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Wilke, Erich [Hrsg.]; Mal- und Zeichen-Unterricht GmbH <Berlin> [Hrsg.]; Meru, Johannes [Mitarb.]
Handbuch und Lehrkursus für die Kunst des Zeichnens und Malens (Band 4): Das Karikaturzeichnen: mit 130 einfarbigen und farbigen Abbildungen und 66 Tafeln — Braunschweig, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.23974#0009
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DIE KARIKATUR

EINLEITUNG

KARIKATUR ALS KUNSTBEGRIFF

Der Begriff „K ar ikatur" scheint so klar verständlich und bestimmt zu sein, daß man
meinen sollte, in einem Buch über die Karikatur, wie dem vorliegenden, brauchte man
keine Erläuterungen mehr darüber zu geben. Und doch dünkt es uns notwendig, einiges über
den Begriff der Karikatur zu sagen, um den Rahmen zu bezeichnen, den unser Thema uns Begriff
spannt, da dieser in verschiedenen Büchern, die sich mit Karikatur befassen, sehr verschieden ,,er kc"
weit gezogen ist, einerseits so weit, daß jede Art Witzillustration einbezogen wird, auch
wenn das Bild an sich nichts enthält, was auf einen Witz hindeutet und erst durch den
dazugehörigen Text erklärt wird; andererseits wird aber der Begriff so eng gefaßt, daß er
nur auf das sich beschränkt, was „komisch" ist. So ist es also angebracht, bevor von den
künstlerischen Darstellungs- oder Ausdrucksmitteln der Karikatur die Rede sein soll, über
den Begriff der Karikatur einige Betrachtungen anzustellen und über ihre Entwicklung
einen Überblick zu geben.

Nicht aus irgendeinem theoretischen Interesse, sondern da Karikatur verschiedene engere
Begriffe umfaßt, über deren Verschiedenheit wir uns klar werden müssen, weil ihre Aus-
drucksweise und Darstellungsmöglichkeiten verschieden sind.

Lassen wir alle fachwissenschaftliche Erörterungen beiseite, wie sie in den verschie-
densten Ästhetiken — und in jeder anders — nachzulesen sind, und halten wir uns an die
ursprüngliche Bedeutung des Wortes, so dürften wir zu einer brauchbaren Definition
kommen.

Das Wort Karikatur leitet sich her von dem italienischen caricare, das ist: beladen,
überladen, dann übertreiben. In dieser Verzerrung, Übertreibung braucht deswegen durch-
aus nicht, wie manche Definitionen annehmen, eine satirische Absicht von Komik zu liegen.
Es ist nur eine besonders starke Betonung einer von dem Künstler für wichtig gehaltenen
Eigenschaft oder Erscheinungsform damit bezeichnet, die durch eine Verschiebung der natür-
lichen Verhältnisse erreicht wird. Jedoch muß notwendigerweise die Übertreibung vom
Künstler als solche gewollt sein. Würden wir doch sonst die Kunstwerke ganzer Zeiten
und Völker als Karikaturen bezeichnen, nur weil sie nach unserem Gefühl, das bedingt ist
durch unsere Zugehörigkeit zu einem bestimmten Kulturkreise, Übertreibungen enthalten,
und die Beurteilung primitiver und exotischer Kulturen würde damit einen falschen Weg
gehen. Ja, wir brauchen nicht einmal so fern in Zeit und Art zu gehen. Gibt es nicht manche
Bilder mancher ganz modernen Künstler, die von anderen als Karikaturen würden be-
zeichnet werden, wenn sie nicht von dem Betreffenden selbst ganz ernst gemeint wären? —
Vorausse^ung ist natürlich, daß es sich überhaupt um Kunst handelt; wie es Eduard

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