Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Halpersohn, Rubin
Über die Einleitungen im altfranzösischen Kunstepos — Berlin: Mayer & Müller, 1911

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51081#0014
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
4

oder wahre Geschichte erzählen. Nur in ganz später Zeit17)
beginnt ein leiser Hauch subjektiv-dichterischen Geistes zu
wehen18): der Dichter tritt mit seinem Namen an die Oeffent-
Hchkeit, er verschweigt ihn nicht mehr19) wie ehedem20).
Tritt demnach in den Einleitungen der nationalen Epen
— wenn wir hier von den zuletzt erwähnten, sich erst in
später Zeit einstellenden, unbedeutenden Ansätzen absehen —
das Moment der Dichterpersönlichkeit fast gänzlich in den
Hintergrund, so liegt es schon in dem Wesen der höfischen
Kunstdichtung begründet, dass die dichterische Subjektivität
in den Werken dieser Gattung und damit in deren Eingängen
zum Vorschein und Durchbruch gelangen muss21). Wie aber
in den höfischen Dichtungen selber die Individualität des Ver-
fassers nur leise angedeutet, aber noch nicht zur freien Ent-
faltung gelangt ist22), so macht sie sich auch in den Einlei-
tungen dieser Werke nicht in jeder Beziehung geltend, viel-
mehr bietet sie da ein schwankendes, ungleichmässiges Bild23).
Auf der einen Seite fühlen sich die Kunstepiker als Lehrer
und Erzieher der Menschheit, verfehlen nicht zu Beginn ihrer
Werke den Anlass zu ihrem dichterischen Schaffen mitzuteilen
und über ihre Namen, zuweilen auch über ihre Heimat, ihren
Stand, ihre Lebensverhältnisse und persönlichen Beziehungen
Auskunft zu geben, wie sie auch mitunter Neuerungen und
Besonderheiten hervorheben, die sie in ihren Schöpfungen
durchgeführt, und gelegentlich sogar Betrachtungen über das
Wesen und die Aufgaben der Dichtkunst anstellen, eine Art
poetischer Regeln24), die sie dann auf ihre Werke oder auf
die ihrer Berufsgenossen anwenden, alles mehr oder minder
deutliche Aeusserungen literarischen Selbstgefühls25); auf der
anderen Seite aber berufen sie sich überaus häufig aut —
wirkliche oder erdichtete — Vorlagen, denen sie hohes Alter
und unbedingte Zuverlässigkeit nachrühmen, und an die sie
sich streng zu halten verheissen, mitunter bezeichnen sie sich
ausdrücklich als Uebersetzer jener fremdsprachlichen Vorlagen,
die natürlich wortgetreu übertragen werden müssten.
Also keinem einheitlichen Hervortreten der Verfasser-
persönlichkeit begegnen wir in den Eingängen der höfischen
Romane, vielmehr zeigt sich da neben dem Betonen der
 
Annotationen