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Schieiermadiers Besuch in Heidelberg1 2
Von Lic. Walther Sattler.
Äeußerlich angesehen war für Schleiermacher, den großen
Berliner Theologen und Vaterlandsfreund, das Jahr 1814 eins der
enttäuschungsreichsten seines Lebens, und der Mann, dessen ge-
waltige Neujahrsbetrachtung von 1807 „Was wir fürchten sollen
und was nicht“, einst dem Freiherrn vom Stein auf seiner Flucht
vor Napoleon zu besonderm Trost gereicht hatte, selbst dieser
Mann konnte, in einer Stunde mutloser Stimmung, müde von
allen Kränkungen und Hindernissen, die man ihm in den Weg zu
legen suchte, damals unwillig ausrufen, nach nichts verlange ihn
sehnlicher als nach „irgend einem ruhigen Unterkommen außer-
halb des preußischen Staates"; nach den Rheingegenden, seinem
Vaterland von väterlicher Seite, stehe sein Sinn am meisten.
Um so größere Erwartungen setzten daher seine Freunde auf
eine Reise, die ihn, seine Frau und die Schwägerin des ihnen be-
freundeten Berliner Buchhändlers Reimer, Ludovika Reinhardt,
für mehrere Wochen in den Taunus nach Schwalbach und, im
Anschluß an die dortige Kur, über Frankfurt in den Heidelberger
Bekanntenkreis führen sollte, nur wenige Wochen bevor um der
berühmten Gemäldesammlung der Brüder Boisseree willen
auch Goethe vierzehn reiche Tage (24. Sept, bis 9. Okt. 1814) in
Heidelberg dankbar erlebte. Mit Goethe, den er von Halle3 und
1 Im folgenden sind die üblichen Abkürzungen angewendet:
Meisner I. II = Schleiermacher als Mensch. Sein Werden und Wirken. Fa-
milien- und Freundesbriefe, ed. H. Meisner I, 1922; II, 1923.
ßr. m. Gaß = Fr. Schleiermachers Briefwechsel mit J. Chr. Gaß. Mit einer
biographischen Vorrede herausgegeben von W. Gaß, 1852.
Br. m. Boeckh = Briefwechsel Friedrich Schleiermachers mit August Boeckh
und Immanuel Bekker. 1806—1820 [ed. H. Meisner]: Mitteilungen aus dem
Literaturarchive in Berlin, NF. 11, 1916.
2 Der Musiker Reichardt hatte (21. April 1805) an Goethe, seinen Besuch er¬
wartend, geschrieben: „Steffens und Schleiermacher, unsere Hausgenossen, wer-
den gewiß manches zur Annehmlichkeit Ihres Aufenthalts beitragen können.“ Die
Briefe Johann Friedrich Reichardts an Goethe, mitgefeilt von Max Hecker, im
Jahrbuch der Goethe-Gesellschaft, XI, 1925.

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