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Dome alter Kaiserherrlichkeit errichtet werden, ein Walther seine deutschesten Lieder
singt, da erst kommen aus dem übervölkerten Westen, der seine Menschen nicht mehr
ernähren kann, die ersten Deutschen nach Schlesien, und nicht nur als Herrscherschicht
über eine kulturlose Masse. Als Herren kamen sie, als Herren auf jedem Gebiete. Bauern
rodeten die Wälder und siedelten, Handwerker arbeiteten in den Städten, Kaufleute
sorgten für den Vertrieb der Güter, hielten die Verbindung mit dem Mutterlande aufrecht
und suchten neue Wege nach dem Osten. Alle aber umschließt ein gemeinsames Band:
Härteste Entbehrungen und unermüdliche Arbeit gehörten dazu, um in diesem Lande
deutsche Kultur heimisch zu machen und zu verwurzeln. Schwere Schicksalsschläge, wie
der Mongolensturm im Frühjahr 1241, vermögen nicht mehr die Schlagkraft und Über-
legenheit deutschen Lebens- und Kulturwillens in dem einmal eingedeutschten Land zu
brechen. So ist Schlesien deutsch geworden und es seitdem immer geblieben, mögen auch
einzelne Teile von ihrer Mutter Schlesien lange Jahrzehnte getrennt gewesen sein.
Politisch kommt Schlesien mit dem Aussterben der Breslauer Fürstenlinie zu Böhmen,
nimmt Teil an der großen Kulturleistung des deutschen Prag unter dem Luxemburger
Karl IV. und erobert sich in Malerei und Plastik mit Prag zusammen die führende Stellung
im Deutschen Reich. Von dem, was in dieser Zeit an handwerklichen Arbeiten geschaffen
wurde, ist nur wenig erhalten. Die Hussitenstürme in den zwanziger Jahren des fünf-
zehnten Jahrhunderts haben das Land verheert und in echt tschechischer Weise seiner
Kulturgüter zu berauben versucht — und auch beraubt. Auch die Kämpfe um die Macht,
die der von den Schlesiern einmütig abgelehnte Tscheche Georg von Podiebrad führte,
haben das Land mit Krieg überzogen und nicht zur Erhaltung der Kulturgüter bei-
getragen. Gerade damals aber sind die blutsmäßigen, wirtschaftlichen und kulturellen
Beziehungen Schlesiens und besonders Breslaus zum Reich besonders rege und fruchtbar.
Immer neues Blut strömt in das Land und wirkt Generationen weiter.
Das sechzehnte Jahrhundert findet Schlesien wohl vorbereitet für die neuen Ideen der
Zeit. Ist es da ein Wunder, daß gerade in Breslau sich eines der frühesten Renaissance-
portale Deutschlands erhalten hat, wenige Jahre nach der Jahrhundertwende schon be-
gonnen, daß am Ende des ersten Drittels dieses Jahrhunderts in Breslau des Hauptwerk
schlesischer Goldschmiedekunst entsteht, das sich durchaus mit den besten Renaissance-
arbeiten Süddeutschlands messen kann, zu einer Zeit, als dort die Reinheit des Stils noch
nicht so ausgeprägt war wie einige Jahrzehnte später? Auch der Dreißigjährige Krieg,
der mehrfach Kriegszüge durch das Land führte, als Wallensteiner und Schweden das
Land und die Städte ausplünderten und brandschatzten, hat der künstlerischen Ge-
staltungskraft keinerlei Abbruch tun können, wenn er auch viele Kulturwerte der Ver-
gangenheit vernichtete. Gerade in diesem Menschenalter finden wir besonders qualität-
volle und prächtige Arbeiten, die einmal von der Leistungsfähigkeit der damaligen Meister
Zeugnis ablegen, nicht zuletzt aber auch von dem Kulturwillen der auftraggebenden Be-
völkerung. Die Jahrzehnte nach dem großen Kriege bringen kulturell einen Aufschwung,
der nach dem guten Anfang in den vierziger Jahren nur zu erwarten ist. Gerade in dieser
Zeit liegt die Blüte des Breslauer Goldschmiedehandwerks. In der ersten Hälfte des
achtzehnten Jahrhunderts zeigt die Barockkunst noch einmal all ihren Schwung in den
letzten österreichischen Bauten, der Jesuitenkirche und der Universität. Dann kommt der
große Preußenkönig ins Land und mit ihm eine Neuorientierung der Kunst ebenso wie
der Wirtschaft nach der Richtung Brandenburg-Preußens hin. Das schwere österreichische

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