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Selte 2

ller tteiltelderyer 8tuitent

8.-8.1S2S. Nr.1

llas 8ommer-8emester tm Zelchen äer 8elbllverwattuna

von Fred himmel, 1. vorsitzender.

ver Zweifel an dem Zweck einer stndentischen Lelbst-
verwaltnng ist im WiNtersemester 28/29 an unserer Ru»
>erto-Larola endgültig gebrochen worden. Lng verbindet
ich dieses Lelingen mit der person des damaligen I.vor-
itzenden cand. iur. Gtto Rieß. 5ein echt süddeut-
ches Wesen, die verkörperte Ruhe, verstand so sein die
Gegensätze zwischen den einzelnen Gruppen zu überbrük-
ren. vielen Uonflikten, die das klnsehen der Studenten-
chaft bedrohten, konnte er in geschickter weise zur Lö-
ung oerhelsen. Sein ofsener Tharakter gewann das ver-
trauen der Universitätsbehörde sowie sämtlicher Uommi-
litonen, die in Sitzungen oder in privaten Unterredungen
mit ihm zu arbeiten hatten. Unser aufrichtigster Vank
gebührt ihm! Wir wollen darauf bedacht sein, seine be-
gonnenen ktrbeitsgebiete zu vervollständigen und die Zelbst-
verwaltung dcr heidelberger Ltudentenschaft auf der höhe
zu halten, zu der er sie geführt hat.

klus meinem Urbeitsprogramm für das Sommersemester
will ich nun einige allgemein interessierende punkte in
großen Umrissen herausgreifen und allen Uommilitonen
zu Lrgänzungsvorschlägen klnregung geben.

Wer sich etwas mit hochschulpolitik beschäftigt, weiß
wie zersplittert unser deutsches Studententum heute da-
steht: Neben einer v. St. (veutschen Studentenschaft) pro-
pagiert ein v. St. v. (veutscher Studenten-Verband); es
gibt Studentenschaften mit staatlicher klnerkennung, solche,
die eine frcie Studentenschaft gegründet haben und einige,
die auf eine organisierte Selbstverwaltung verzichten. von
idealer vegeisterung beseelte, aber doch oft wechselnde Lr-
klärungen erfüllen die verbandszeitschriften und Grup-
penorgane. Wir lesen von dem Wechselspiel bei den Ta-
gungen der 0. ä. lü. (Lonksdsrutian Ikirsrnationnl« ÜK8
Ltudiants): vertretung der deutschen ksochschulen durch
die V. St., dann durch v. St. und v. St. v.- eine der Gr-
ganisationen tritt zurück und man spricht dann schließ-
lich den veutschen überhaupt eine vertretung ab. Nußer-
halb dieses Getriebes steht nun seit Sahren die !)eidel-
berger Studentenschaft. Nach inneren Mmpfen hat sie
sich gefestigt und bei Wahrung jeder ideellen Linstellung
die praktische Nrbeit einer Selbstverwaltung gefördert.
Sch glaube, wir jind fähig und stark genug, vorbild zu
sein. Wir wollen den letzten Zeitpunkt nützen, um die
Snteressenvertretung einer deutschen Gesamtstudentenschaft
zu retten. Vie Selbstverwaltung hat nur verechtigung
bei sachlicher Nrbeitsleistung. Linzig und allein ist diese
aber nur gewährleistet durch staatliche Nnerkennung, enge
Zusammenarbeit mit den Univerjitätsbehörden, dann aber
als notwendige Forderung durch Zusammenschluß zunächst
aller reichsdeutschen Studentenschasten. Für diesen 3u-
sammenschluß den richtigen Weg zu finden, das sollte uns
an der ältesten reichsdeutschen Universität im kommenden
^em-ster eine hehre Uufgabe sein. Wir dürfen uns nicht
mehr darauf beschränken an den bestehenden Grganisa-
tionen Uritik zu Üben, sondern wir müssen mitarbeiten,
um srei von jeglichem versassungsstreit rein im Sinne der
Vejahung studentischer Selbstverwaltung eine einheit-
liche deutsche Studentenschaft erstehen zu lassen.

