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Grimm, Herman
Michelangelo: sein Leben in Geschichte und Kultur seiner Zeit, der Blütezeit der Kunst in Florenz und Rom — Berlin: Safari-Verlag, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.71912#0056
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Michelangelo, Leonardo und Raffael in Florenz
ihrer Vaterstadt wieder erlauben; sie besaßen Freunde in allen Kreisen der Bürgerschaft, die
ihre Bitte unterstützten. Unruhe bemächtigte sich des Volkes. Man begriff nicht, daß über
die Antwort, die man Cesare zu geben hätte, auch nur beraten werden könne. Die Stimmung
wurde eine so gefährliche, daß Cesares Vorschlag verworfen ward. Aber man wolle über die
Höhe der Summe mit ihm unterhandeln, wurde geantwortet, für die er als Oberbefehlshaber
der florentinischen Truppen auch fernerhin der Freund der Bürgerschaft bliebe. Mit anderen
Worten, man wollte sich loskaufen.
Cesare, dem es mit der Restitution der Medici nicht so ganz Ernst war, ließ sich das gefallen.
Vielleicht hatte er nur gedroht mit den alten Feinden, um sowohl von diesen die Summe zu
beziehen, mit denen sie seine Hilfe unfehlbar im voraus bezahlt hatten, als auch von der Stadt
günstigere Geldbedingungen zu erlangen. Man kam auf 36 000 Gulden überein; dafür trat er
als Oberbefehlshaber der florentinischen Truppen dem Namen nach in die Dienste der Stadt
und zog nach Piombino weiter, das er Anfang September einnahm.
Bestellung des In die Zeit, als Cesare Borgia das florentinische Gebiet verließ und in das von Piombino
einfiel, fällt die Bestellung des David bei Michelangelo.
Vor langen Jahren hatte man einen neun Ellen hohen Marmorblock von Carrara nach Florenz
geschafft, aus dem die Konsuln der Wollenweberzunft, in deren Besitz die Kirche Santa Maria
del Fiore war, einen Propheten arbeiten zu lassen beabsichtigten, als eine der Figuren, welche
die Kuppel der Kirche außen umgeben sollten. Die Bestellung war in der Folge zurückgenommen
worden, der Stein aber bereits behauen und für eine andere Gestalt nicht zu gebrauchen. Ver-
gebens hatte man ihn einst Donatello angetragen, kein Bildhauer glaubte sich imstande, etwas
Rechtes daraus zu machen, und so lag er seit Menschengedenken im Hofe der Werkstätte
für Dombauarbeiten.
Michelangelo hatte soeben über eine andere Arbeit abgeschlossen. Der Kardinal Piccolomini,
dessen Familie aus Siena stammte, wollte im dortigen Dome eine Grabkapelle mit Werken
der Skulptur ausschmücken und bestellte fünfzehn Marmorstatuen in Lebensgröße bei Michel-
angelo. Der Kontrakt, ein interessantes Aktenstück, das die genauesten Bestimmungen enthält,
war am 19. Juli 1501 in Rom unterzeichnet worden. Jacopo Galli, Michelangelos römischer
Freund, vermittelte auch hier und verbürgte die eventuelle Rückerstattung vorausempfangener
Gelder, falls die bedungenen Ablieferungstermine nicht eingehalten würden oder die Qualität
der Statuen dem Vertrage nicht entsprechend erschiene. Michelangelo aber, als er den un-
geheuren, prächtigen Stein vor Augen sah und den Ruhm erwog, den er durch eine Arbeit
dieser Ausdehnung in Florenz erwerben könnte, ließ die fünfzehn Statuen für Siena auf sich
beruhen, unterwarf den Marmor einer sorgfältigen Prüfung und übernahm die Arbeit. San-
sovino hatte doch nur unter der Bedingung daran gehen wollen, daß er den Block durch An-
fügung einiger anderer Marmorstücke vervollständigte. Michelangelo aber erklärte, daß er
ohne jede Zutat arbeiten würde. Dies gab vielleicht die Entscheidung. Am 16. August 1501
wurde der Auftrag ausgefertigt.
Arbeit am Zwei Jahre sind ihm darin zugestanden, vom 1. September an gerechnet, und monatlich,
s"^' '306 solange er arbeitete sechs schwere Goldgulden Gehalt. Was am Ende noch nachzuzahlen sei,
sollte dem Gutdünken und Gewissen der Auftraggeber überlassen bleiben. Am 13. September
morgens in der Frühe, es war an einem Montage, brach er den Stein an. Einzige Vorbereitung
für seine Arbeit war die Anfertigung eines kleinen Wachsmodells, das in den Uffizien noch
vorhanden ist. So meißelte er im Vertrauen auf sein gutes Auge darauf los und Ende Februar
1503 war schon so viel geschafft worden, daß er seine Arbeit als halb vollendet zeigen konnte.

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