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Wilke, Erich [Hrsg.]; Mal- und Zeichen-Unterricht GmbH <Berlin> [Hrsg.]; Meru, Johannes [Mitarb.]
Handbuch und Lehrkursus für die Kunst des Zeichnens und Malens (Band 4): Das Karikaturzeichnen: mit 130 einfarbigen und farbigen Abbildungen und 66 Tafeln — Braunschweig, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.23974#0196
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Selbstverständlich soll der Künstler sich über sein Werk freuen dürfen, wenn er glaubt,
daß es ihm gelungen ist, aber meistens gelingt es eben nicht, und da gibt es, wie gesagt,
Leute, „denen alles hervorragend gelingt*'. Und davor mußt du dich in acht nehmen! —

Wie beginnen wir nun mit dem Aufgabenteil? —

Früher war der Lehrgang eines Akademikers der, daß er etliche Semester nach Gips
zeichnen mußte, ehe er nach lebendem Modell arbeiten durfte. Jetjt ist es eigentlich um-
gekehrt. Man arbeitet gleich nach lebendem Modell, was man zeichnet ist aber Gips; man
sucht nicht mehr das Lebende darzustellen, sondern nur die Bewegung, den Rhythmus, wie
man das so zu nennen beliebt. Hände und Füße läßt man oft einfach weg, weil sie „stören".
Bewegung, Gesichtszüge werden nur als Andeutung hingeknetet; das ist eine Auffassung,
die man heutzutage bei vielen Kunstjüngern antreffen kann. Damit können wir bei unserem
Anfangssemester nichts anfangen, wir müssen hier brav und gewissenhaft zuerst Klein-
arbeit leisten, denn oft sind unscheinbare Dinge, die der allgemeinen Beachtung entgehen,
gerade für den Karikaturisten von Bedeutung. Man glaubt nicht, wie wenig im allgemeinen
beobachtet wird. Die meisten Menschen gehen achtlos an Personen vorüber, die, sagen wir,
trotj äußerlicher Mängel in den sogenannten Normaltypus hineinpassen. Leider ist unter
Normaltypus oft auch wenig Erfreuliches zu buchen. Kommt jemand zum Beispiel mit einer
sogenannten Hottentottenfrisur daher, die natürlich nur bei uns möglich ist, ich meine jene
widerliche Haartracht, bei welcher oben auf dem Schädel der Haarschopf mit etwas Scheitel-
ansatj stehenbleibt, während man das übrige glatt rasiert, so sieht das bei uns der Durch-
schnittsmensch nicht oder sehr selten. Er hält es für selbstverständlich, weil es eben Mode
ist. Erst wenn der Karikaturist diese Entstellung entsprechend geißelt, kommt es dem
gewöhnlichen Mitteleuropäer mitunter ebenfalls zum Bewußtsein, daß hier etwas nicht
stimmt. Durch den Sinn dieses kleinen Beispiels soll gesagt sein, daß der Karikaturist im
gewissen Sinne auch erzieherisch für seine Mitmenschen von Bedeutung ist Hieraus kannst
du ersehen, daß es auf dem Gebiete der Karikatur zweierlei Dinge gibt, wo du dich be-
tätigen kannst, und es liegt selbstverständlich in der Hauptsache in deiner Veranlagung,
welches Gebiet du bevorzugen wirst: das Feld der heiteren, fröhlichen oder das der ernsten,
satirischen Karikatur. Selbstverständlich wird es sich erst nach und nach herausstellen, nach
welcher Richtung deine Begabung dich führt, und es würde dich auf Abwege führen, wenn
du dich mit diesem Problem schon im Anfang des Studiums befassen würdest.

MATERIAL

Zunächst genügt Bleistift und ein kleines Taschenskizzenbuch, am besten mit Detail-
papier. Das Detailpapier, das bekanntlich halb durchsichtig ist, hat den Vorzug, daß du
deine Skizzen noch einmal durchzeichnen kannst, beim Durchzeichnen hast du zugleich
Gelegenheit, die Arbeit zu korrigieren und zu verbessern. Durch mehrmaliges Wiederholen
dieses Durchzeichnens ersparst du dir Gummi, solches Zeichnen erhält dir auch deinen
leichten Strich. Es ist jedoch ratsam, die auf Detailpapier ausgeführten Zeichnungen auf
weißen Karton oder weißes Zeichenpapier aufzukleben, da erst auf einer solchen Unter-
lage die Zeichnung zur rechten Wirkung kommt. Es genügt, die Ecken festzukleben, und ist
nicht etwa das ganze Blatt mit Klebstoff zu bestreichen. Das Format soll, soweit nicht
anderes vorgeschrieben, 22 X 28 cm nicht überschreiten, dies bezieht sich auf das Papier-
format. Weiter halte einen Malkasten mit halbfeuchten Aquarellfarben bereit, ferner schwarze
Tusche (Ausziehtusche) oder flüssig angeriebene chinesische Tusche, Pinsel und Schreib-
oder Zeichenfedern. Für farbige Arbeiten kommt nur Zeichenpapier in Frage.

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