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liehen Wortes „Mordsspektakel“; waren es doch die Haupt- und
Staatsaktionen mit ihren oft Mordtaten als Stoff führenden Hand-
lungen, in denen am meisten getobt und geschrien wurde. Die
Entartung des Komischen in der Possen- und Zofenreißerei ging
parallel mit einer realistischen Darstellung, die aber nur das Rohe
betonte und besonders unterstrich.
Diese Truppe reiste sehr lange im Reiche herum; auch nach
Heidelberg war sie wiedergekommen. Im Winter 1668 spielte sie
während 16 Wochen am Hofe Carl Ludwigs. Sie scheint noch
einmal einen Anlauf zur Veredlung ihrer Kunst genommen zu
haben. Besonders ein Aufenthalt in Wien in den Jahren 1663
und 1664 scheint verbessernd auf ihre Tätigkeit gewirkt zu haben.
Die Possenreißerei trat in den Hintergrund, dafür pflegte sie
musikalische Stücke nach italienischer Art. Es sind dies die
ersten zaghaften Ansätze, die jetzt auf kommende italienische
Oper nach Deutschland zu verpflanzen.
Doch obwohl die Truppe gerade durch ihre Neuerung, die
Einführung der „Singekomödie“ bei Carl Ludwig großen Beifall
fand, so daß er ihre Leistung in einem Empfehlungsschreiben und
Zeugnis, das für den Frankfurter Magistrat bestimmt war, rüh-
mend hervorhob, zogen diese Singekomödien das größere Publi-
kum nur an, wenn der Possenreißer in den Zwischenakten zur
Erheiterung beitrug. Als Johannes Velthen nach Südwestdeutsch-
land kam, beherrschte der Hanswurst wieder die Bühne.
Magister Johannes Velthen aus Halle5, Comödiant wie er sich
schlicht nannte, war um das Jahr 1669 zur Schauspielkunst ge-
kommen. In einer berühmt gewordenen Aufführung des „Poly-
euct“ von Corneille in Dresden hatte er mit Erfolg eine Rolle
gespielt, wodurch seine Liebe zur Bühne geweckt wurde. Aus den
ersten Jahren seiner Bühnentätigkeit weiß man nicht viel. Es ist
zu vermalten, daß er seine Komödianfentruppe in Dresden zusam-
mehstellte und meist dort, vielleicht zur Messezeit auch in Leipzig
spielte. Sicher hafte er großen Zulauf aus studentischen Kreisen,
die das freie Leben der Schauspieler reizte und anzog. Manche
Begabung, die aber bald in Vergessenheit geriet, entstammte aka-
demischen Kreisen. In Velthens Truppe wirkten auch erstmals
Frauen mit. Im Februar 1678 fanden am kurfürstlichen Hofe in
Dresden in Gegenwart der sämtlichen Mitglieder des sächsischen
Fürstenhauses große Komödien-Aufführungen statt. Sie bildeten
den Anlaß, daß der Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen Jo-
hannes Velthen und seiner Truppe den Titel „Chursächsische
 
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