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wie mir scheint, von ähnlich gerichteten Arbeiten unterscheidet,
ist, daß hier nicht ein Sprachkörper nach dem Schema eines —
wie auch immer zustande gekommenen — Fragebogens von außen
her über gewisse stilistische Formeln und Figuren verhört wird,
und dann diese Symptome in irgend welchen Gruppierungen als
stummes. Material in endloser Aufzählung gesammelt werden,
sondern daß ihr die Ueberzeugung zugrunde liegt, daß „Stil“ als
die Gesamtheit der Ausdruckserscheinungen an einem schöpferi-
schen Organismus (sei es Individuum, Gruppe, Stamm, Volk,
Epoche oder Kulfurkreis) eine notwendige und sinnvolle Einheit
darstellt, an der es Aeußerliches oder Zufälliges nur für ober-
flächliches Erkennen gibt. Diese Ueberzeugung ist unveräußer-
liche Voraussetzung jeder theoretischen und praktischen Phy-
siognomik des Stils. Mag es auch grundsätzlich zweifelhaft blei-
ben, ob die Literaturgeschichte jemals den Grad stildiagnostischer
Sicherheit erreichen wird, über den die Kunstgeschichte bedin-
gungslos verfügt, so sind doch Organe und Methoden sprach-
licher Stilerkenntnis heute noch so weit von der Grenze möglicher
Vervollkommnung entfernt, daß ihre Ausbildung als eine unserer
dringlichsten Pflichten erscheint, als deren Ziel eines Tages eine
physiognomisch gerichtete Geschichte der deutschen Sprache von
uns gefordert werden wird1.
1 Die vorliegende Arbeit ist unter den Augen meines Lehrers, des Herrn
Prof. Max Frhr. v. W al db er g entstanden, dem ich auch an dieser Stelle für
seine unermüdliche Hilfsbereitschaft meinen herzlichen Dank ausspreche. Sie
wurde im Sommer 1925 von der philosophischen Fakultät der Universität Heidel-
berg als Doktordissertation angenommen. Die Drucklegung hat leider erheb-
liche Kürzungen erfordert, besonders in der Wiedergabe der in viel größerem
Umfange gesammelten Belege des Anhangs, die in ihrer jetzigen Form weniger
beweisen als an Beispielen den Text erläutern und bisweilen eine umständliche
Beschreibung ersetzen sollen.
Da eine Ausgabe der Opitzschen „Antigone“ mit Verszählung nicht existiert,
zitiere ich zur Erleichterung der Nachprüfung die Uebersetzung ebenso wie den
griechischen Text nach der Zählung der modernen griechischen Sophokles-
Ausgaben. Im Wortlaut dagegen folge ich für den griechischen Text der
Triklinischen Rezension (vgl. S. 15), für die deutsche Uebersetzung der Frank-
furter Opitzausgabe von 1644, die nach Rubensohns Vermutung (Griechische
Epigramme, Weimar 1897, S. CCX f.) die Ausgabe letzter Hand vertritt. Auf die-
selbe Ausgabe beziehen sich die übrigen Opitzzitate und zwar bedeutet:
W.P. I, II = Weltliche Poemata, Bd. I, II.
G.P. = Geistliche Poemata.
Nach den Neudrucken zitiere ich dagegen:
„Poeterey“ = Buch von der deutschen Poeferey, Hallische Neudrucke Nr. 1.
„Poemata“ — Teutsche Poemata, hrsg. v. Georg Witkowski, ebd. Nr. 189—192.
 
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