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Hartlaub, Gustav Friedrich
Das ewige Handwerk im Kunstgewerbe der Gegenwart — Berlin, 1931

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.19124#0075
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KERAMIK UND GLAS

Bei der einfachen Töpferware, die dutzcnd-
oder hundertweise die gleiche schlichte Ge-
brauchsform wiederholt, ebenso wie bei dem
nur einmal geschaffenen Stück des Keramik-
Künstlers wird auf der Drehscheibe die Form
aufgezogen. In feinen Pullen und Vertiefun-
gen bleibt häufig die Spur dieses Arbeitsvor-
ganges gewollt oder ungewollt erhalten, oft
auch wird sie gesteigert zu ornamentaler Be-
lebung der Form. Dazu tritt durch Bemalung
und Glasur die farbige Behandlung der Ober-
fläche, die wiederum rein handwerklich er-
folgt. Die Glasur hat für die Töpferei eine
immer größere Bedeutung erhalten, seit durch
Expementieren die Farbenskala bereichert und
der Reiz, der sich häufig durch Zufälligkeiten
des Brennens ergibt, erkannt wurde. Inein-
anderfließen der Farben (Laufglasur) Haar-
rißbildung (Craquelee) der Oberschicht sind
als künstlerische Beihilfen zur Geltung ge-
langt und charakterisieren die moderne
Töpferei.

Neben der eigentlichen Töpferware, für die
roter Ton das Material des Scherbens bildet,
neben weißgrundigem Steingut und dem
Steinzeug mit grauer Masse kommt dem Por-
zellan für die Herstellung von Gebrauchs-
und Luxusgeschirr heute die größte Bedeu-
tung zu. Seine Formung geschieht nicht nur
auf der Drehscheibe, sondern auch durch be-
sondere Gußverfahren und handwerkliche
Nacharbeit. Die Schmückung erfolgt bei
billiger Ware durch Aufdruck oder abzieh-
bildartige Übertragung des Musters, während
für das bessere Stück freie Bemalung und
echte Vergoldung ihre Bedeutung behalten
haben und in Weiterführung alter Tradition
von allen Manufakturen gepflegt werden.

Für die Herstellung des Glases ist die alte
Technik der Bläserei erhalten geblieben. Sie
wird sowohl für das dünnwandige Gefäß an-
gewendet, dem damit der Reiz unmittelbarer
Bildung völlig zu eigen bleibt, wie auch für
schwere Grundformen, die eine Bearbeitung
durch tiefen Schliff erfahren sollen. Kleinste
Stücke, zum Beispiel Christbaumschmuck,

Tierfiguren und andere werden aus dünner
Glasröhre vor der Lampe geformt. Durch
Einblasen in eine Ilolzform erhält alles in?
Mundblasverfahren hergestellte Glas einen
stärkeren Glanz, eine Art natürliche Politur
der Oberfläche. Rein maschinell im Preß-
verfahren wird billige Massenware hergestellt,
bei der dicke Wandung und stumpfe Kanten
nicht als Störung empfunden werden. Die
Oberflächenbearbeitung, Veredlung des Gla-
ses vollzieht sich meist rein handwerklich.
Schleif- und Schneidetechnik wird zur Ge-
staltung der Gefäßform wie auch zu figür-
licher und ornamentaler Schmückung ange-
wendet. Beim Flächen- und Hohlschliff han-
delt es sich um die Schaffung glatter, gegen-
einander gekanteter Flächen, wenn starkwan-
dige Gefäße bearbeitet werden sollen. Der
Schnitt dagegen zieht seine Linien meist als
reine Flächenverzierung in die Oberschicht
des Glases und setzt wie Gravierung, Dia-
mantritzung und die selten noch geübte Tech-
nik des Punktierens (Stippen) im allgemeinen
dünnwandige Gefäße voraus, die den zarten,
kaum in die Oberfläche eindringenden Tech-
niken entsprechen. Durch die Ätztechnik, der
eine ähnliche Wirkung zukommt, wird be-
reits der Übergang zu mechanischer Bearbei-
tung gegeben. Farbige Behandlung des Glases
kann erfolgen durch Färbung der Glasmasse,
durch Überlegen einer abstechenden Farb-
schicht, aus der durch Ausschleifen von
Flächen und Linien das Muster in der Farbe
der Unterschicht sichtbar wird (Überfangglas)
durch Einschluß vielfarbiger Glasstücke in
die Masse vor dem Blasen (Millefiori) durch
Einschmelzen oder Auflegen von Glasfäden
in oder auf die Gefäßwand (Filigran- und
Fadenglas) oder auch auf chemischem Wege
durch Rot- und Gelbätzung weißen Glases.
Die alte Technik der eingebrannten farbigen
Emailbemalung beschränkt sich heute vor
allem auf Gläser mit Wappen- und Vereins-
emblematik, die reiche Farbengebung voraus-
setzen. Hanna Ivronberger-Frentzen

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