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Hartlaub, Gustav Friedrich
Das ewige Handwerk im Kunstgewerbe der Gegenwart — Berlin, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.19124#0083
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LEDER- UND BUNTPAPIER

Ob man ein Buch, womöglich nach eigenen
Angaben, beim Handbuchbinder einbinden
lassen oder ob man es im maschinellen Ver-
legereinband fertig gebunden kaufen soll, das
ist eine Frage, die jahrzehntelang mit Auf-
bietung aller Weltanschauungsgegensätze in
der Fachpresse und in bibliophilen Zeitschrif-
ten heftig umstritten worden ist. Die deut-
schen Verleger sind dann auf den Gedanken
gekommen, ihre Bücher nur noch gebunden
auf den Markt zu bringen. Ob dies unserer
Literatur förderlich ist oder nicht, soll hier
unerörtert bleiben. Ich finde die broschierten,
auf Holzpapier gedruckten, billigen französi-
schen Bücher gar nicht so verächtlich. Da
man aber den Ausweg nicht in einer Rück-
kehr sondern in der Richtung des einmal be-
schrittenen Weges suchen muß, so sollten wir
versuchen, so schnell wie möglich zu einem
ganz wesentlich billigeren Maschineneinband
zu kommen. Der maschinelle Verlegerein-
band genügt allen Ansprüchen, die man an
die Haltbarkeit eines Privatbuches, das nicht
viel ausgeliehen wird, stellen kann. Die
Bücher der privaten und öffentlichen Leih-
bibliotheken, die einen viel dauerhafteren
Einband haben müssen, werden nach wie vor
vom Handbuchbinder gebunden. Und der
wohlhabende Bücherfreund läßt die über-
legene technische Qualität des Handeinbandes

auch den Büchern seiner Privatbibliothek zu-
gute kommen.

Auch in der „Neuen Zeit" gebührt also
dem handeebundenen Bibliothekseinband ein

D

Platz und ebenso dem handgebundenen
Luxuseinband. Nur müßte der Kunstbuch-
binder endlich aufhören, die Formgebung
historischen Vorbildern zu entlehnen. Er
müßte sich genau so wie der neue Architekt
von jeder Tradition frei machen und den
Werkbestand am Buche kritisch überprüfen.
Er würde dann auch entdecken, daß Leder-
behancllung und Lederverzierung in jeder
früheren Stilepoche beim Sattel, beim
Koffer, bei der Schatulle, beim Stiefel und
und beim Ledereinband die gleiche war. Man
glaubt heute, daß der literarische Inhalt eines
Buches auch auf dem Lederdeckel Ausdruck
finden müsse. Warum fordern wir vom
Kleid des Buches etwas anderes als vom Kleid
des Menschen? Liegt es nicht im Wesen mo-
derner Eleganz, daß man das Persönliche
nicht allzu sehr betone? Jedenfalls finden
wir heute unter den Arbeiten der Sattler,
Koffermacher und Schuster geradezu klassi-
sche Musterbeispiele des neuen „technischen",
„sachlichen" Stiles, während die reichver-
goldeten Ledereinbände unserer modernsten
Kunstbuchbinder in einem unserer Zeit recht
fremd gewordenem Kunstgewerbe stecken
bleiben. Paul Renner

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