GLAUBE
sich in atemraubende Höhen, zu übermenschlicher Weisheit, in der
ihn kein körperliches Leid, keine Seelenqual mehr treffen kann. Er
ist schon in Gott aufgegangen, als er seiner Mutter die letzten Zeilen,
wenige Stunden vor seinem Tode schreibt: „Teure, inniggeliebte
Mutter, um Mittag; jetzt stehen wir bereit auf der äußersten Stellung.
Ich sende Dir meine volle Liebe. Was auch geschehen mag, das
Leben hat uns manch Schönes gegeben.“
Was Chevrillon in seiner Einleitung nicht hervorhebt, was mir
aber als ein Wesentliches des Buches erscheint, ist die unbewußte,
unmittelbare, dramatische Steigerung in dem Schicksal dieses Helden.
Es muß betont werden: Diese Tagebuchaufzeichnungen und Briefe
sind nicht für den Druck geschrieben; sie sind nicht als ein Ganzes
komponiert, sondern sind nur hingesetzte Eindrücke, Gedanken und
Stimmungen, Liebesbriefe eines zärtlichen Sohnes an eine gütige
Mutter. Trotzdem ist eine straffe Folge in den Briefen wahrzunehmen.
Mit jeder Zeile erhebt sich der abgeklärte Geist dieses Helden
höher über die Menschen, über die Erde, steigt ins Firmament,
bis die Unendlichkeit ihn in sich auflöst. Man möchte sagen: In
ihm hat der beste Mensch unserer Zeit das Schicksal des Krieges
bis zur Neige ausgekostet. Er hat geduldet, ohne zu klagen. Er
hat die härtesten Pflichten mit dem Gleichmut des Stoikers auf sich
genommen. Bei jeder Prüfung war er stark im Glauben an die
Ordnung der Dinge, vermochte in tiefer Weisheit zu sagen, daß es
so recht sei. Zu alledem war er gottselig. Er hat sein Vertrauen
in die Dinge gesetzt, die „weder Geburt noch Tod kennen, in das,
was nicht geboren, unverwüstlich ist, wenn der Leib getötet wird“.
„Sage M. . .., wenn das Schicksal die Besten trifft, daß das nicht
ungerecht ist: diejenigen, die weiter leben, werden dadurch ge-
bessert ... Ihr wißt nicht, welche Lehre uns der gibt, der fällt. Ich
aber weiß es.“ „Der Mensch lerne ohne Klage zu sterben! Es genüge
ihm zu wissen, daß die Fahne getragen werden wird.“
Ich weiß nicht, ob diese Gefaßtheit eines Todgeweihten mehr
erschüttert, oder die zarten Worte, die er mitten im Schlachten-
lärm vor der Natur gefunden hat: „Ich empfand den Segen Gottes,
als plötzlich ein schöner, so schöner Baum zu meinem Herzen
sprach . . . und ich habe begriffen, daß eine Stunde in dieser Be-
trachtung das ganze Leben ist.“ „Welche Lust, dieses stets innige
Mitschweigen im Schoße der Natur! Gestern abend sah ich denselben
Horizont, den wir erwachen sahen, in rosiges Licht gebadet, dann
ist der Vollmond in einem zarten Himmel aufgegangen, auf dem die
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sich in atemraubende Höhen, zu übermenschlicher Weisheit, in der
ihn kein körperliches Leid, keine Seelenqual mehr treffen kann. Er
ist schon in Gott aufgegangen, als er seiner Mutter die letzten Zeilen,
wenige Stunden vor seinem Tode schreibt: „Teure, inniggeliebte
Mutter, um Mittag; jetzt stehen wir bereit auf der äußersten Stellung.
Ich sende Dir meine volle Liebe. Was auch geschehen mag, das
Leben hat uns manch Schönes gegeben.“
Was Chevrillon in seiner Einleitung nicht hervorhebt, was mir
aber als ein Wesentliches des Buches erscheint, ist die unbewußte,
unmittelbare, dramatische Steigerung in dem Schicksal dieses Helden.
Es muß betont werden: Diese Tagebuchaufzeichnungen und Briefe
sind nicht für den Druck geschrieben; sie sind nicht als ein Ganzes
komponiert, sondern sind nur hingesetzte Eindrücke, Gedanken und
Stimmungen, Liebesbriefe eines zärtlichen Sohnes an eine gütige
Mutter. Trotzdem ist eine straffe Folge in den Briefen wahrzunehmen.
Mit jeder Zeile erhebt sich der abgeklärte Geist dieses Helden
höher über die Menschen, über die Erde, steigt ins Firmament,
bis die Unendlichkeit ihn in sich auflöst. Man möchte sagen: In
ihm hat der beste Mensch unserer Zeit das Schicksal des Krieges
bis zur Neige ausgekostet. Er hat geduldet, ohne zu klagen. Er
hat die härtesten Pflichten mit dem Gleichmut des Stoikers auf sich
genommen. Bei jeder Prüfung war er stark im Glauben an die
Ordnung der Dinge, vermochte in tiefer Weisheit zu sagen, daß es
so recht sei. Zu alledem war er gottselig. Er hat sein Vertrauen
in die Dinge gesetzt, die „weder Geburt noch Tod kennen, in das,
was nicht geboren, unverwüstlich ist, wenn der Leib getötet wird“.
„Sage M. . .., wenn das Schicksal die Besten trifft, daß das nicht
ungerecht ist: diejenigen, die weiter leben, werden dadurch ge-
bessert ... Ihr wißt nicht, welche Lehre uns der gibt, der fällt. Ich
aber weiß es.“ „Der Mensch lerne ohne Klage zu sterben! Es genüge
ihm zu wissen, daß die Fahne getragen werden wird.“
Ich weiß nicht, ob diese Gefaßtheit eines Todgeweihten mehr
erschüttert, oder die zarten Worte, die er mitten im Schlachten-
lärm vor der Natur gefunden hat: „Ich empfand den Segen Gottes,
als plötzlich ein schöner, so schöner Baum zu meinem Herzen
sprach . . . und ich habe begriffen, daß eine Stunde in dieser Be-
trachtung das ganze Leben ist.“ „Welche Lust, dieses stets innige
Mitschweigen im Schoße der Natur! Gestern abend sah ich denselben
Horizont, den wir erwachen sahen, in rosiges Licht gebadet, dann
ist der Vollmond in einem zarten Himmel aufgegangen, auf dem die
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