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Hartlaub, Gustav Friedrich
Das ewige Handwerk im Kunstgewerbe der Gegenwart — Berlin, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.19124#0060
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Geschliffene Achatschalen
Edelsteinschleiferei Idar-Oberstein

nen technischen Hilfsmittel künstlerisch aus-
zuwerten und mit der gleichen Souveränität
zu handhaben, wie es das alte Handwerk ge-
tan hat.

Beim edlen Handwerk des Goldschmieds
ist die Wandlung noch augenfälliger. Hier
kommt zu einer großen Fülle von Halbfabri-
katen noch die Einführung von Verarbei-
tungsmaschinen. Gewiß sind viele von ihnen
nur verbesserte Werkzeuge, die dem Schaf-
fenden noch während der Ausführung einen
Einfluß lassen. Dafür liegt aber in der Mehr-
zahl der Aufgaben eine derartige Ähnlich-
keit, ja beinahe Gleichartigkeit, daß in vie-
len Fällen das Serienprodukt wirtschaftlich
lohnender ist. Ein Gefäß braucht heute nicht
mehr mit dem Hammer aufgezogen zu wer-
den; es wird gedrückt oder gar gepreßt. Die
Ringschiene wird mit allen Details gegossen
oder gepreßt. Die Kette entquillt in endloser
Länge der Kettenmaschine. Auch hier ist das
Handwerk im überwiegenden Teil der Pro-
duktion zur Handarbeit geworden, die mon-
tagemäßig die Resultate der Serienherstellung
zusammenzufügen hat. Es ist bezeichnend
genug, daß an den Haupterzeugungsstätten
der universell gebildete Goldschmied, der alle
Zweige seines Gewerbes beherrscht, zur Sel-

tenheit geworden und durch ein Heer von
Spezialisten abgelöst worden ist.

Aber mit besonderer Deutlichkeit zeigen
sich gerade beim Schmuck, dessen Wesen in
der Auszeichnung, der Betonung des Indivi-
duellen liegt, die Bezirke, in denen ein hoch-
entwickeltes Handwerk unentbehrlich bleibt.
Schon die Kostbarkeit des Materials, die Ver-
wendung besonders wertvoller oder eigenarti-
ger Steine zwingt in vielen Fällen zu Einzel-
ausbildungen. Die Abhängigkeit von der
Mode, der Wunsch nach Wechsel und Varia-
tion der Form gibt dem handwerklich arbei-
tenden Modellmacher immer neue Aufgaben.
Bedürfnisse repräsentativer Art, Ehrengaben,
kultische uncl zeremonielle Geräte führen zu
Aufträgen an den Gold- und Silberschmied,
die handwerklich gelöst werden müssen.
Nicht zuletzt aber ist für den kultivierteren
Teil des Publikums die Freude am Einmali-
gen, nur in dieser Fassung Vorhandenen
gerade beim Schmuck mit seinen Veranke-
rungen im Erotischen ein Reiz, der dem

O '

Handwerker-Goldschmied viele individuelle
Aufgaben zuträgt und zutragen wird, solange
Menschen mit lebendigen Sinnen existieren.

Otto Haupt

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