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abschnittes der französischen Literaturgeschichte als Charakteristikum er-
scheint, das wird ibid. S. 730 unter anderem als Charakteristikum des
vierten angegeben!!) Aber es ist durchaus möglich, dass manche — wir
betonen: manche — Dichter selbst ritterlichen Standes gleich den geistlichen
Dichtern (vgl. P. Meyer, Romania 29, 27) ihren Namen angeben aus dem
Gefühle ihrer Verantwortlichkeit heraus, oder um des Segens ihrer Hörer
teilhaftig zu werden, eine Absicht, die sicherlich bei der Nennung zum
Schluss vorliegt, zumal dann gewöhnlich die Bitte an die Hörer oder
Leser gerichtet wird, des Verfassers im Gebete zu gedenken. Und ferner:
Wie kann die blosse Angabe des Namens ohne jeden Zusatz als Aeusserung
dichterischen Bewusstseins oder gar dichterischer Eitelkeit aufgefasst
werden? War denn ein Dichter, der seinen Rufnamen, etwa Robert oder
Raoul mitteilte, darum schon bekannt? Und aus dieser blossen Namens-
nennung gerade im Gegenteil entnehmen zu wollen, der Dichter dünkte
sich schon so bekannt, dass er die einfache Angabe seines Namens für ge-
nügend hielte, das würde doch nur, wenn überhaupt, bei solchen Autoren
angehen, die sich schon durch frühere bedeutende Werke einen Namen
gemacht. Vgl. § 5 d.
19) Tobler (Ztschr. f. Völkerpsych. IV, 149) meint, die Spielleute hätten
vermutlich ihrer niederen Stellung wegen ihren Namen nicht genannt. Aber
dieser Grund kann nicht allgemein gelten, denn es gab doch unter den
Spielleuten Männer, die sich eines gewissen Ansehens erfreuten und u. a.
auch von der Kirche geduldet, zuweilen sogar begünstigt wurden. Und
dann hat ein grosser Teil selbst der höfischen Dichter, die samt und
sonders eine hohe Achtung genossen, ihren Namen nicht der Nachwelt
überliefert. Vgl. § 5.
20) Es gibt innerhalb der Volksepen noch andere Arten, eine Dichtung
einzuleiten; da sie jedoch verhältnismässig selten begegnen, so seien sie
hier nur kurz berührt. So ist ein exorde printanier, wie ihn Gautier (Hist,
de la litt. frc. I, 123) nennt, in Berte a. g. p. anzutreffen, der übrigens auch
im höfischen Roman begegnet (Vgl. § 4 c). Dann aber ist — und zwar
schon öfter — im Volks- wie im Kunstepos der Gebrauch der klassischen
Dichter nachgeahmt worden, am Beginn die Gottheit um ihren Beistand
anzurufen für das Gelingen des Werks und das Heil der Hörer und Leser.
Für diese Art der Einleitung gibt Gautier (ibid.) S. 204 nur ein Beispiel,
wir fügen dann (es ist dies Huon de Bordeaux) noch hinzu Floovent 2,
Auberi le Bourgoing 57, Chevalerie Ogier 27, Renaut de Montauban 136.
