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ELFENBEINSKULPTUREN

bildung im Erdboden, auch wohl in der Blattbehandlung des
Rahmens und der Bäume zeigen sich Eigentümlichkeiten der
Liuthardgruppe. Die Köpfe bekommen ihr besonderes Gepräge
dadurch, daß an den Augen auch das untere Lid scharf markiert
und die Pupille eingebohrt, die stark gewölbte Linie der Brauen
über der Nase verbunden ist und die Nase selbst stärker heraustritt.
Die Art des Rahmens, bei dem sich die Blattpalmetten immer seit-
lich mit einem Teil übereinanderschieben, steht vereinzelt da.

Literatur: Gonse, L'art ancien ä l'exposition de 1878, p. ig5. — Rohault de
Fleury, La Messe VI 1887, pl. 488. — Catalogue sommaire des Musees de la
Vüle de Lyon (o. J.), p. 268, 110. 74.

111. BUCHDECKEL. TAFEL L
Kreuzigung.

IX.—X. Jahrhundert. Abzweigung der Metzer Schule.
Paris, Louvre.

Höhe 14 cm, Breite 8 cm.

Viele Stücke abgebrochen: Ecke des Bandes rechts unten, Köpfe Christi, des
Johannes, des äußersten Engels oben rechts, Schlange unter dem Kreuz, Lanze
und Schwamm neben dem Kreuz. Die am Rande früher vermutlich einge-
legten Goldblättchen fehlen alle. Farbe des Elfenbeins sehr braun. 189(5 er-
worben.

Christus am Kreuz zwischen Longinus und Stephaton, die beide
mit dem Rücken herausgekehrt sind, und Maria und Johannes.
Uber dem Haupte Christi die Kreuzesinsehrift IIIS, darüber eine
fünfteilige, blütenartige Rosette und die Brustbilder von Sol und
Luna. Rechts und links neigen sich je drei Engel mit vorgestreck-
ten Händen anbetend herab. Zu Füßen Christi die Schlange und
vier Särge, aus denen sich je zwei Auferstehende aufrichten. Ein
doppelterOrnamentrand von kleinen gezähnten, schräg aneinander-
gefügten Blättern und von einer Schnur abwechselnder Perlen und
Bauten umrahmt die Tafel. Das Ganze scheint eine Kopie zu sein
nach dem Belief im Victoria und Albert Museum in London (Nr. 112)
oder nach einer gemeinsamen Vorlage.

Von jenem Belief aber, das mit Nr. 113 und 114 eine feste Gruppe
bildet, weicht es im Stil erheblich ab, indem alle Faltenlinien stärker
gerundet und in vielfachen Parallelen gezogen, und auch die Köpfe
krauser gebildet sind. Dadurch steht es der Metzer Gruppe noch
etwas ferner als die genannten.

Literatur: Molinier in Gazette des beaux-arts, 3äme serie, tome XX 1898,
S. 483, Abb. S. 487- — Graeven, Elfenbeinwerke II, Text S. 19. — Photographie:
Alinari 3.3969.

112. BUCHCECKEL. TAFEL L
K reuzigung.

IX.—X. Jahrhundert. Abzweigung der Metzer Schule.
London, Victoria und Albert Museum (Nr. 30 36*7).

Höhe [3,7 cm, Rreite 7,5 cm.

Das Relief ist ziemlich stark abgerieben. Modern ist die Taube über dem
Kreuz und die Füllung des großen runden Loches darüber. Farbe des Elfen-
beins dunkelgelb. Die früher eingelegten Goldplättchen fehlen.
Herkunft unbekannt.

Christus am Kreuz zwischen Longinus und Stephaton, die vom
Rücken gesehen sind, und Maria und Johannes. Über der Kreuzes-
inschrift war vermutlich früher eine Rosette wie auf der Wieder-
holung im Louvre (Nr. Iii), darüber Sol und Luna. Rechts und
links je drei anbetende Engel. Unter dem Kreuz die Schlange und
vier Särge mit je zwei sich aufrichtenden Auferstehenden. Rahmen
aus schrägliegenden gezähnten Blättern und einem Band aus Rau-
ten und Perlen.

