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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Hrsg.]
Neue Heidelberger Jahrbücher — 7.1897

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Waldberg, Max von; Mone, Franz Joseph: Briefe von Jacob und Wilhelm Grimm, Karl Lachmann, Creuzer und Joseph von Lassberg an F. J. Mone, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.29033#0083
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Max Freiherr von Waklberg: Briefe von Jacob und Wilhelm Grimm etc. 69

Wissenschaft vom deutschen Altertum, deren grundlegende Leistungen
um jene Zeit von den Brüdern Grimm und Karl Lachmann mit heissem
Bemühen vorbereitet wurden. Doch nicht die Mitteilungen zur Ent-
wicklungsgeschichte unserer Wissenschaft sind der reichste Ertrag dieser
Briefe — dürften sie doch Weniges enthalten, was nicht schon durch die
häufigen Briefpublikationen der letzten Jahrzehnte der Forschung be-
kannt und von ihr verwendet wurde — ihre Bedeutung liegt vielmehr
in einem rein künstlerischen Beiz, den sie dem Leser gewähren. Sie er-
möglichen das Bild, das wir uns von der Persönlichkeit der Briefschreiber
gemacht haben, an der Hand vertraulicher Dokumente zu überprüfen.
Wenn auch diese verhältnismässig bescheidene Zahl von Blättern keine
Konfessionen enthalten, uns keinen Seelenaustausch geistesverwandter
Naturen bieten, und die briefliche Verbindung mit dem Adressaten fast
nur durch geschäftlich-wissenschaftliche Interessen angeregt und fort-
gesetzt wurde, so sind doch die Schreiber zu sehr ausgesprochene Indivi-
dualitäten, als dass nicht ihr eigenartiges Wesen auch hier durchleuchten
würde. Schon aus kleinen Äusserlichkeiten der Briefform tritt uns die
etwas groteske Figur des „Meister Sepp“ des Joseph von Lassberg ent-
gegen. Alan müsste gar nicht die Unterschrift unter dem Briefe vom
16. Februar 1827 lesen, um schon aus diesem einen Stücke die strenge,
wortkarge Persönlichkeit Karl Lachmanns zu erschliessen, und es gewährt
eine wahre Freude, all die Züge, die uns die Brüder Grimm so lieb und
wert gemacht haben wie die Märchengestalten die sie dem deutschen
Volke neu geschenkt haben, in ihren Briefen so rein und klar wieder er-
scheinen zu sehen.

Welch’ schlichte, ungekünstelte Grösse liegt nicht in der einfachen
Bemerkung, die Jacob zu Mone macht: „Ich begreife nicht recht, dass
Sie die altdeutschen Studien jetzt beiseite legen wollen; wie kann man
das?“ Wie wird der Grundzug von Jacob Grimms Persönlichkeit, sein
stark ausgeprägtes mächtiges Heimatsgefühl, durch die Wendung vom
„Stockhessen, der die vielen Vorzüge anderer Gegenden vor dem Vater-
lande gerne einsehe, und ihm doch hartnäckig anhänge“, so scharf ins Licht
gesetzt? Wie tritt uns in den Äusserungen über Purismus in der Sprache
und Deutschtümelei sein von jeder Kleinlichkeit freier vaterländischer Sinn
so lauter entgegen? Was aber am stärksten wirken muss, das ist jene
hohe Summe wissenschaftlicher Sittlichkeit, die — den Schreibern selbst
unbewusst — so schlicht und doch so eindringlich fast aus jeder Zeile
der Briefe Jacobs und Wilhelms uns entgegenstrahlt! Jene unerschüt-
terliche Ehrlichkeit gegen sich selbst und gegen andere, die, weil sie frei
 
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