Zur praktischen vurchführung unseres vorhabens wird
es allerdings notwendig sein, uns in erster Linie mit den
südwestdeutschen hochschulen in verbindung zu setzen. vcr
neue lhaushaltsplan wird einen posten für hochschulpoli-
tische Nrbeit aufweisen müssen. So ist es möglich, aus
unserer isolierten Stellung herauszukommen und vertre-
ter als sogenannte Veobachter zu Tagungen irgendwelcher
hochschulpolitischen Gruppen, die für Selbstverwaltungs-
und hochschulfragen von vedeutung sein können, zu ent-
senden. Solche öeträge für insormatorische vertretungen
hat das lNinisterium an anderen kjochschulen (auch in va-
den) stets genehmigt.

Mit dem verhältnis Nst a - S t ud e n t e n h i l f e be-
ginne ich die vesprechung rein örtlicher Nngelegenheiten.
Vie Zusammenarbeit jener bewen Grganisationen hat noch
keinen fruchtbringenden Voden gesunden. Nrbeitsgebiete
gehen ineinander über, werden manchmal sogar doppelt
durchgeführt. Vie liommilitonen wissen also nie, beson-
ders jeweils zu Veginn des Semesters, welches die Sn-
stanz ist, die ihre Interessen vertritt, und an die sie sich
mit Lrfolg wenden können. praktische Leispiele stehen
mir in Fülle zur verfügung. Zwecks Wohnungsnachweis
oder Stellenvermittlung u. a. spricht man im Nsta oor,
der vescheid lautet dann: „Litte INarstallhof 5 um die
Lcke!" vort ist gerade der mit der gewünschten Nnge-
legenheit vertraute Leiter nicht anwesend, da seine Sprech-
stunden zufällig zu anderem Zeitpunkt liegen. viese Ge-
schäftssührungen rusen bei den leidtragenden Studieren-
den grotze Mißstimmung hervor. Lrgebnis hiervon wird
Schimpfen auf jegliche Selbstverwaltung sein. Ls muß
jetzt anders werden! Nach meiner Meinung ist die ein-
zige zuständige Stclle für alle Fragen der Studicrcndeu
der von ihnen gewählte klllgemeine Studenten-Nusschuß.
Nlle kluskünfte müssen in dessen Geschäftsstunden erteilt
werden können. vie Studentenhilfe hat mit den ihr
unterstehenden finanziellen Unterftützungseinrichtungen Nr-
beit genug. Mein Ziel wird sein, vereinheitlichung
des Selbstverwaltungskörpers.

vas Sommersemester soll endlich ein Werk zur Nus-
führung bringen, das bereits vor Lemejtern angeregt
wurde: ver Lau des Studentenhauses. vie ein-
gereichteu pläne, auch die der vurchführung der Nrbciten,
mögen genaueste Nachprüsung erfahren, ob sie den Wün-
schen der Gesamtstudentenschaft wirklich Nechnung tra-
gen. Kuf keinen Fall dürsen Turn- und Fechträume be-
nachteiligt werden.

kjeidelberg ist gegenüber anderen hochschulen verhält-
nismäßig arm an vergünstigungen für die Stu-
dierenden. ver Ksta wird es als seine Nufgabe an-
zusehen haben, vergünstigungen jeglicher Krt in größe-
rem Maße zu erzielen. Linige erforderlichen verbesserun-
gen seien heroorgehoben: 50°/vige Lrmäßigung der
Theaterkarten an Wochentagen,' Kusgabe von verbilligten
Fahrscheinheften (1 Nm. statt 1.20 Nm.) und Monatskar-
ten (7.50 Nm. statt 10 Rm.) bei Lenutzung der Straßen-
bahn^ Studenten-Nbonnementskarten bei Friseuren; für
das wintersemester Nbmachung mit einigen Nohlenhand-
lungen zwecks verkaus von Nohlen an Studierende zu
ermätzigten preisen,' Nusgabe von Vüchervorzugskaufkar-
ten durch den Nsta an Nommilitonen, die über einen Mo-
natswechsel von weniger als 120 Rm. verfügen, so daß
jenen bei den vuchhandlungen ein preisnachlaß von 10«/o
zuteil wird, usw. Ls ist vielleicht für die Vurchführung
dieser Nrbeit ein eigens geschasfenes vergünstigungsamt
des Nsta von vorteil.

