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Universität Heidelberg [Hrsg.]
Akademische Mitteilungen für die Studierenden der Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg: Winter-Halbjahr 1899/1900 — Heidelberg, 1899-1900

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Nr. 12 (20. Januar 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.68880#0093
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Akademische Mitteilungen
FÜR DIE
STUDIERENDEN DER RUPRECHT-KARLS-UNIVERSITÄT HEIDELBERG.
HERAUSGEGEBEN VON J. HÖRNING, UNIVERSITÄTS-BUCHDRUCKEREI
Fernsprecher 119 HEIDELBERG Hauptstrasse 55 a.
Erscheint wöchentlich und wird unentgeltlich und frei allen Studierenden und Lehrern der Hochschule zugestellt.
Preis hei der Post vierteljährlich 75 Tfg. ausschliesslich Bestellgebühr.
Winter-Halbjahr 1899/1900. Nr. 12. Samstag, 20. Januar 1900.

Hochschuliiachricliteu.
Heidelberg, 19. Januar 1900.
* Prorektorwahl. Herr Hofrat Dr. Stengel hat ge-
beten, die auf ibn gefallene Wahl zum Prorektor aus Alters- und
Gesundheitsrücksichten ablehnen zu dürfen. Der Wahlakt
wird daher voraussichtlich wiederholt werden müssen.
Von der Sternwarte. Prof. John Brashear in Pitts-
burg, welcher weit über die Grenzen der Vereinigten Staaten
hinaus als Anfertiger von astronomischen Instrumenten rühm-
lichst bekannt ist, hat den neuen Apparat zum Photogra-
phieren von Himmelskörpern, der von unserer Universität
bestellt war, vollendet, und die in den letzten Dezember-
nächten von Prof. Wadswortb, dem Astronomen der Alleghany-
Sternwarte, angestellten Versuche mit dem neuen Instrument |
haben überraschende Resultate ergeben. Mit den grossen |
Linsen wurde eine Anzahl ungewöhnlich feiner und deutlicher '
Photographien hergestellt, wie sie mit den bisher in Gebrauch I
befindlichen Apparaten nicht erzielt werden konnten. Eine
der Photographien zeigt eine Region in der Konstellation des
Perseus, andere zeigen Regionen anderer Sternbilder. Die
Photographien geben Bilder von Tausenden von Sternen, die
bisher nie mit den photographischen Apparaten anderer Stern-
warten erreicht werden konnten. Die Versuche haben die
grossen Vorzüge des neuen Apparats erwiesen, und Heidel-
berg. wird den Ruhm haben, die mächtigsten Linsen zum
Photographieren von Himmelskörpern zu besitzen.
Eröffnung der Volkshochschulkurse in Mannheim.
Die Einrichtung der Volkshochschulkurse ist am 12. ds. in
Mannheim in glücklicher Weise eingeleitet worden. Die von
der Stadt zur Verfügung gestellte hübsche Aula der Ober-
realschule war Kopf an Kopf besetzt von wissensbegierigen
Angehörigen der arbeitenden Klasse. Das weibliche Element
war nur schwach vertreten. Verschiedene Hochschullehrer
aus Heidelberg wohnten der Eröffnung bei, darunter der
Prorektor, Herr Hofrath Dr. Osthoff. Herr Arbeitersekretär
Katzenstein hiess die Erschienenen namens der Kommission
zur Veranstaltung von Volkshochschulkursen willkommen
und sagte den Heidelberger Hochschullehrern und der Stadt-
gemeinde Mannheim, welche dem Ausschuss die finanziellen
Sorgen abgenommen und den schönen Saal zur Verfügung
gestellt habe, herzlichen Dank für die Unterstützung einer
Sache, die einen Kulturfortschritt bedeute.
Im Namen der Heidelberger Universität sprach deren
Prorektor, Herr Hofrat Dr. Osthoff, Worte der Begrüssung.
Das Ende des 18. Jahrhunderts habe das Ringen des dritten
Standes nach Freiheit und Gleichberechtigung gebracht.
Diese Aufgabe sei vom 19. Jahrhundert übernommen und
durchgeführt worden. Der dritte Stand habe bekommen,
was er erstrebt. Am Ausgange des 19. Jahrhunderts, das
trotz hohen bundesrätlichen Beschlusses noch nicht zu Ende
gegangen, kämpfte der vierte Stand um sein Recht und seine
gebührende Stellung. Dieser Stand müsse den Kampf im
20. Jahrhundert weiterführen. Wir wollen lernen, in Zukunft