Die einzelnen Figuren, besonders die Engel, Sol und Luna, aber
auch die übrigen Gestalten sind denen auf den Kreuzigungen der
Metzer Gruppe außerordentlich ähnlich, auch die Verwendung
kleiner Goldblättchen, wie sie hier in den Rauten und Kreisen
des Rahmens, an den Wolken, auf denen die Engel stehen und
im Kreuznimbus stattgefunden hat, ist bei Werken der Metzer

Gruppe gebräuchlich. Daneben aber bemerkt man eine Beziehung
auch zu den Produkten der Liuthardgruppe. Die vom Rücken
gesehenen Männer neben dem Kreuze befinden sich ebenso auf
der Kreuzigung im Münchener Nationalmuseum (Nr. 44)- Mit
diesem und den übrigen Kruzifixen derselben Schule hat die vor-
liegende Christusfigur das Zusammenschließen der Füße, die Hal-
tung der Arme und Hände und einen unregelmäßig bewegten Schä-
delkontur gemeinsam, im Gegensatz zu den übrigen Metzer Reliefs.
Auch die Neigung zu Unterschneidungen ist hier stärker als bei den
Metzer Werken und ähnlicher der Liuthardgruppe; ebenso finden
sich die für diese Schule so bezeichnenden Erdbodenschnörkel
mit den Bohrlöchern, die in Metz zwar zuweilen ähnlich, aber
doch kaum in der Schärfe vorkommen. Auch sonst kann man
manches mit der Liuthardgruppe in Verbindung bringen, wenn auch
die größere Analogie der ganzen Komposition und Faltengebung in
Metz liegt, so daß man die Entstehung an einer Stelle suchen muß,
wo zunächst der Metzer Einfluß herrscht, wo sich daneben aber
auch ein starker Einschlag der andern Richtung findet. Ob der Sitz
dieser Kreuzung ein bestimmtes Kloster oder eine bestimmte Persön-
lichkeit ist, ist schwer zu entscheiden. Für das letztere spricht, daß
noch zwei weitere Reliefs (Nr. 44 una 4^) vorhanden sind, die im
Stil so genau mit dem vorliegenden übereinstimmen, daß man
an einen gemeinsamen Künstler denken könnte. Eine Kopie des
Reliefs in einem etwas veränderten Stil zeigt die Platte Nr. 111 in
London (vgl. diese). Die Gruppe zeigt eine besondere Neigung
zu zierlicher ornamentaler Ausgestaltung. Nicht nur die Anbringung
der Goldblättchen, sondern auch die Musterung des Heiligenscheines
und der Särge der Auferstehenden, die Punktierung des Kreuzes,
die subtile Federangabe der Engelsflügel dient diesem Zweck. Die
Art, wie der Rahmen geschmückt ist, ist ganz verschieden von den
üblichen reichen Akanthusformen, wie sie in der eigen tlichen Metzer
Gruppe als Einfassung üblich sind. Hingegen zeigt sich auch
darin eine gewisse Hinneigung zu späteren Werken der Liuthard-
gruppe wie bei den Apostelkästen Nr. 58—62. Die Farbe aller zu-
sammengehörenden Stücke ist merkwürdig stark gebräunt.

Literatur: Maskell, Description of the Ivories 1872, p. 126. — Graeven, Elfen-
beinwerke I, 1898, Nr. 66, II Text, S. 19. — Venturi, Storia dell' arte italiana
II, 1902, Fig. 163.

113. BUCHDECKEL. TAFEL L
König David.

IX.—-X. Jahrhundert. Abzweigung der Metzer Schule.
Florenz, Museo Nazionale, Sammlung Carrand (Cat. Supino
1898, Nr. 33).

Höhe 1 1 cm, Breite 7,8 cm.

Abgebrochen sind die Köpfe der beiden knienden Figuren, ein Strahl des
Sternes oben links und das Szepter Davids, außerdem zeigt besonders die obere
Hälfte einzelne stärkere Sprünge, doch ist die Oberfläche gut erhalten und
noch verhältnismäßig viele der eingelegten Goldblättchen sind bewahrt und
zeigen deutlich, wie man dieselben nach der Einlage noch selbständig durch
Punkte und Striche modellierte. Auch hier sieht man an den Stellen, wo das
Gold fehlt, die kleinen Löcher, die zum Festhalten dienten. Vier Bohrlöcher
in den Ecken des Randes zur Befestigung der Platte. Farbe dunkel.
Aus der Sammlung Bach.

König David sitzt auf dem Thron mit Szepter und Beichsapfel,
neben ihm stehen rechts sein Schild- und Lanzenträger und zwei
andere Leute des Gefolges. Er wendet sich nach links zu einer
Gruppe von Männern, deren vorderster einen gedrehten, bis zur Erde
reichenden Stab hält. Unten neben dem Thron knien zwei Jüng-
linge und erheben die eine Hand zum König, während sie die andere
geschlossen vor der Brust halten. Über dem Raupte Davids ist eine
schmale Schrifttafel angebracht mit dem Namen f DAVIT R[EX]
und darüber die Hand Gottes. Rechts und links ein großer, frei
unterarbeiteter Stern. Vermutlich soll die Szene König David im
Kreise seiner Dichter darstellen, die er mit der Niederschrift der
Psalmen betraut. Die Platte hat gewiß den Deckel eines Psalteriums
geschmückt. Der Rahmen ist aus einem Streifen schräg gereihter
 
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