vringende Lrwägung bedarf die Linrichtung einesselb-
ständigen Lhrenschiedsgerichts unabhängig von
der Visziplinarbehörde, in dem studentische Lhrenhändel,
soweit sie sich nicht auf parteien beziehen, die sich der
waffenstudentischen Lhrenordnung unterwerfen, von stu-
dentischer Seite beigelegt werden. Ls müßte demnach ein
Lhrenschiedsgericht zur Schlichtung von Lhrenhän-
deln und ein L hr o n st r asg e r i ch t zur Lntscheidung
der Bestrafung unstudentischer kjandlungen eingesetzt wer-
den, deren Mitglieder vom Nsta zu wählen sind. vas
Lhrenschiedsgericht ist zuständig, wenn beide oder nur eine
der beiden parteien Genugtuung mit der Waffe nicht ge-
ben, bei Nnrus einer partei' Streitigkeiten zwischen
Studenten und Nichtstudenten sind zu regeln, falls beide
parteien mit der Lrledigung durch das Lhrenschiedsge-
richt einverstanden sind. vas Nrbeitsgebiet des Lhren-

schiedsgerichts schließt ebenfalls das eventuelle Untersagen
von unzulässiger wahlpropaganda bei den Nstawahlen
oder die veilegung von Streitigkeiten zwischen einzelnen
Zraktionen usw. usw. in sich ein.

Lei Letrachtung des F a ch schastswcsens ergibt sich
das vedürfnis, eine Verbindung mit den übrigen lfoch-
schulen anzuknüpfen. vie bestehenden Fachschaftskommis-
sionen oder eingesetzten Fachschafts-Gbleute können dann
an ihre hauptaufgabe herangehen, bei den Ministerien
eine Studienangle.ichung in den einzelnen Staa-
ten zu erreichcn, und was allerdings oorläufig für -ie
technischen hochschulen zutrifft, den Nampf gegen die ver-
schulung des kjochschulbetriebes aufzunehmen. Ven ört-
lichen Fachschaften soll mehr denn je Studienberatungen
in die hände gelegt werden. vas Necht der Fachschasts-
vorsitzenden bedarf einer Lrweiterung, wonach sie außer
bei k)onorarnachlaß — auch bei Stipendiengesuchen Lin-
sicht nehmen dürsen.

Für das Grenz- und Nuslandsamt ist eine Nr-
bcitsgemcinschast mit dcm v. V.N. (verein für das veutsch-
tum im Nusland) zu empsehlen. Vie Nkademische Grts-
gruppe des v. v. N. kann seinc Nrbeitsgebiete allein nicht
erschöpfen, da sie teils eine zu geringe Mitgliederzahl
hat, teils aber auch dadurch, daß sich die Mitgliedcr nur
aus Norporationsstudenten zusammensetzen. Ls ist
zu überlcgen, ob nicht eoentl. das Grenz- und Nuslands-
amt volljtändig die Geschäftsführung des v. V. N. mit-
übernehmen sollte.

Um sich dem öffentlichen Leben erkennen zu geben,
ist es wünschenswcrt, daß der Nsta von sich aus die ört-
lichen Zeitungen sowie die akademische presse und die
größcren Zeitungsoerlage vadens über die jeweiligen vor-
gänge an der tfochschule und in der Sclbstverwaltung
unterrichtet. hierdurch wird vermiedcn, daß voreilige
pressemitteilungen dcr Gfsentlichkeit ein falsches Bild ge-
ben. vie Linrichtung eines presseamtes, das jeweils
auch die erscheinenden Nrtikel sammelt, ist der Lrwägung
wert.

Im Sommersemester werden wir Sorge tragen müssen,
unserer neuen lfeidelberger kjochschulzeitung „ver kjei-
delberger Student" einen möglichst umfangreichen
Mitarbeiterkrcis hcranzubilden. Uber den Sinn unseres
kjochschulblattes geben andere Nrtikel genügend Nufschluß.

