ÜBERSETZUNG UND COMMENTAR X, 1—14 297
nicht darauf einlässt, den bedeutenden Unterschied zwischen
den einzelnen Stücken der Decke in Betreff der malerischen
Ausführung hervorzuheben, sondern dass er sie allesammt
gleichmässig mit dem höchsten Lobe bedenkt. Allein solche
Unterschiede pflegen von ihm überhapt nicht angemerkt zu
werden *).
') Über die Entstehungszeit der Decke entnehme ich Vasari noch einige
Daten, die, wenn auch ohne Belang, doch nicht übergangen werden dürfen.
Dieser berichtet im Leben des Sodoma (XI, 146), Chigi habe Sodoma
aus Siena mit nach Rom genommen, wo Perugino gerade im Vatican ge-
arbeitet hätte. Dieser sei damals schon zu alt gewesen und habe bei dem
Malen nicht Torwarts gekonnt, weshalb Sodoma den Auftrag erhalten, die
Decke der Camera della Segnatura zu malen. Nun aber hat Bramante da-
mals Raphael nach Rom gebracht, und da der Pabst sieht, dass Perugino
zu alt, Sodoma zu faul ist, lässt er Alles wieder herabschlagen und giebt
Raphael den Auftrag. Dieser lässt stehn was Perugino gemalt hat; bei
Sodoma behält er dagegen die Ornamentik bei, während er die Figuren aus
den Runden herausschlagen lässt, in welche er Giustizia, Cognizione delle
cose, Poesia und Theologia malt.
Verhielte sich die Sache so, dann müsste Raphael mit der Malerei der
Decke den Anfang gemacht haben, was aller Wahrscheinlichkeit und Va-
sari 8 eignen sonstigen Angaben widerspräche. Wichtig dagegen ist, dass,
da Sodoma im Frühjahr 1507 mit Chigi nach Rom ging, wir hier wieder
sehen, wie geläufig Vasari die Vorstellung war, Raphael sei 1507 bereits in
Rom gewesen. Was Perugino's hohes Alter anlangt, so zählte er damals
60 Jahre, war ohne Zweifel rüstig, fleissig und beweglich wie immer, und
seine Schwachheit ist, wie wahrscheinlich auch Sodoma's Unfleiss, eine Er-
findung Vasari's, dem es in den Sinn kam, Raphael's Arbeit in der Camera
della Segnatura auch von dieser Seite her mit einem gewissen Effecte in
Sceae zu setzen. Sodoma's ganze Biographie ist eins der stärksten Stücke
litterarischer Bosheit aus Vasari's Feder, die sich denken lässt.
nicht darauf einlässt, den bedeutenden Unterschied zwischen
den einzelnen Stücken der Decke in Betreff der malerischen
Ausführung hervorzuheben, sondern dass er sie allesammt
gleichmässig mit dem höchsten Lobe bedenkt. Allein solche
Unterschiede pflegen von ihm überhapt nicht angemerkt zu
werden *).
') Über die Entstehungszeit der Decke entnehme ich Vasari noch einige
Daten, die, wenn auch ohne Belang, doch nicht übergangen werden dürfen.
Dieser berichtet im Leben des Sodoma (XI, 146), Chigi habe Sodoma
aus Siena mit nach Rom genommen, wo Perugino gerade im Vatican ge-
arbeitet hätte. Dieser sei damals schon zu alt gewesen und habe bei dem
Malen nicht Torwarts gekonnt, weshalb Sodoma den Auftrag erhalten, die
Decke der Camera della Segnatura zu malen. Nun aber hat Bramante da-
mals Raphael nach Rom gebracht, und da der Pabst sieht, dass Perugino
zu alt, Sodoma zu faul ist, lässt er Alles wieder herabschlagen und giebt
Raphael den Auftrag. Dieser lässt stehn was Perugino gemalt hat; bei
Sodoma behält er dagegen die Ornamentik bei, während er die Figuren aus
den Runden herausschlagen lässt, in welche er Giustizia, Cognizione delle
cose, Poesia und Theologia malt.
Verhielte sich die Sache so, dann müsste Raphael mit der Malerei der
Decke den Anfang gemacht haben, was aller Wahrscheinlichkeit und Va-
sari 8 eignen sonstigen Angaben widerspräche. Wichtig dagegen ist, dass,
da Sodoma im Frühjahr 1507 mit Chigi nach Rom ging, wir hier wieder
sehen, wie geläufig Vasari die Vorstellung war, Raphael sei 1507 bereits in
Rom gewesen. Was Perugino's hohes Alter anlangt, so zählte er damals
60 Jahre, war ohne Zweifel rüstig, fleissig und beweglich wie immer, und
seine Schwachheit ist, wie wahrscheinlich auch Sodoma's Unfleiss, eine Er-
findung Vasari's, dem es in den Sinn kam, Raphael's Arbeit in der Camera
della Segnatura auch von dieser Seite her mit einem gewissen Effecte in
Sceae zu setzen. Sodoma's ganze Biographie ist eins der stärksten Stücke
litterarischer Bosheit aus Vasari's Feder, die sich denken lässt.