Michelangelo und Julius II.
deren begonnenes Mauerwerk hinter der alten Basilika wenige Fuß über dem Erdboden
emporragte.
Michelangelo sah sich die Arbeit an und erklärte, am geratensten würde sein, diese Tribüne
zu vollenden und das Monument darin aufzustellen. Der Papst fragte, wieviel es kosten könne.
100 ooo Skudi, meinte Michelangelo. Sagen wir 200 000, rief Julius aus und gab San Gallo
Befehl, die Lokalitäten in Augenschein zu nehmen.
Umbau der Allein er beauftragte damit nicht bloß San Gallo, sondern ordnete diesem einen zweiten
Peterskirche Architekten bei, den er ebenfalls in seine Dienste genommen hatte und der in Rom den Ruf
als einer der ersten Baumeister seiner Zeit genoß: Bramante von Urbino. Dieser stand mit
San Gallo in einem Alter. In Mailand hatte er zuerst gebaut, dann in Rom für die Borgia und
verschiedene Kardinäle Kirchen und Paläste. An jenem Palast, den der Kardinal di San Giorgio
aufführen ließ, als Michelangelo nach Rom kam, war Bramante mit beschäftigt. Jetzt hatte
der Papst großartige Arbeiten für ihn vor, den Ausbau des vatikanischen Palastes, der mit dem
durch ein Tal von ihm getrennten Belvedere zu einem großen Ganzen verbunden werden sollte.
Bramante und Bramante und San Gallo, die einem Manne gegenüberstanden, dem das Gewaltigste eben groß
San Gallo genug war, brachten die Sache dahin, daß der Beschluß gefaßt wurde, die gesamte Basilika
umzustürzen und einen neuen gewaltigen Tempel an ihre Stelle zu setzen. Beide entwarfen
Zeichnungen dazu. Bramantes Vorschläge gefielen dem Papste besser als die San Gallos, dem
der Bau bereits zugesagt worden war. Bramantes Pläne waren auch in der Tat von ausgezeich-
neter Güte; Michelangelo gibt ihm in späteren Zeiten dieses Lob, er sagt, daß jeder, der sich
von seinen Zeichnungen entfernt hätte, sich von der Wahrheit entfernt habe. San Gallo aber,
nichtsdestoweniger tief beleidigt, nahm seinen Abschied und kehrte, ohne sich durch Ver-
sprechungen halten zu lassen, nach Florenz zurück, wo er von Soderini mit offenen Armen
aufgenommen ward.
Bramante behauptete das Feld. Sein Charakter läßt sich in starken Umrissen zeichnen.
Erfindungsreich, unermüdlich und gewandt, wußte er sich trefflich in die Launen seines Herrn
zu schicken, dessen ungeduldiger Hast, einen merklichen Fortgang der unternommenen um-
fangreichen Arbeiten mit Augen zu gewahren, er sogar durch Kunststücke zu genügen wußte.
Diesem Manne mußte Michelangelo jetzt schon dadurch verdächtig erscheinen, daß er so jung
so bedeutendes geleistet hatte, verdächtig in noch höherem Grade, weil der Papst Gefallen
an ihm fand. Durch San Gallo war er empfohlen und nach Rom gebracht. Was war natür-
licher, als daß er diesen zurückzubringen strebte?
Grabmal Von dem Grabdenkmale des Papstes, wie es von Michelangelo damals projektiert worden
IIe war, haben wir die Beschreibungen der Biographen, und von seiner eigenen Hand, scheint es,
eine getuschte Federzeichnung, die nach mannigfachem Wechsel der Besitzer jetzt in der
Sammlung der Uffizien in Florenz aufbewahrt wird. Zwar bedurfte es vieler Entwürfe, ehe
der Papst sich entschied, und es ist nicht sicher, ob das uns vorliegende Blatt gerade dasjenige
war, auf das hin Julius das Ganze für 10 000 Skudi in Auftrag gab. Allein, da die Zeichnung mit
Condivis Beschreibung stimmt und keine abweichende Auffassung bekannt ist, so darf sie wohl
einstweilen als die authentische betrachtet werden.
Das Monument bestand aus drei sich übereinander türmenden Teilen. Zuerst ein dreizehn
Fuß hoher Unterbau auf einer Grundfläche von sechsunddreißig Fuß Breite zu einer Tiefe
von vierundzwanzig. Die Florentiner Skizze stellt das Werk von einer der beiden schmäleren
Seiten aus gesehen dar, und zwar wiederum nur zwei von den drei übereinander liegenden
Teilen; das Papier scheint oben abgetrennt zu sein; die Spitze fehlt also. Wir sehen den Unter-
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deren begonnenes Mauerwerk hinter der alten Basilika wenige Fuß über dem Erdboden
emporragte.
