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Universität Heidelberg [Hrsg.]
Akademische Mitteilungen für die Studierenden der Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg: Sommer-Halbjahr 1897 — Heidelberg, 1896-1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.25133#0038
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Heidelbebgeb Akademische Mitteiluugen

1897

Nr. 8

der die Pörderung der Turnsache unter der akademischen
Jugend auf seine Fahne geschrieben habe, von vornherein
einer freundlichen Aufnahme in Gothas Mauern sicher sein.
Sei es doch auch für die Sache der Turnerei und aller körper-
lichen Uebungen von besonderer Wichtigkeit, dasä ihr die
studierende Jugend, aus der die späteren geistigen Führer
und Leiter des Volkes hervorgehen sollen, gewonnen werde!
Aber nicht nur die städtische Behörde, sondern auch die
ganze Bürgerschaft strebe darnach, den Mitgliedern des V. C.
die Festtage so angenehm wie möglich zu machen. Der fest-
liche Schmuck der Strassen und Häuser entbiete ihnen treuen
freundlichen Willkommengruss, überall könnten sie herzlicher
Begrüssung sicher sein. Auf diese schönen Worte erwiderte
ein „alter Herr“ des V. C., der Vorzüge Gothas gedenkend
und den herzlichen Empfang riihmend. „Die Philister sind
uns gewogen meist“, könnte er mit Becht sagen, und voll
erklang das „Hoeh auf Gotha“.

Der folgende Tag war durchweg dem Einzelwetturnen und
den allgemeinen Uebungen gewidmet. Ersteres erregte bei
starker Beteiligung in hohem Masse das Interesse des zahl-
reich erschienenen Publikums; die Leistungen waren zumeist
ausgezeichnet und das Gesamtergebnis ein durchweg gutes.

Hat sich der V. C. die Aufgabe gestellt, die Turnerei
in allen Kreisen populär zu machen, so ist ihm dies mit
seinen Veranstaltungen am gleichen Nachmittag in vollstem
Masse gelungen. Es war ein herrliches Bild, als eine be-
trächtlich grosse Zahl jugendfrischer Gestalten, sämtlich in
der Jahn’schen Turnertracht gekleidet, in festen Beihen auf-
marschierten und die Freiübungen exakt ausführten. Daran
schloss sich Musterriegenturnen an verschiedenen Geräten und
das dem Publikum zu reicher Bewunderung und viel An-
erkennung Anlass gebende Kürturnen, in welchem vorzügliche
Leistungen dargeboten wurden. Am Abend fand der grosse
Festkommers statt. Die Chargierten sämtlicher V.-C.-Korpo-
rationen in vollem Wichs, die Kommilitonen im Festschmuck
gewährten ein farbenprächtiges Bild, und das frolie Treiben
erweckte nicht geringes Interesse und Bewunderung der zahl-
reich anwesenden Damen. Nur kurz kann die in der Gotba-
ischen Zeitung enthaltene, herrliche Festrede erwähnt werden,
die manchen dem V. C. kühl Gegenüberstehenden von dem
Wollen und dem bisherigen Erfolg des V. C. überzeugen
könnte. (Fortsetzung folgt.)

Sprechsaal.

Ohne Verantwortung der Scnriftleitung.

Zuschriften ohne Namensangabe werden nicht berücksichtigt. Die Namen der Ein-
sender hält die Schriftleitung natürlich geheim.

Das Ansuchen des in seinem „Staiulesbewusstsein“
sicli verletzt fi'ihlenden Herrn hetr.

Ich weiss nicht, sollte man sich über die letzthin im
„Sprechsaal“ veröffentlichten Zeilen ärgern oder belustigen.
Der „hochwohlgeborene“ Herr Verfasser empfindet es als
eine das „Standesbewusstsein verletzende Unan-
nehmlichkeit“, mit den Angehörigen der unbemittelten
Klassen in einem Zimmer oder vielleicht gar auf einer Bank
zu sitzen. Was ist Standesunterschied? — Ein Unsinn
ist’s, den das zwanzigste Jahrhundert hoffentlich aus den
Köpfen dieser „Herren“ hinaustreiben wird. Uebrigens,
wenn es mir zu gering ist, mit dem Mann aus dem Volke
auf einer Bank zu sitzen und dieselbe Luft mit ihm zu atmen,
dann würde ich aucli nicht aus der Hand des „gemeinen“
Mannes die zum Leben notwendigen Bedürfnisse nehmen, oder
sollte derselbe vielleicht dazu gut genug sein? — Der von
seinem „Standesbewusstsein“ durchdrungene Herr gestattet
sich ferner die drei Worte auf dem Armenwege in Anführungs-
zeichen zusetzen. Ich.wünsche dem betr. Herrn, dass er auch
einmal genötigt sein würde, „auf dem Armenwege“ ärztliche
Hilfe, Apotheke und Bechtspflege in Anspruch zu nehmen,

damit er fühlen lerne wie peinlich dies ist, und vor allem
dann ist, wenn man es von einem auf seine Geldsäcke pochen-
den Menschen vorgeworfen bekommt.