Gbgleich wir mit dem Namen Mcnsa unsere aufrich-
tigste vankbarkeit verbinden, wäre es doch am platze,
einigen Mängeln Nbhilfe zu schaffen. Ls muß durch-
führbar sein, daß bereits eine halbe Stunde vor Legmn
des Mittagefsens Zutritt zum Speiseraum möglich ist, da-
mit die Nommilitonen nicht gezwungen sind, auf dem
kjausflur vor verschlossener Türe zu warten. Nuch müßte
versucht werden, zu erreichen, daß man nicht zum Lmp-
sangen des Lssens in einem langen Zuge anstehen muß.
Wie an anderen kjochschulen könnten auch hier kjilfs-
kräfte zur vedienung gestellt werden. ver Mittagstisch
würde sich dann viel rascher und noch geordneter ab-
spielen.

Wie bereits im Semesterbericht erwähnt, wünschen wir
!im Nkademischen Nrankenverein die Negut-
achtung von Gesuchen in einer gemeinsamen Nommission-
Sitzung. Vie einfache Unterschriftlegung des studentischen
Mitgliedes wird bisher wohl von keinem wesentlichen
Nusschlag gewesen sein.

Mit diesem umfangreichen Nufgabengebiet unserer
Selbstverwaltung begrüße ich die Nommilitonen im Som-
mersemester 1929 und wünsche, daß sie unserer Nrbeit
vollstes vertrauen schenken mögen. Lin enges vand soll
den Nsta mit der Gesamtftudentenschaft verbinden, indem
ein reger Nustausch von vitten und vorschlägen stattfin-
det. vann wird Uber die Gegensätze zwischen einzelnen
Gruppen oder Freistudent und liorporationsstudent hinaus
echtes Gemeinschaftsgefühl die allseitige Liebe zur Ru-
perto-Tarola und Musenstadt „Nlt-k)eidelberg" krönen.

Meses feuilleton.

von Günther Sawatzki.

Nun kenne ich schon den siebzehnten Studenten, der an
einem Noman über das gegenwärtige ffeidelberg schreibt.
Nuch er war, als er hier ankam, lebensftoh, tatenlustig
und voll reizender Naivität. Gestern traf ich ihn wieder,
schrecklich verändert. Ls ist aus mit ihm. Lr beobachtete
mich und meine Freunde, ob wir wohl geeignete vorlagen
sür Nomanfiguren abgäben. Grüßt seine Nnverwandten,
er ist in den Schatten des vickybaumes geraten. Schreibe-
ritis mit Nomplikationen und liomplexen, von denen ihn
nicht einmal die Nollegs der Zeitungswissenschast heilen
werden.

Wir haben dieses Feuilleton als vorbeuge eingerichtet,
als Llitzableiter für Lqrismen und kjerzschwäche. Ls ist
sozusagen der Nadeteil dieser Zeitung, wo jene, die das
vichten leider nicht unterlassen können, sich vom Trachten
ihrer Nerussarbeit erholen sollen. Wer also einen Noman
über ffeidelberg plant — und wer plant nicht? — lasse
ihn ungeschrieben und begebe sich zu uns untern Strich.
vas ist weniger zeitraubend und alle haben was davon.
Wir kennen zwar schon einige Studenten, die Nurzge-
schichten, kleine Nufsätze, Nezensionen, ja sogar Gedichte
und richtige Gpem schreiben können, aber wir sind vor-
derhand nicht geneigt, unsere persänlichen Freunde für
die einzigen liönner Heidelbergs zu halten. Ls soll sich
keine Nlique bei uns einnisten. — viesen vorsah kann
der Nedakteur aber nur durchführen, wenn sich niemand
von denen, die zu schreiben verstehen, der Mitarbeit ent-
zieht. Ich fürchte, in keiner Iugend noch ist die falsche
Scham so groß gewesen, die gerade das nicht zu tun er-
laubt, was man kann. Geht es nicht vielen so wie Paul
valerq:

»Gout os qni m'ökait fkioils m'stait inäiMrsnt et
prssqus snnsmi. I-a ssusation äs 1'etlort ms semplait
äsvoir strs reolisroböe, st zs ns prisais pss Iss ksur-
eux rösultats gui ns sout qus Iss Iruits natursls äs
nos vsrtus nativss.«?

