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Halpersohn, Rubin
Über die Einleitungen im altfranzösischen Kunstepos — Berlin: Mayer & Müller, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.51081#0013
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Reiz, der Neuheit zu verleihen. Doch damit gab sich das —
in der Tat bereits schwierig gewordene — Publikum jener
Zeit nicht zufrieden. Sollten diese neuen Erzählungen den
Beifall der Hörer finden, so mussten sie wahr sein — oder
sich wenigstens so geben; denn — so sagt Gautier (Epopées
françaises I2, 378) — : „le public de ce temps-là voulait
du nouveau qui fût historique et de l'historique qui fût nou-
veau !l).“ Es blieb also den Verfassern nichts anderes übrig
als an dem Eingänge ihrer Werke die Quelle anzugeben, die
ihnen als Vorlage für ihr Werk — angeblich — gedient hat,
um so die Wahrhaftigkeit ihrer Dichtung darzutun10) Zumeist
ist es das Kloster St. Denis, das die Vorlage beherbergt
haben soll, doch auch andere Klöster werden als Fundorte
der Quellen bezeichnet11). Ihre Erzählung, so versichern sie,
stelle keine Lüge dar, sie sei vielmehr — da eben jenem
Kloster entnommen — alt, wahr12) und geschichtlich beglau-
bigt und verdiene darum vernommen zu werden.
Diesen Versicherungen fügen die Verfasser sehr oft, wohl
um sich selbst mehr Würde zu leihen13), Beschimpfungen aller
Art hinzu, die gegen ihre Standesgenossen gerichtet sind14).
Teils wird diesen nachgesagt, sie hätten die Geschichte, die
nunmehr der Wahrheit gemäss werde berichtet werden, ent-
stellt oder zerstückelt wiedergegeben15), teils wird ihnen zum
Vorwurf gemacht, sie hätten, mit der Wiedergabe erfundener
Geschichten beschäftigt, die Erzählung übergangen 16), die jetzt
berichtet werden solle.
Stellt die zuletzt erwähnte Art der Einführung ohne
Zweifel einen bedeutenden Fortschritt dar gegenüber der un-
mittelbaren Einführung in die Geschehnisse, wie sie in den
ältesten Epen anzutreffen ist, so bewahrt die Einleitung doch
immer noch ihren sachlichen Charakter, eine persönliche Note
ist nach wie vor zu vermissen. Selbst bei den nicht seltenen
Ausfällen gegen die Berufsgenossen tritt des Dichters Person,
sein subjektives Ich nicht hervor. So heisst es in diesen
Polemiken, die anderen Dichter hätten die Geschichte, die
nunmehr nach allen Regeln der Kunst vorgetragen werden
solle, entstellt wiedergegeben oder überhaupt übergangen,
aber niemals sagt der Verfasser, er werde jetzt eine schöne
 
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