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— 42 —

halte. Doch genug — er ist mein Bruder; warum sollte
ich ihn beschreiben? Ich verfalle doch wieder in ein
Loblied."

So schrieb die Frau, der Wordsworth nun wirklich
das geträumte bescheidene Heim bereiten durfte. Kaum
je haben sich zwei Menschen mit gröfseror Hoffnung und
mit mehr Berechtigung auf Glück zusammengefunden.
"Wo wäre auch eine Frau gewesen, die dem Dichter in
seinen goldnen Tagen mehr Freund und Gehilfe sein
konnte als sie, die schon so früh das Wesen des Bru-
ders begriffen hatte? Auch Dorothys äufsere Erschei-
nung sprach nicht im ersten Augenblicke zu ihren
Gunsten. Der Ausdruck in dem auffallend dunkelfarbigen
Antlitz und den blitzenden, wilden Augen wechselte zu
schnell, um sofort gefafst zu werden. So waren auch die
Bewegungen der kleinen Gestalt zu lebhaft und hastig,
um immer anmutig zu sein — so schildert sie De Quincey,
und auch Coleridge schreibt nach dem ersten Besuch:
„Wordsworth und seine ausgezeichnete Schwester waren
bei uns. Sie ist eine Frau, fürwahr!, von Geist meine
ich und Herz; denn ihre Person ist derart, dafs, erwar-
test du eine hübsche Frau, du eine ziemlich gewöhnliche
finden würdest, wenn du eine gewöhnliche erwartest, so
würdest du sie für hübsch halten. Doch ihr Benehmen
ist einfach, lebhaft und eindrucksvoll. Aus jeder ihrer
Bewegungen strahlt ihre unschuldige Seele so leuchtend,
dafs, wer sie sah, sagen müfste: „Fremd und unmöglich
war ihr jede Schuld." Ihre Kenntnisse sind reich, ihr
Auge aufmerksam auf die kleinsten Züge der Natur und
ihr Geschmack ein vollkommener Elektrometer: er neigt
sich, stöfst ab und zieht an, je nach den feinsten Schön-
heiten wie nach den verborgensten Fehlern."
 
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