Michelangelo und Julius II.
ich wieder hier bin, ist gutes Wetter gewesen. Vor einigen Tagen wäre eine Barke, die gerade ankam,
um ein Haar zugrunde gegangen. Als darauf bei schlechtem Wetter die Blöcke ans Land geschafft
waren, trat der Fluß über und setzte sie unter Wasser, so daß ich bis heute noch nichts habe tun
können. Den Papst muß ich durch Redensarten hinzuhalten suchen, damit ihm nicht die gute Laune
ausgeht. Hoffentlich ist bald alles in Ordnung und ich kann einen Anfang machen mit der Arbeit.
Gott gebe es.
Nehmt alle meine Zeichnungen, fährt er fort, das heißt die Blätter, die ich in den Sack zusammen-
packte, von dem ich euch sagte; macht ein Paket daraus und schickt es mir durch einen Fuhr-
mann. Aber verwahrt es gut, damit die Feuchtigkeit keinen Schaden tut, und paßt auf, daß auch
nicht das kleinste Blättchen davon fortkomme, bindet es dem Fuhrmann auf die Seele, denn es sind
Sachen von großer Wichtigkeit für mich dabei. Schreibt auch, durch wen ihr es schickt und was
ich dem Manne zu zahlen habe. Michele (wahrscheinlich einer von den Arbeitern für das Denkmal)
hatte ich brieflich gebeten, meine Kiste an einen sicheren und bedeckten Ort zu schaffen und dann
hierher nach Rom zu kommen und mich unter keinen Umständen im Stiche zu lassen. Ich weiß
nicht, was darauf geschehen ist, bitte, erinnert ihn daran, und überhaupt, darum bitte ich besonders,
laßt euch zwei Dinge recht angelegen sein: einmal, daß die Kiste ganz sicher stehe, und zweitens,
daß ihr meine Madonna von Marmor zu euch ins Haus schaffen laßt und daß sie kein Mensch zu
sehen bekommt. Ich schicke kein Geld mit für die Auslagen, weil sie nur unbedeutend sein können.
Aber selbst wenn ihr es borgen müßtet, nur recht schnell. Sobald mein Marmor hier ist, bekommt
ihr Geld für alles.
Bittet Gott, daß meine Angelegenheiten hier günstigen Verlauf nehmen und legt, wenn es irgend
möglich ist, bis zu 1000 Dukaten in Ländereien an, wie wir ausgemacht haben.
Wir sehen, wie er von seinem Gelde gleich eine bedeutende Summe dem Vater in die Hände gibt.
Mit dem Marmor scheint es bald besser gegangen zu sein. Michelangelo ließ die Steine
auf den Platz vor der Basilika von Sankt Peter hinter Santa Caterina bringen, wo er wohnte.
Ganz Rom staunte die Blöcke an, die den Platz bedeckten, vor allem aber hatte der Papst
seine Freude daran, die er Michelangelo durch herablassende Vertraulichkeit zu erkennen
gab. Oft besuchte er ihn in seiner Werkstätte, saß dort bei ihm und besprach die Arbeit oder
andere Dinge; endlich, um es bequemer zu haben, ließ er vom Palaste, der in der Nähe lag,
einen Gang mit einer Zugbrücke einrichten, und kam so zu ihm, ohne daß es jemand gewahr ward.
Wenn irgendein Geist damals in Italien den hohen Gedanken gewachsen war, welche Julius
hegte, so war es Michelangelo. Was er wollte, ging noch über die Peterskirche hinaus. Er
hätte ganze Gebirge zu Kunstwerken umgestaltet, wenn ihm freie Hand gelassen worden wäre.
Einen Felsen, der bei Carrara am Ufer sich erhebend fern auf dem Meere sichtbar blieb, wollte
er in einen Koloß umwandeln, der den Schiffern als Wahrzeichen dienen sollte. Von da war es
nicht mehr weit zu Gedanken, wie sie ein griechischer Künstler hegte, der einen Berg in
eine Statue Alexanders des Großen verwandeln wollte, die in der Hand eine Stadt hielte.
Michelangelo galt damals für den ersten Bildhauer in Rom. Nur einen Nebenbuhler finden
wir genannt, Cristoforo Romano, ein Künstler, der in der Kunstgeschichte längst verloren
und vergessen wäre, denn das Grabmal der Visconti in der Certosa zu Pavia, an dem sich sein
Name befindet, wird ihm trotzdem kaum zugeschrieben. Zugleich mit Michelangelo aber
kommt er jetzt in einem Briefe vor, den Cesare Trivulzio aus Rom an Pomponio Trivulzio
über den neuesten antiquarischen Fund, die Entdeckung des Laokoon, schrieb.
