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282 LEBEN BAPHAEL'S



Deutsch:

Dem ausgezeichneten Maler Raphael Sanzio, Zeuxis unseres

Zeitalters.
Von mir, Francesco Kaibolini, genannt Francia.

Ichv bin nicht Zeuxis, auch nicht Apelles, noch bin ich
lerart, — dass so grosser Männer Beinamen mir zukäme; —
weder mein Talent, noch meine künstlerische Tüchtigkeit ist
würdig, — von einem Kaphael unsterbliches Lob zu em-
pfangen.

Du allein, dem der Himmel die vorherbestimmte Bega-
bung verlieh, — welche jede andere übertrifft und über jede
andere herrscht: — deine ausgezeichnete Arbeit lehrt es
uns, — durch welche du dich jedem antiken Meister gleich-
gestellt hast.

Beglückter Jüngling, der du in den ersten Jahren —
so viele übertriffst; was wird später sein, wenn — du in vor-
geschrittenerem Alter deine Werke noch verbesserst?

Besiegt wird die Natur sein; und durch deine Täuschun-
gen — beredt gemacht, wird sie sagen, indem sie dich er-
hebt: — dass du allein der Maler der Maler bist.

Gegen dies Gedicht Hesse sich manches einwenden. Ge-
hört es vor das Jahr 1507 (als Abschiuss der Grablegung),
so weiss man nicht recht, wie Francia zu so überschweng-
lichem Lobe kam. Gehört es in das Jahr 1508, denn vor
den Brief vom 5. September würde es doch zu setzen sein,
so fällt die Anrede ,garzon' auf, da das Wort einen jünge-
ren Arbeiter, der noch nicht selbständig war, bezeichnete.

Diese Einwürfe würden weniger bedeuten, stimmte das
Sonett nicht in seiner begeisterten Erhebung eines Jüng-
lings, der so früh schon als der Maler aller Maler proclamirt
wird, zu der sentimentalen Anschauung der Späteren: Ra-
phaePs frühste Werke hätten wie die eines Wunderkindes


 
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