ohne die schweren Massregeln auszukommen suchen, welche
der dritte Stand zur Erreichung seines Rechts ergreifen
musste. Es sind Beweise vorhanden, dass der dritte Stand
einsichtiger ist gegenüber den Kämpfen des vierten Standes,
dass er diesem auf dem Wege seiner Bestrebungen entgegen-
kommt. Ein Symptom dieses Entgegenkommens ist der
Umstand, dass der dritte-Stand das Bildungsbedürfnis des
vierten Standes zu befriedigen sucht. Die Heidelberger
Universität habe den Gedanken der Einrichtung von Volks-
Hochschulkursen mit Freuden begrüsst. Das Bedürfnis sei
vorhanden gewesen, es habe nur des zündenden Funkens
bedurft, und dieser sei jetzt von der Mannheimer Arbeiter-
schaft ausgegangen.- Die Heidelberger Universität sei eine
der ältesten, aber auch eine der frischesten. Und diesen
Ruhm wolle sie sich auch für die Zukunft bewahren, indem
sie sich stets bestrebe, neuen Gedanken die Bahn zu schaffen.
Redner schliesst, indem er den neuen Volkshochschulkursen
ein „herzliches Glückauf“ zuruft.
Unmittelbar anschliessend begann HerrProf.Klaatsch-
Heidelberg den ersten Vortrag seines sechs Abende umfassen-
den Cyklus „Darwin und seine Lehre“. Derselbe entwickelte
klar und übersichtlich sein Thema. Was er vortrug, konnte
auch der einfache Mann leicht und ohne grosse Mühe in
sich aufnehmen. Der Vortragende begann seine Ausführungen
mit einem Protest gegen die Insinuation, als bedeute Darwin
und seine Lehre eine Beleidigung der Religion. Es gehe
aus den Angriffen auf Darwin nur hervor, wie wenig der-
selbe gewürdigt werde. Darwin sei sein Leben lang ein
überzeugter Christ gewesen und als er starb, wurden ihm
von der Kanzel herab die ehrendsten Nachrufe gewidmet.
Das Wort „Der Mensch stammt vom Affen ab“, das man
ihm in den Mund legt, hat Darwin nie gesagt und wenn
einer seiner Nachfolger sich dazu verstieg, so hat ihm die
Wissenschaft nicht recht gegeben. Die heutige Forschung
steht auf dem Standpunkt: Der Mensch stammt nicht vom
Affen ab. Der Mensch ist vielmehr ein ganz eigenartiges Wesen.
Man könnte viel eher sagen: Der Affe stammt vom Menschen
ab. Der Affe ist nicht der Vorfahre des Menschen und
sieht auch nicht aus wie seine Vorfahren. Wie es mit der
Religion nichts zu thun hatte, als man die Gestalt der Erde
ergründete und feststellte, dass sie sich bewege, so hat es
auch nichts mit der Religion zu thun, wenn die Wissen-
schaft auf den Urmenschen zurückgeht, die Entstehung des
Menschen und seine Verwandtschaft mit der übrigen Lebe-
welt zu erforschen sucht. Hierauf begann der Vortrag mit
der Lehre vom Zellensystem, das allen Erscheinungen der
lebenden Welt gemeinsam ist. In lautloser Spannung hing
die Hörerschaft am Munde des Redners. Zu einer Erör-
terung kam es nicht. Die Hörer müssen sich erst noch
hineinwachsen in die neue Einrichtung. Der Eindruck des
Eröffnungsvortrags war ein sehr guter; er berechtigt zu
sicheren Hoffnungen auf festen Bestand der bedeutsamen
Einrichtung.
 
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