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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Hrsg.]
Neue Heidelberger Jahrbücher — 6.1896

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Heft 1
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Rohde, Erwin: Orpheus
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https://doi.org/10.11588/diglit.29036#0012
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Erwin Rohde

Auf diese Weise kommt freilich vieles und vielerlei zur Sprache, wovon
man nur gerade an dieser Stelle nichts zu hören wünscht; hier und da
wird der ermattende Leser durch eine aus emsiger und ausgedehnter
Lektüre gewonnene schätzbare Notiz ermuntert; aber die Aufmerksam-
keit wird von der Hauptsache abgelenkt; die Teilnahme des Lesers er-
müdet, die Verfolgung des logischen Fadens, an dem die Untersuchung
läuft oder laufen sollte, wird ihm ohne Not erschwert. Unsere Betrachtung
soll sich einzig auf die Behandlung des, unter wucherndem Beiwerk bis-
weilen kaum noch sichtbaren eigentlichen Themas des Buches richten.

Die Arbeit eröffnet sich mit einem Abdruck und umständlicher Er-
örterung der aus Wide’s Veröffentlichung in den Athen. Mitteilungen von
1894 bekannt gewordenen athenischen Iobakcheninschrift (etwa aus dem
Anfang des dritten Jahrhunderts nach Chr., nach Maass etwas älter).
Nicht vor S. 62 gelangt der Verfasser dazu, merken zu lassen, welchen
Grund er zu haben meine, diese Inschrift in einem Buche über Orpheus
und Orphik zu behandeln. Es heisst in der Inschrift: wenn Verteilungen
(wohl von Opferfleisch) stattfinden, sollen sich (ihren Teil) nehmen:
IspeuQ und vier weitere Priester und Beamte des Kollegiums, zwei Götter-
paare (d. h. Mitglieder, oug del dujaxzudCeaßat elg ilsdiv dtddsacv, wie es
in der Mysterieninschrift von Andania heisst), zuletzt xpcozeu poftpog.
Dieser Ausdruck lässt an einen i^dpycov, einen praesul bei Prozessionen
und Tänzen denken, der als Erster die rhythmischen Bewegungen ausführt
und die andern zu solchen anleitet, oder, wenn eupudpog einen Meister
im pudp.bg bezeichnet (dergleichen das Kollegium mehrere haben konnte
[gleichwie z. B. ein Pergamenisches Kollegium auf 17 ßouxolot zwei
upvodiddcxa'Aoi hat: Hermes 7, 40], ohne darum, wie Maass spottet, ganz
aus Tanzmeistern zu bestehn), der oberste dieser Meister. Hinter den
vier Göttern, als den Hauptfiguranten, mag dieser Mann, als der Anführer
der dann noch folgenden Schaaren der Tanzenden passend seine Stelle
finden. Maass denkt auf eine andere Auslegung; er rät auf eine um-
schreibende Bezeichnung des Orpheus, der als „erster Dichter, Musiker
und Tänzer“ und als Vater des Rhythmonius (Anon. de mus., Gramm,
lat. VI 609, 10), oder, wie Maass „mit Zuversicht“ (aber ganz willkürlich)
ändert, des Rhythmus bonus, npcozeupudpog genannt werden könne. Nur
auf Grund dieser kaum auch nur möglichen, durch keinen Schimmer von
Wahrscheinlichkeit empfohlenen, ratenden Deutung gilt es dem Verfasser
als völlig gewiss, dass die athenischen Iobakchen einen orphi sehen
Thiasos bildeten. Sonst lassen ihre Statuten nichts dergleichen erkennen
oder vermuten: es lässt sich vielmehr nicht verkennen, dass das eine der
 
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