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Brodersen, Kai; Wink, Michael [Editor]; Bartram, Claus R. [Editor]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Editor]
Heidelberger Jahrbücher: Vererbung und Milieu — Berlin [u.a.], 45.2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.4063#0015

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Die Natur des Menschen: Eine evolutionsbiologische Perspektive 3

Wort, mir ist es einerlei, welches Namens wir uns bedienen; doch frage ich
Sie und die ganze Well nach einem Gattungsunterschiede zwischen dem
Menschen und dem Affen, d.h. wie ihn die Grundgesetze der Naturwissen-
schaftfordern. Ich kenne wahrlich keinen und wünsche mir, dass mir jemand
nur einen einzigen nennen möchte. Hätte ich den Menschen einen Affen ge-
nannt oder umgekehrt, so hätte ich sämtliche Theologen hinter mir her; nach
kunstgerechter Methode hätte ich es wohl eigentlich gemusst." Wie wir nach-
folgend sehen, hatte Linne damit bereits die außergewöhnlich enge Ver-
wandtschaft zwischen Menschen und Schimpansen und den taxonomischen
Konflikt, der bis heute vorhanden ist, erkannt.

Die systematische Platzierung des Menschen innerhalb der Tiere beruhte
bisher auf morphologische und physiologische Ähnlichkeiten mit den Pri-
maten und übrigen Säugetieren. In den letzten 20 bis 30 Jahren konnte die
Genetik, insbesondere die molekulare Phylogenieforschung (Phylogenie -
Stammesgeschichte), große Fortschritte machen und die Position des Men-
schen weiter präzisieren. Auch die genetischen Daten lassen keine Sonder-
stellung des Menschen erkennen, sondern sie ordnen den Menschen nahezu
nahtlos in die Entwicklungslinien des Lebens ein. Da diese Erkenntnisse für
unser Weltbild wichtig sind, soll nachfolgend ein kurzer Abriss unserer Evo-
lutionsgeschichte aufgezeigt werden (ausführliche Darstellung in Storch,
Welsch und Wink 2001).

In der Evolutionsforschung lassen sich zwei wichtige Meilensteine erkennen:

• Charles Darwin legte 1859 mit seinem Hauptwerk „The origin of species"
eine bis heute immer wieder bestätigte Theorie zur Evolution vor, die den
Menschen einschließt. Darwin erkannte, dass Arten nicht konstant sind,
sondern dass ständig neue Arten und Entwicklungslinien aus gemeinsa-
men Vorfahren entstehen. Als Basis für diese Fortentwicklung erkannte er
die große Variabilität innerhalb von Arten und Populationen und die „na-
tural selection", die natürliche Auslese, als Selektionsmechanismus. In je-
der Art sind nicht alle Individuen identisch, sondern für nahezu alle
Merkmale kann man eine gewisse Variationsbreite erkennen. Unter den
Bedingungen der natürlichen Auslese werden solche Individuen eine bes-
sere Überlebenschance und höheren Fortpflanzungserfolg aufweisen, die
durch ihre Merkmalskombination am besten an die jeweiligen Lebensbe-
dingungen (Milieu) angepasst sind. Mit dieser Erklärung lieferte Darwin
eine plausible Erklärung für das Entstehen neuer Arten. Damit war die
Annahme eines Schöpfergottes, der individuell konstante Arten geschaf-
fen hat, nicht länger notwendig. Diese Übersicht ist nicht der Ort um dar-
zulegen, wie die Zeitgenossen Darwins auf die „Origin of species" reagier-
ten und wie die Evolutionslehre bis heute immer wieder angegriffen oder
ignoriert wurde (Näheres z.B. in Storch et al. 2001).
 
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