Zu deutsch: manch einer studiert Medizin, gerade weil
er überzeugt ist, daß er sein Bestes nur in der Literatur-
geschichte leisten könnte. Kber dort, wo er an sich
glaubt, auch leisten müßte, unü davor hat er Nngst.
Lr hat Nngst sich enttäuschen zu müssen und zieht es vor,
in der Sphäre der Möglichkeit spazieren zu gehen. Wahr-
hastig, eine Generation der Umwege! Niemand und sie
selbst am wenigsten kann prophezeien, ob sie sich ihre
Nufgabe nur schwer machen oder ob sie fahnenflüchtig
werden will.

Manche werden hier spöttisch sagen, ein Feuilleton sei
doch noch keine Nngelegenheit, um die man sooiel Pathos
verschwenden müsse? Stimmt. Nber ich spreche nicht von
Feuilleton überhaupt, sondern von gutem Feuilleton.
liurz und gut ist immer schwer. vas Nisiko, das was
man eigentlich sagen wollte zu verfehlen und vom blo-
ßen vergnügen am Schreiben versührt, dafür etwas an-
deres zu sagen, ist nirgends so groß als auf dem be-
schränkten Raum des Feuilletons. „Seinen Gegenstand
gehörig beherrschen und sich vom Leibe zu halten und
sich nur auf das durchaus Notwendige zu konzentrieren,
erfordert ... die liräste eines poetischen Niesen und ist
schwerer als man denkt" (Goethc 1830 zu Lckermann).

Nun, ihr poetischen Niesen heidelbergs, zeigt was ihr
könnt und haltet uns die lileinmeister und Zyklöplein vom
Leibe. wenn ihr höhnisch lächelnd abseits bleibt, ist zu
besürchten, daß gerade solche die Gegend unterm Strich
bevölkern, die nichts können als liaffee trinken und bes-
ser täten Steine zu klopfen.

6otthM ephrolm Lessmg.

Nls kjistoriker pflegt man eine wissenschaftliche Me-
thode zu betreiben, die nichts zu tun haben soll mit un-
mittelbarer Bewunderung oder Nblegung einer vergange-
nen Gestalt aus der modernen Geisteslage heraus. venn
eine solche Gestalt muß oft gerade da in ihr Necht als
einstmals junge Ideenquelle eingesetzt werden, wo der mo-
derne Geist von ihr nicht mehr befruchtet werden kann.
Ist es sür uns nun nötig, auch Lessing derartig historisch
zu entschuldigen, oder hält er Maßstäben stand?

Line unmittelbare Leziehung wie zu Goethes Werk

besteht zwar nicht. Nber die Lrinnerung an ihn

hat dennoch etwas Leglückendes, das unvergänglich scheint
und selbst in den Teilen seines werks erhalten bleibt, in
denen seine Stoffe und Ideen antiquiert, also nur noch der
historischen venkmethode zugänglich sind. So bewundern
wir ihn also jenseits seines Werks einsach in seiner geisti-
gen Lnergie und persönlichen Gröhe? Nun, das ist unge-
heuer viel und die historische Nrbeit wird die öewunderung
nur erhöhen, weil sie dem witzigen und souveränen Geist
auch dahin nachgeht, wo ein ausschließlich modern dressier-
ter Ropf in den Nuinen nicht die göttliche ffand mehr er-
kennt, die mit ihnen gespielt hat.

Lessings wesentlichstes Werk ist dreigeteilt: es sind die
ästhetisch-kritischen und theologischen Schriften und die
Theaterstücke. vie Gedichte, in denen er von der Tände-
lei eines Gellert mühelos erreicht wird, zeigen die un-
persönlichste Seite des persönlichen Geiftes, dafür sind aber
die Lriefe um so wichliger, in denen man, wenn man es
nicht schon in den Werken merkt, das Maß an Leiden,saßt,
das diesen „Rationalisten" eher noch mehr zur ratio, das
heißt hier zu Männlichkeit getrieben hat, als zur Senti-
mentalität. kffstorisch gesehen bedeutet Lessings Werk die
Nbsage an die französische Tradition in Nunst und llunst-
 
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