Einige meiner Kommilitonen und Freunde und vor allen
Dingen ich wenden sich daher an das hohe Kechtsgefühl
des Herrn Dr. Jung, mit der ergebensten Bitte, dergleichen
selbstsüchtigen Anforderungen kein Gehör schenken zu wollen.

X.

«v&r®

Von anderen Hoclischulen.

* In Berliner Studentenkreisen ist der Plan aufge-
taucht, eine äusserliche Unterscheidung zwischen denjenigen
Studierenden, die im Besitze eines Beifezeugnisses sind, und
solchen, die ein Gymnasium oder Kealgymnasium nicht ab-
solvierten, herbeizuführen, und zwar beabsichtigen die ersteren,
sich in Zukunft auf ihren Karten als stud. maturus zu be-
zeichnen. — Die Anregung hierzu, die in der Berliner Hoch-
schulen-Zeitung „Factotum“ gegeben wurde, hat indes, wie
aus verschiedenen Aeusserungen in demselben Blatte hervor-
geht, auch Widerspruch gefunden, so dass an eine allgemeine
Einführung jener Neuerung wohl zunächst nicht zu denken ist.

Neuenburg'. Zum Professor der Geologie an der hiesigen
Akademie wurde Dr. phil. Schardt aus Basel ernannt.

* *

*

Französische Ferienkurse in Paris. In diesem Som-
mer finden in Paris in zwei Beihen Ferienkurse statt, deren
Zweck darin besteht, Ausländern Gelegenheit zu bieten, ihre
Kenntnis der französischen Sprache, der Litteratur, der Kunst,
der Einrichtung, und der Sitten Frankreichs zu vervollstän-
digen. Die erste Keihe findet vom 1. Juli bis zum 1. August,
die zweite vom 1. bis 31. August statt. Es werden höhere
Sprach- und Litteraturkurse, elementare, gemeinsame staats-
wissenschaftliche, kunstgeschichtliche und Sprecbkurse abge-
halten. Vorzügliche Lehrer, die in den betreffenden Fächern
Autoritäten sind, werden die Kurse leiten. Anfragen sind
zu richten ä l’Alliance fran^aise 45 rue de Grenelle in Paris.

Ein stiidentisclies Preisausschreiben.

Die Leipziger Kommilitonen fordern alle Studenten (und
natürlich auch alle Studentinnen) deutscher Zunge auf, sich
mit poetischen Gaben verschiedenster Art — Gedichten, kleinen
Novellen, Skizzen, dramatischen Versuchen — an einem „Mu-
senalmanach deutscher Studenten“ zu beteiligen.
Dem Unternehmen geben sie noch eine besondere Weihe, die
wohl umsomehr mit Freuden zu begrüssen ist, als gerade
das betreffende Gebiet seit geraumer Zeit kaum eine neue
Erscheinuug von Wert aufweisen kann; sie setzen nämlich
einen Preis von 50 Mk. fürdasbesteneue, sangbare
Studentenlied aus. Das Preisgericht ruht in den Händen
der Schriftsteller Ernst von Wolzogen, Felix Dahn und Detlev
von Liliencron, die sich bereit erklärt haben, das Preisrichter-
amt zu übernehmen, in der Hoffnung, dass die deutsche
Studentenschaft etwas wirklich Gutes hervorbringen wird.

Fiir diejenigen Studenten, welche sich an dem Musen-
almanach überhaupt, der zu Beginn des nächsten Semesters
erscheinen wird, oder besonders an dem Wettbewerb betei-
ligen wollen, sei bemerkt, dass die Einsendungen bis zum
7. Juli (für das Preisausschreiben Lieder ohne Unterschrift
mit Kennwort; ein verschlossener Briefumschlag mit gleichem
Kennwort, den Namen enthaltend, beizulegen) an die Be-
daktion des „Musenalmanachs deutscher Studenten“ z. H.
Herrn stud. jur. et phil. Kudolf Zabel, Leipzig, Marienstr. 6 III.
zu erfolgen haben.
 
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