Auffindung der Im Frühling 1506 wurde die berühmte Gruppe in den Ruinen des Tituspalastes vom Eigen-
Laokoongruppe tümer des Platzes, einem römischen Bürger, entdeckt. Sie steckte noch im Boden drin, als der
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ich wieder hier bin, ist gutes Wetter gewesen. Vor einigen Tagen wäre eine Barke, die gerade ankam,
um ein Haar zugrunde gegangen. Als darauf bei schlechtem Wetter die Blöcke ans Land geschafft
waren, trat der Fluß über und setzte sie unter Wasser, so daß ich bis heute noch nichts habe tun
können. Den Papst muß ich durch Redensarten hinzuhalten suchen, damit ihm nicht die gute Laune
ausgeht. Hoffentlich ist bald alles in Ordnung und ich kann einen Anfang machen mit der Arbeit.
Gott gebe es.
Nehmt alle meine Zeichnungen, fährt er fort, das heißt die Blätter, die ich in den Sack zusammen-
packte, von dem ich euch sagte; macht ein Paket daraus und schickt es mir durch einen Fuhr-
mann. Aber verwahrt es gut, damit die Feuchtigkeit keinen Schaden tut, und paßt auf, daß auch
nicht das kleinste Blättchen davon fortkomme, bindet es dem Fuhrmann auf die Seele, denn es sind
Sachen von großer Wichtigkeit für mich dabei. Schreibt auch, durch wen ihr es schickt und was
ich dem Manne zu zahlen habe. Michele (wahrscheinlich einer von den Arbeitern für das Denkmal)
hatte ich brieflich gebeten, meine Kiste an einen sicheren und bedeckten Ort zu schaffen und dann
hierher nach Rom zu kommen und mich unter keinen Umständen im Stiche zu lassen. Ich weiß
nicht, was darauf geschehen ist, bitte, erinnert ihn daran, und überhaupt, darum bitte ich besonders,
laßt euch zwei Dinge recht angelegen sein: einmal, daß die Kiste ganz sicher stehe, und zweitens,
daß ihr meine Madonna von Marmor zu euch ins Haus schaffen laßt und daß sie kein Mensch zu
sehen bekommt. Ich schicke kein Geld mit für die Auslagen, weil sie nur unbedeutend sein können.
Aber selbst wenn ihr es borgen müßtet, nur recht schnell. Sobald mein Marmor hier ist, bekommt
ihr Geld für alles.
Bittet Gott, daß meine Angelegenheiten hier günstigen Verlauf nehmen und legt, wenn es irgend
möglich ist, bis zu 1000 Dukaten in Ländereien an, wie wir ausgemacht haben.
Wir sehen, wie er von seinem Gelde gleich eine bedeutende Summe dem Vater in die Hände gibt.
Mit dem Marmor scheint es bald besser gegangen zu sein. Michelangelo ließ die Steine
auf den Platz vor der Basilika von Sankt Peter hinter Santa Caterina bringen, wo er wohnte.
Ganz Rom staunte die Blöcke an, die den Platz bedeckten, vor allem aber hatte der Papst
seine Freude daran, die er Michelangelo durch herablassende Vertraulichkeit zu erkennen
gab. Oft besuchte er ihn in seiner Werkstätte, saß dort bei ihm und besprach die Arbeit oder
andere Dinge; endlich, um es bequemer zu haben, ließ er vom Palaste, der in der Nähe lag,
einen Gang mit einer Zugbrücke einrichten, und kam so zu ihm, ohne daß es jemand gewahr ward.
Wenn irgendein Geist damals in Italien den hohen Gedanken gewachsen war, welche Julius
hegte, so war es Michelangelo. Was er wollte, ging noch über die Peterskirche hinaus. Er
hätte ganze Gebirge zu Kunstwerken umgestaltet, wenn ihm freie Hand gelassen worden wäre.
Einen Felsen, der bei Carrara am Ufer sich erhebend fern auf dem Meere sichtbar blieb, wollte
er in einen Koloß umwandeln, der den Schiffern als Wahrzeichen dienen sollte. Von da war es
nicht mehr weit zu Gedanken, wie sie ein griechischer Künstler hegte, der einen Berg in
eine Statue Alexanders des Großen verwandeln wollte, die in der Hand eine Stadt hielte.
Michelangelo galt damals für den ersten Bildhauer in Rom. Nur einen Nebenbuhler finden
wir genannt, Cristoforo Romano, ein Künstler, der in der Kunstgeschichte längst verloren
und vergessen wäre, denn das Grabmal der Visconti in der Certosa zu Pavia, an dem sich sein
Name befindet, wird ihm trotzdem kaum zugeschrieben. Zugleich mit Michelangelo aber
kommt er jetzt in einem Briefe vor, den Cesare Trivulzio aus Rom an Pomponio Trivulzio
über den neuesten antiquarischen Fund, die Entdeckung des Laokoon, schrieb.
Auffindung der Im Frühling 1506 wurde die berühmte Gruppe in den Ruinen des Tituspalastes vom Eigen-
Laokoongruppe tümer des Platzes, einem römischen Bürger, entdeckt. Sie steckte noch im Boden drin, als der
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