Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
— 207 —

kehr mit ihr möglich machte, ist es, was den Schöpfungen
Unsres Dichters ein so neues Gepräge gab, was den kleinen
Kreis der Freunde alsbald zur Bewunderung fortrifs, und
was doch wieder dazu beitrug, dafs das Publikum erst
sehr allmählich für die Tiefe dieser Auffassung ein Ver-
ständnis fand.

Wordsworth steht auch mit dieser Richtung am
Ende einer langen Entwicklungsreihe der englischen Poesie.
Die ersten Spuren von eigentlichen Naturschilderungen,
die wir bei Chaucer, dem Vater der englischen Dichtkunst
finden, sind noch schwach. Wir treffen wohl hin und
wieder bei ihm poetische Bilder: etwa das einer mit Mafs-
üebchen bestandenen Wiese, von einem murmelnden Bach
durchflössen; doch selten sind sie stark genug hervor-
gehoben, um auch nur den Hintergrund seiner Gedichte
bilden zu können. Ähnliches läfst sich bei den Elisa-
bethanischen Dichtern verfolgen. Shakespeare allerdings,
dessen gewaltiger Genius jedes Gebiet des Dichtens be-
herrscht und den Nachfolgern überall ein Erbe hinter-
lassen hat, das zu gewaltig für sie war, hat uns in der
wunderbaren Stimmung des Waldlebens im Sommernachts-
traum und in „Wie es euch gefällt" ahnen lassen, welch
tiefes Naturgefühl in ihm lag. Überall bricht ein solches
in gewaltigen Bildern und Gleichnissen in seinen drama-
tischen Werken hervor und zieht sich, wo die Kunstgattung
einen gröl'seren Spielraum erlaubte, durch die Anmut seiner
Lyrik, besonders den „leidenschaftlichen Pilgrim".

Doch erst Milton gab im Allegro und Penseroso
eigentliche Stimmungsbilder der Natur. Hier zum ersten-
mal ward sie in ihrem Überreichtum ein Gegenstand der
Poesie, nicht um als Hintergrund der menschlichen Thaten
zu dienen, sondern um an ihr zu zeigen, wie gleichsam
 
Annotationen