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dichterischen Individualität auch ein Zurücktreten der Person
des Schriftstellers zugunsten seiner Schöpfung. Den hauptsäch-
lichen26) Grund für dieses Schwanken dürfen wir wohl darin
erblicken, dass das höfische Zeitalter überhaupt eine Ueber-
gangsstufe vom Objektivismus des frühen Mittelalters zum
Subjektivismus der Neuzeit darstellt. Mit diesem Umstande
mag es auch Zusammenhängen, dass selbst die Eingangs-
gangsgedanken, aus denen eine gewisse Individualität des
Schriftstellers zu sprechen scheint, sich im grossen und ganzen
in herkömmlichem Gleise und in ziemlich engem Kreise be-
wegen 27).
Im folgenden sei nun der Versuch unternommen, die in
den Prologen der höfischen Epen zutage tretenden Ge-
danken28) in systematischer Ordnung darzustellen29). Die
Belege sind, soweit bei der unsicheren Datierung der meisten
Dichtungen möglich, in chronologischer Reihenfolge gegeben.
Stellung des Dichters zum Publikum.
§ 1. Nach Art der Spielleute richten verschiedene
höfische Epiker zu Beginn ihrer Werke, an das Publikum die
Aufforderung, dem Vortrage geneigtes Gehör30) zu schenken
und das Vernommene zu merken. Diese Einladung, die zu-
meist von einer Anrede an das Publikum begleitet ist, erfolgt
teils im schlichten Imperativ (a), teils in der höflicheren Form
eines Satzes3') (b). Zuweilen begegnet man einer blossen An-
rede, ohne dass mit ausdrücklichen Worten um Gehör ge-
beten würde82) (c).
An die Einladung schliessen manche Verfasser die Ver-
sicherung, die Hörer würden aus dem Vortrage grossen
Nutzen zu schöpfen vermögen (d).
dichterischen Individualität auch ein Zurücktreten der Person
des Schriftstellers zugunsten seiner Schöpfung. Den hauptsäch-
lichen26) Grund für dieses Schwanken dürfen wir wohl darin
erblicken, dass das höfische Zeitalter überhaupt eine Ueber-
gangsstufe vom Objektivismus des frühen Mittelalters zum
Subjektivismus der Neuzeit darstellt. Mit diesem Umstande
mag es auch Zusammenhängen, dass selbst die Eingangs-
gangsgedanken, aus denen eine gewisse Individualität des
Schriftstellers zu sprechen scheint, sich im grossen und ganzen
in herkömmlichem Gleise und in ziemlich engem Kreise be-
wegen 27).
Im folgenden sei nun der Versuch unternommen, die in
den Prologen der höfischen Epen zutage tretenden Ge-
danken28) in systematischer Ordnung darzustellen29). Die
Belege sind, soweit bei der unsicheren Datierung der meisten
Dichtungen möglich, in chronologischer Reihenfolge gegeben.
Stellung des Dichters zum Publikum.
§ 1. Nach Art der Spielleute richten verschiedene
höfische Epiker zu Beginn ihrer Werke, an das Publikum die
Aufforderung, dem Vortrage geneigtes Gehör30) zu schenken
und das Vernommene zu merken. Diese Einladung, die zu-
meist von einer Anrede an das Publikum begleitet ist, erfolgt
teils im schlichten Imperativ (a), teils in der höflicheren Form
eines Satzes3') (b). Zuweilen begegnet man einer blossen An-
rede, ohne dass mit ausdrücklichen Worten um Gehör ge-
beten würde82) (c).
An die Einladung schliessen manche Verfasser die Ver-
sicherung, die Hörer würden aus dem Vortrage grossen
Nutzen zu schöpfen vermögen (d).