Michelangelo sah sich die Arbeit an und erklärte, am geratensten würde sein, diese Tribüne
zu vollenden und das Monument darin aufzustellen. Der Papst fragte, wieviel es kosten könne.
100 ooo Skudi, meinte Michelangelo. Sagen wir 200 000, rief Julius aus und gab San Gallo
Befehl, die Lokalitäten in Augenschein zu nehmen.
Umbau der Allein er beauftragte damit nicht bloß San Gallo, sondern ordnete diesem einen zweiten
Peterskirche Architekten bei, den er ebenfalls in seine Dienste genommen hatte und der in Rom den Ruf
als einer der ersten Baumeister seiner Zeit genoß: Bramante von Urbino. Dieser stand mit
San Gallo in einem Alter. In Mailand hatte er zuerst gebaut, dann in Rom für die Borgia und
verschiedene Kardinäle Kirchen und Paläste. An jenem Palast, den der Kardinal di San Giorgio
aufführen ließ, als Michelangelo nach Rom kam, war Bramante mit beschäftigt. Jetzt hatte
der Papst großartige Arbeiten für ihn vor, den Ausbau des vatikanischen Palastes, der mit dem
durch ein Tal von ihm getrennten Belvedere zu einem großen Ganzen verbunden werden sollte.
Bramante und Bramante und San Gallo, die einem Manne gegenüberstanden, dem das Gewaltigste eben groß
San Gallo genug war, brachten die Sache dahin, daß der Beschluß gefaßt wurde, die gesamte Basilika
umzustürzen und einen neuen gewaltigen Tempel an ihre Stelle zu setzen. Beide entwarfen
Zeichnungen dazu. Bramantes Vorschläge gefielen dem Papste besser als die San Gallos, dem
der Bau bereits zugesagt worden war. Bramantes Pläne waren auch in der Tat von ausgezeich-
neter Güte; Michelangelo gibt ihm in späteren Zeiten dieses Lob, er sagt, daß jeder, der sich
von seinen Zeichnungen entfernt hätte, sich von der Wahrheit entfernt habe. San Gallo aber,
nichtsdestoweniger tief beleidigt, nahm seinen Abschied und kehrte, ohne sich durch Ver-
sprechungen halten zu lassen, nach Florenz zurück, wo er von Soderini mit offenen Armen
aufgenommen ward.
Bramante behauptete das Feld. Sein Charakter läßt sich in starken Umrissen zeichnen.
Erfindungsreich, unermüdlich und gewandt, wußte er sich trefflich in die Launen seines Herrn
zu schicken, dessen ungeduldiger Hast, einen merklichen Fortgang der unternommenen um-
fangreichen Arbeiten mit Augen zu gewahren, er sogar durch Kunststücke zu genügen wußte.
Diesem Manne mußte Michelangelo jetzt schon dadurch verdächtig erscheinen, daß er so jung
so bedeutendes geleistet hatte, verdächtig in noch höherem Grade, weil der Papst Gefallen
an ihm fand. Durch San Gallo war er empfohlen und nach Rom gebracht. Was war natür-
licher, als daß er diesen zurückzubringen strebte?
Grabmal Von dem Grabdenkmale des Papstes, wie es von Michelangelo damals projektiert worden
IIe war, haben wir die Beschreibungen der Biographen, und von seiner eigenen Hand, scheint es,
eine getuschte Federzeichnung, die nach mannigfachem Wechsel der Besitzer jetzt in der
Sammlung der Uffizien in Florenz aufbewahrt wird. Zwar bedurfte es vieler Entwürfe, ehe
der Papst sich entschied, und es ist nicht sicher, ob das uns vorliegende Blatt gerade dasjenige
war, auf das hin Julius das Ganze für 10 000 Skudi in Auftrag gab. Allein, da die Zeichnung mit
Condivis Beschreibung stimmt und keine abweichende Auffassung bekannt ist, so darf sie wohl
einstweilen als die authentische betrachtet werden.
Das Monument bestand aus drei sich übereinander türmenden Teilen. Zuerst ein dreizehn
Fuß hoher Unterbau auf einer Grundfläche von sechsunddreißig Fuß Breite zu einer Tiefe
von vierundzwanzig. Die Florentiner Skizze stellt das Werk von einer der beiden schmäleren
Seiten aus gesehen dar, und zwar wiederum nur zwei von den drei übereinander liegenden
Teilen; das Papier scheint oben abgetrennt zu sein; die Spitze fehlt also. Wir sehen den Unter-
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