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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Hrsg.]
Neue Heidelberger Jahrbücher — N.F..1926

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Alewyn, Richard: Vorbarocker Klassizismus und griechische Tragödie: Analyse der "Antigone"-Übersetzung des Martin Opitz
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Zweites Kapitel: Textvorlage, Hilfsmittel und Entstehung [...]
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Drittes Kapitel: Vergleichende Analyse der Opitzschen „Antigone“ - Übersetzung
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https://doi.org/10.11588/diglit.47621#0025
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einem inneren Anlaß suchen. Ein Renaissancepoet wie Opitz hat
keine „Biographie“ im modernen Sinne mit „Erlebnissen“, „Ent-
wicklung“, „Krisen“, „Wendungen“, „Katastrophen” und wie die
Fachwörter und Kunstformen der modernen Biographik sonst
lauten, sondern nur eine Chronologie der Aufenthalte, Stellun-
gen, Beziehungen und Werke. Das Leben kennt eine Veränderung
nur im Quantitativen: Vermehrung der Bekanntschaften, Verbrei-
terung des Ruhms, Verfeinerung der technischen Mittel oder
Nachlassen der dichterischen Kraft. Alles andere ist bloß additiv:
Orte reihen sich an Orte, Werke an Werke. Und es ist fast gleich-
gültig, an welchem Zeitpunkt seines Lebens eine Dichtung an den
Tag getreten ist. Denn, wenn umgekehrt zu einem seiner Gedichte
das Erscheinungsjahr verloren wäre, hätten wir keine inneren
Kriterien, es an eine bestimmte Stelle seines Lebens einzureihen.
Alle seine Schriften sind im Grunde Gelegenheitsschriften, zu-
fällig und wahllos entstanden und ebenso flüchtig produziert wie
publiziert.
Die Arbeit an der „Antigone“-Uebersetzung fällt in den
Anfang des Jahres 1636, in Opitzens Thorner Zeit. Ihre Ent-
stehung hängt engstens zusammen mit ihrer Bestimmung: 'Sie ist
am 15. März 1636 in Thorn dem Grafen Gerhard von Dönhoff
gewidmet, durch dessen Fürsprache Opitz eine Anstellung im
polnischen Dienste erwartete und im Sommer desselben Jahres
auch wirklich erhielt24. Im gleichen Jahre noch erschien die
Uebersetzung auch im Druck bei dem Danziger Verleger Andreas
Hünefeldt. Der Text ist in allen späteren Gesamtausgaben, von
kleineren Entstellungen abgesehen, unverändert abgedruckt.
DRITTES KAPITEL
VERGLEICHENDE ANALYSE DER OPITZSCHEN
„ÄNTIGONE“-ÜBERSETZUNG
1. Der Gehalt
Wir haben erörtert, in welchem Grade das Uebersetzen für
Opitz eine eingestandenermaßen sprachtechnische Angelegenheit
war. Auf der Wörtlichkeit mußte also Ehrgeiz und Wert eines
solchen Unternehmens beruhen. In Italien, in Frankreich, wo
24 Eine nähere Untersuchung des Thorner Aufenthalts und der Vorgänge,
die zu der erwähnten Anstellung führten, hoffe ich an anderer Stelle ver-
öffentlichen zu können.

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