Berte a. g. p. 2. In seinen Epopées gedenkt G. dieser Art der Einführung
überhaupt nicht, ja, er ist geneigt, die Anrufung der Muse am Anfang der
Dichtungen Homers für eine «addition savante» zu halten. Vgl. demgegen-
über Christ, Gesch. der griechischen Literatur S. 25, Anm. 2, wo bemerkt
wird, dass die Anrufung der Musen am Eingänge der Epen schon vor-
homerisch ist, und auch W. Jordan in seiner Übersetzung2 der Odyssee
S. 423 Anm.
21) Eine sachliche Einführung begegnet in den meisten höfischen
Werken. (Vgl. dagegen § 11b.) Einige Dichtungen geben m den moralischen
abschnittes der französischen Literaturgeschichte als Charakteristikum er-
scheint, das wird ibid. S. 730 unter anderem als Charakteristikum des
vierten angegeben!!) Aber es ist durchaus möglich, dass manche — wir
betonen: manche — Dichter selbst ritterlichen Standes gleich den geistlichen
Dichtern (vgl. P. Meyer, Romania 29, 27) ihren Namen angeben aus dem
Gefühle ihrer Verantwortlichkeit heraus, oder um des Segens ihrer Hörer
teilhaftig zu werden, eine Absicht, die sicherlich bei der Nennung zum
Schluss vorliegt, zumal dann gewöhnlich die Bitte an die Hörer oder
Leser gerichtet wird, des Verfassers im Gebete zu gedenken. Und ferner:
Wie kann die blosse Angabe des Namens ohne jeden Zusatz als Aeusserung
dichterischen Bewusstseins oder gar dichterischer Eitelkeit aufgefasst
werden? War denn ein Dichter, der seinen Rufnamen, etwa Robert oder
Raoul mitteilte, darum schon bekannt? Und aus dieser blossen Namens-
nennung gerade im Gegenteil entnehmen zu wollen, der Dichter dünkte
sich schon so bekannt, dass er die einfache Angabe seines Namens für ge-
nügend hielte, das würde doch nur, wenn überhaupt, bei solchen Autoren
angehen, die sich schon durch frühere bedeutende Werke einen Namen
gemacht. Vgl. § 5 d.
19) Tobler (Ztschr. f. Völkerpsych. IV, 149) meint, die Spielleute hätten
vermutlich ihrer niederen Stellung wegen ihren Namen nicht genannt. Aber
dieser Grund kann nicht allgemein gelten, denn es gab doch unter den
Spielleuten Männer, die sich eines gewissen Ansehens erfreuten und u. a.
auch von der Kirche geduldet, zuweilen sogar begünstigt wurden. Und
dann hat ein grosser Teil selbst der höfischen Dichter, die samt und
sonders eine hohe Achtung genossen, ihren Namen nicht der Nachwelt
überliefert. Vgl. § 5.
20) Es gibt innerhalb der Volksepen noch andere Arten, eine Dichtung
einzuleiten; da sie jedoch verhältnismässig selten begegnen, so seien sie
hier nur kurz berührt. So ist ein exorde printanier, wie ihn Gautier (Hist,
de la litt. frc. I, 123) nennt, in Berte a. g. p. anzutreffen, der übrigens auch
im höfischen Roman begegnet (Vgl. § 4 c). Dann aber ist — und zwar
schon öfter — im Volks- wie im Kunstepos der Gebrauch der klassischen
Dichter nachgeahmt worden, am Beginn die Gottheit um ihren Beistand
anzurufen für das Gelingen des Werks und das Heil der Hörer und Leser.
Für diese Art der Einleitung gibt Gautier (ibid.) S. 204 nur ein Beispiel,
wir fügen dann (es ist dies Huon de Bordeaux) noch hinzu Floovent 2,
Auberi le Bourgoing 57, Chevalerie Ogier 27, Renaut de Montauban 136.
Berte a. g. p. 2. In seinen Epopées gedenkt G. dieser Art der Einführung
überhaupt nicht, ja, er ist geneigt, die Anrufung der Muse am Anfang der
Dichtungen Homers für eine «addition savante» zu halten. Vgl. demgegen-
über Christ, Gesch. der griechischen Literatur S. 25, Anm. 2, wo bemerkt
wird, dass die Anrufung der Musen am Eingänge der Epen schon vor-
homerisch ist, und auch W. Jordan in seiner Übersetzung2 der Odyssee
S. 423 Anm.
21) Eine sachliche Einführung begegnet in den meisten höfischen
Werken. (Vgl. dagegen § 11b.) Einige Dichtungen geben m den moralischen