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Brodersen, Kai; Wink, Michael [Hrsg.]; Bartram, Claus R. [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Vererbung und Milieu — Berlin [u.a.], 45.2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.4063#0134

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122 Franz Resch und Eva Monier

Dadurch wird zum einen das intersubjektive Selbst des Kindes in seiner
Entwicklung gestärkt, zum anderen geht es der Mutter meist darum, eine
Gemeinsamkeit mit dem Kind herzustellen. Sehr häufig wird jedoch von den
Eltern mit der Affektabstimmung ein bestimmter Zweck verfolgt: Auf aver-
balem Weg teilen sie ihrem Kind bewusst oder unbewusst ihre Wünsche und
Abneigungen mit, indem sie sich auf erwünschte Handlungen affektiv ein-
stimmen, auf unerwünschte nicht.

Die Sonderform des „tuning" stimmt sich zunächst auf den Affekt des
Kindes ein, um ihn dann um eine Spur zu verändern, das heißt, die Antwort
ist etwas stärker oder schwächer als das Ursprungssignal, je nach verfolgter
Intention der Mutter.

Domes bezeichnet diesen Mechanismus als „gefährlich", weil es ein subti-
ler Weg ist, die Emotionalität des Kindes zu verändern mit der Folge der
Entstehung eines falschen Selbstes. Hier wird die Rolle des Kindes als Adres-
sat elterlicher Absichten deutlich:

Über das tuning können natürlich elterliche Phantasien oder Befürchtun-
gen beziehungsweise die Abwehr dieser Befürchtungen ausgedrückt werden.

3. Feinfühligkeit: Papousek spricht von den intuitiven Kompetenzen der El-
tern, die es ihnen ermöglichen, sich auf den Säugling einzustellen und sei-
nem Wahrnehmungssystem und emotionalen Bedürfnissen gemäß zu rea-
gieren. So verändern die meisten Eltern automatisch ihre Stimmlage und
modulieren ihre Intonation stärker. Sie bringen ihr Gesicht meist automa-
tisch auf die Distanz von ca. 20 cm vom Kopf des Kindes. Dies ist die Entfer-
nung, bei der der Säugling aufgrund seiner geringen Akkomodationsfähig-
keit am schärfsten sieht.

Sie ahmen Lautäußerungen des Kindes nach meist auch ohne zu wissen,
dass dies die kindlichen Selbstwirksamkeitserfahrungen bereichert, wenn
seine Verhaltensweisen gespiegelt werden.

In den ausführlichen Untersuchungen von Grossmann hatte die mütterli-
che Feinfühligkeit einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität der kindli-
chen Bindung an die Mutter. Zur Feinfühligkeit gehört auch die Fähigkeit
der Mutter, dem Aufmerksamkeitsfokus des Kindes zu folgen und vom Kind
vorgegebene Handlungsstränge aufzugreifen, anstatt dem Kind eigene
Handlungsfäden vorzugeben und die Interaktion dadurch zu dominieren.
Mütterliche Intrusivität dem Säugling gegenüber mindert ein Gefühl der Ef-
fektanz des Säuglings und führt oft zu abweisenden Reaktionen beim Kind,
welche in Beziehungsstörungen münden können.

Es gibt vielfältige Hintergründe für eine Minderung der Feinfühligkeit:
Mütterliche Depressionen z.B. führen nach T. Field (1990) häufig zu einem
intrusiven oder aber zurückgezogenen Verhalten gegenüber dem Kind. Letz-
teres führt dazu, dass die für das Selbstgefühl des Säuglings entscheidenden
 
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