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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Hrsg.]
Neue Heidelberger Jahrbücher — 5.1895

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Heft 2
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Heyck, Eduard: Die Staatsverfassung der Cherusker
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https://doi.org/10.11588/diglit.29062#0142
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132

Eduard Heyck

Der nachfolgende Aufsatz ist bestimmt, eine solche umfassendere
Darstellung im Voraus zu entlasten. —

Über die Cherusker haben wir für kurze grosse Zeit eine Fülle von
Nachrichten, in der freilich immer noch schmerzliche Lücken empfunden
werden, die aber immerhin ausreichend ist, uns fast allein an den
Cheruskern erkennen zu lassen, welches die Verhältnisse der Regierenden
bei einer einzelnen germanischen Völkerschaft waren. Denn eine
solche, ein einheitlicher Verfassungskörper und kein Bund sind die
Cherusker; wenigstens sind sie es, falls sie — was sehr unwahrscheinlich
ist — je Bündnis gewesen waren, zur Zeit unserer Nachrichten. Ob sie
civitas oder gens*) bezeichnet werden, immer wird das Wort in der
Einzahl gebraucht; ihr Gebiet ist stattlich, aber nicht vergleichbar mit
dem uns bekannter Bünde, und um ihre grossen Kriege führen zu können,
bringen sie vorübergehende Bündnisse1 2) zusammen: im Jahre 9
mit den Angrivariern, Ampsivaren, Bructerern, Marsern, Sigambrern,
Tencterern und Chatten; im Jahre 15, als unvorhergesehen die Römer-
kriege sich erneuern, stehen sie (und ebenso die noch vorher betroffenen
Chatten) allein; im Feldzuge von 16 und danach gegen Marbod haben
sie dann wieder eine Anzahl von Völkerschaften zum Bündnis gewonnen.

Es ist jedem Deutschen zu bekannt, als dass wir es erst wieder
nacherzählen müssten, wie auch die Cherusker mit allen anderen nord-
deutschen Völkern zwischen Rhein und Weser seit den Befehlsjahren des
Drusus und Tiberius unter die wenn auch nicht formelle, so doch that-
sächliche römische Herrschaft geraten waren, wie noch zur Zeit des
Varus von ihren Fürsten Segestes und daneben Inguiomer den Römern
ehrlich zugethan waren, andererseits damals und aufs kräftigste gefördert
durch das Verfahren des Varus selber bei ihnen eine Unabhängigkeits-
partei zu steigender Bedeutung gelangte, an deren Spitze der junge
Cherusker Armin stand, der gleichwohl — wie sein Bruder Flavus —
Offizier im Heere des Tiberius gewesen und noch römischer Bürger und

1) Die verderbte Stelle Velleius 2, 105 „recepti Ckerusci (gentis eius Arminius
mox nostra clade nobilis)“ wird durchweg nicht in dem Sinne emendiert, auf den
Dahn, Könige der Germanen, I, 119, Anm. 8, wenn auch halb verschämt, doch hin-
weist: Cheruscorum gentes. Ist doch das Cherusci, anstatt des Genitivs Cheruscorum,
durch die verschiedenen Hss. gesichert. Mit Fr. Jacob liest auch Halm gentis eius.

2) Nur darauf und zwar auf die Sachlage zur Zeit der Varusschlacht bezieht
sich Strabo 7, 1, 4: Xrjpouoxoi xat oc zouzmq UTzrjxooi. Dahn 1. c. unterscheidet
freilich wegen dieses Ausdrucks bei Strabo Klientelstaaten und zeitweilige Verbündete
der Cherusker. Aber an Belegen dafür aus den von so verschiedenen Schriftstellern
erzählten Thatsachen fehlt es auch ihm gänzlich und die Sachlage d. J. 15 spricht
direkt dagegen.
 
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