di Firenze 1898
no. 3o.

11 a, b. BUCHDECKEL (?). TAFEL VI
Sankt Michael als Sieger über den Drachen.
IX. Jahrhundert. Adagruppe.
Leipzig, Stadtbibliothek.

Höhe 34 cm, Breite 10 cm.

Gori gibt es 1759 an als „in Biblioteca Senatus Lipsiensis". Stark verletzt,
der äußere Band fehlt fast ganz, zum Teil ist er bis auf schmale Beste ab-
gesägt, zum Teil mit anstoßenden Teilen des Grundes fortgebrochen; besonders
große Stücke fehlen an den Ecken oben und unten rechts. Die Bückseite
ist glatt bis auf die eingravierte Konsularinschrift ungefähr gegenüber den
Füßen des Erzengels. Man benutzte für die Schnitzerei die Rückseite eines
alten Konsulardiptychons, und zwar ist die Inschrift, wie Herr Prof. H. Dessau
festgestellt hat, die des weströmischen Konsuls Messius Phoebus Severus vom
Jahre 47°; der auch in verschiedenen Inschriften des Kolosseums (C. I. L.
VI 32091, 32092, 32i84, 32i85) genannt wird. Es ist interessant, daß wir
hier ein ganz glattes Konsulardiptychon ohne plastischen Schmuck haben,
denn dagegen, daß dieser etwa abgesägt sei, spricht die Inschrift, die offenbar
in ihrer vollständigen Tiefe erhalten ist. Vielleicht können wir einen ursprüng-
lichen Schmuck durch Bemalung vermuten. Es ist kaum anzunehmen, daß
die neue Schnitzerei des Michael wiederum die Hälfte eines Schreibdiptychons
bilden sollte. Eine vertiefte Fläche für Wachs war der Inschrift nach unmöglich.
Wahrscheinlicher handelt es sich um den Deckel einer in schmalem Hoch-
format geschriebenen Handschrift. Als Gegenstück könnte man die Darstellung
Christi als Sieger über Löwe und Drachen vermuten, denn diese Zusammen-
stellung zeigt ein kleines, etwas jüngeres Diptychon der Sammlung Carrand
im Nationalmuseum in Florenz (Graeven, Serie II Nr. 3o) und gerade in der
Stilgruppe unseres Michaelreliefs scheint diese Darstellung beliebt gewesen
zu sein (Nr. 1, 5, 1.3).

In schreitender Stellung stößt der Erzengel dem Drachen die
Lanze in den Bachen, indem er den Kopf leicht zur Hand
Gottes wendet, durch die der Befehl ausgedrückt ist. Von ihr
sind nur noch zwei Finger neben dem Nimbus sichtbar. Das
Stück eines tonnenartigen Gebildes unter dem linken Fuß des
Engels kann als Angabe einer Erdhöhle erklärt werden, aus wel-
cher der Drache herausgekommen ist, oder als die Erde, in die
die Teufel bei der Schöpfung hineingestoßen werden. Die Beste
des Bandornamentes lassen sich zu einer Palmettenform ergänzen,
welche identisch scheint mit dem Ornament an den oberen Fel-
dern des Aachener Diptychons (Nr. 22), so daß darin eine Be-
stätigung des Schulzusammenhanges zu sehen ist.
Der Stil ist im übrigen dem des Lorscher Buchdeckels (Nr. i3
und i4) nahe verwandt sowohl in der Behandlung von Gesicht
und Haaren, wie auch in der Gewandung, deren Falten aber
beim Michael noch stärker bewegt sind, sich in seinem Schöße
künstlich zusammenwühlen und auf dem linken Unterschenkel
durchflechten.

Literatur: I. Henricus Leichius, De diptychis veterum et de diptycho emi-
nentissimi Quirini. Lipsiae 1743 p. 38 mit Abb. — Gori, Thesaurus veterum
diptychorum III 1759 p. 3o6 tab. XLIII. — Naumann, Die Malereien in den
Handschriften der Stadtbibliothek zu Leipzig 1855 S. 4 Anm. — Naumann,
Führer durch die Ausstellung von Handschriften und Druckwerken auf der Stadt-
bibliothek zu Leipzig 1859 Nr. 2a. — Führer durch die Ausstellung kunst-
gewerblicher Arbeiten vom Mittelalter bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts.
Dresden 1875 Nr. 9.4. — Westwood, Fictile Ivories 1876 p. 455. — Garrucci,
Storia dell'arte christiana VI 1880 tav. 457,3 p. 84. — Anton Springer, Bilder
 
Annotationen