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Eine literarische Fälschung aus dem Jahre 1693
Von Dr. phil. Carl Speyer
Im Jahre 1693 erschien ein Büchlein in Duodez-Format von
252 Seiten, gedruckt zu Cölln und betitelt: „Lebens-Geschichte /
Der weyland / Durchleuchtigsf. Chur-Fürsten / in der Pfalfz /
Friedrich des V. / Carl Ludwig / und / Carl / worinnen / Die
Böhmische Unruhe / der Dreyssig-jährige Krieg / die / Vicariat-
und Wildfang-Sache des Chur-Fürsten Carl Ludwig Liebes- /
Händel mit der Baronessin von Degenfeld/und die Langhansische
Sache; / Durch einen gantz kurtzen Begriff / annehmlich beschrie-
ben werden. /“
Das Büchlein ist anonym erschienen. Von den in dem lang-
atmigen Titel angeführten Gegenständen interessieren uns hier
nur „des Chur-Fürsten Carl Ludwig Liebes - Händel mit der
Baronessin von Degenfeld.“ Diese Liebes-Geschichte erregte in
der damaligen Zeit das größte Aufsehen. Der Kurfürst Karl
Ludwig von der Pfalz, der Sohn des Winterkönigs Friedrichs V.,
war in erster Ehe mit der Landgräfin Charlotte von Hessen-Cassel
verheiratet. Dieser Ehe entsprossen Carl II., der letzte Kurfürst
aus der Pfalz-Simmernschen Linie, und Elisabeth-Charlotte, die
berühmte Liselotte von der Pfalz und spätere Gemahlin des
Herzogs Philipp von Orleans, des jüngeren Bruders des Königs
Ludwig XIV. von Frankreich. Die Ehe wurde 1657 geschieden.
Am 6. Januar 1658 heiratete Kurfürst Karl Ludwig in Schwetzin-
gen in morganatischer Ehe das Freifräulein Maria Susanna Luise
von Degenfeld, zu dem er schon längere Zeit in Beziehungen stand,
nachdem er sich von seiner ersten Gemahlin eigenmächtig durch
einen Scheidebrief getrennt hatte.
In dem Büchlein befindet sich der Abdruck des Briefes der
rechtmäßigen ersten Gemahlin Charlotte an den Kaiser Leopold!.,
datiert vom 26. Juli 1661, in dem sie —- allerdings vergebens —
des Kaisers Hilfe wegen ihrer durch die eigenmächtig vollzogene
Trennung ihrer Ehe durch Karl Ludwig hervorgerufene mißliche
 
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