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k -r.antworll. Schrtsttetter r stud. inr.Richard «cherberger, Heidrlberg. GeschSst-rt««er dei äSIH, Narstallhof 8", Ferasprech. Anschlutz Rr. NL.

RedattionSauSschatz:

Helmut Hammer, Theodor Mutzkat, Watter Schmitt, Lr. Hausgeorg Ächroth, vrrthold Seeger, Surt Blry. Lrch«. Mtarbetterr Srnst vlume.

r r».tt, verlag «ud Anjeigeuauuahmer rruileret «tnter, Heidelberg, Lutherstratze ss. Ferusprecher rsrs. — Die Vbgabe a« die Studterenden der Nniversität
h '.delberg erfolgt unentgettllch. BezugspreiS dnrch de« vuchhandel oder die Post R«.im Semester. - Postscheik-Sonto Rr.llüri Sarlsruhe t« Baden

(Sarl WinterS UniversitStSbuchhaudlung, Abtettuug Drnüerei, Heidelberg).

Protest zum Fall Gumbel.

Unsere alma mater ist wieder einmal der INittelpunkt
weittragender und ernster Auseinandersetzungen geworden.
Ächon seit einigen Tagen herrscht fieberhafte lluftegung in
d,er Universität, alles lauscht, da und dort hört man von be-
ubsichtigten Störungen in der klnfangsvorlesung eines „ge-
wissen" Vozenten. Studenten gehen beim Rektor aus und ein,
und doch ist sür den jungen neu an unsere Universität gekom-
menen Studenten weit und breit nichts zu sehen. va plötzlich
prangen an den plakatsäulen weithin sichtbar die worte
„prioatdozent l)r. Oumbel ao. professor". Und was hat
4as alles zu bedeuten? was ist geschehen, warum wird da-
Kegen protestiert? warum, weil es sich die nationalen Stu-
d-ent«n nicht gefallen lassen, datz an unserer alten deutschen
steidelberger Universität ein Mann, wie vr. Gumbel zum
cio. professor ernannt wird. Ueine Stelle der Universität,
rneder Rektor noch Zakultät wurde beftagt, stillschweigend
h«t man aus Unlatz des Verfassungstages am N. Uugust aus-
g.erechnet einen Mann, der überall, wo es ihm nur irgendwie
möglich ist, sein vaterland in den Lchmutz und Uot zieht,
8eutschen Studenten als Lehrer und Lrzieher vorgeseht. Soll
w der Geist der Jugend und die Liebe zum vaterlande er-
zogen werden? vie heidelberger akademische Jugend hat
«s satt, sich ihre Jdeale mit Zützen treten ;u lassen.

Vies war also das vorspiel, das die Studenten und die
Makademiker Heidelbergs veranlatzt hatte, die protestver-
sammluna gegen herrn vr. Gumbel einzuberusen.

ttNZUgitg« »^..sa^.. stNkiri, Olr Stuothullr, Nrb-i^r,

Aürger und Studenten hatten sich wieder zusammengefundsn,
wie einst beim Richtfest, um gemeinsam gegen die willkür
-es heutigen Sgstems und die Rnebelung der deutschen Jugend
u protestieren. va und dort sah man auch das Gesicht eines
'der des andern vozenten unserer Universität, uns zeigend,
atz selbst sie es nicht billigen können, datz unserer Universität
Ärch die Lrnennung solcher vozenten zum autzerordentlichen
'iofessor aufs gefährlichste verseucht wird.

herr l)r. vogel leitete kurz nach 8 Uhr die versammlung
r.it einem kurzen hinweis auf den Zweck und den bei einer
lchen Regierungszusammensehung vorauszusehenden Grfolg
n. „Nicht ruhen noch rasten wollen wir, um unsere Belange
irchzusehen". vamit übergab er dem ersten Redner des
'oends dem Studenten Seeger-Relbe das Wort.

Gr erklärte u. a., wenn sich heute Studenten und Lürger
'»Idelbergs in einer Zahl von etwa 2000 zu dieser eindruckr-
Uen Rundgebung zusammengefunden baben, um gegen
s Lrnennung des privatdozenten vr. Gumbel zum
tzerordentlichen prosessor zu protestieren, so gelte dieser
rmütige protest nicht allein der person, sondern dem ge-
-mten Sgstem, das sich in dieser Lrnennung wieder einmal
auswirke. ver Name l)r. Gumbcl werde bezeichnenderweise
tberall dort genannt und seine TLtigkeit sei immer da zu spü-
ren, wo handlungen gemeldet würden, die vom grotzen Tsil
des deutschen volks als Landesvenat empfunden würden.
ver Kedner kritisierte hierbei scharf das heutige Gerechtig-
keitsgesühl im juristischen verfahren. Lbenso schlimm wie die
iatsächlichen Rusübungen des volksoerrats sei dessen seelische
Verseuchung, die darin zum klusdruck komme, indem versucht
werde, den Landesverrat ;u verherrlichen, indem ihm noch ein
sistliches Nläntelchen umgehängt werde und ihn mit einem sitt-
iichen Nschl, ja se.gar mit eiirer sittlichen Pslicht auszr-htatten
oersuch«. Zn. üiese.n Sinne drtLtigr sich püvatdozcni l)r.
Gumbel. Vie vh-tossphische ZakultA der Universität heidel-
berg hab ' .nerzeit ein Gutachten über l)r. Gumbel abgege-
adezu vernichtend laute. ver Redner verliest einige
oiesem Gutachten.

orrt heiht es: „Ver Lindruck, den die persön-
ltchteit vr. Gumbels bei den vernehmungen
gewähcte, und den die Lektüre seiner politischen
Schristen bestätigt, ist der einer ausgesprochenen
Demagogennatur. . . . So viel ist aber gewih, datz
seiner politischen Tätigkeit auch nicht der leiseste
Einflutz wissenschaftlicher Tualitäten zu spüren ist.
Vlelmchr ist hier neben einem erheblichen Tief-
Kand des geistigen Niveaus in sachlicher und stili-
chischsr hinsicht ein vollkommener INangel an Gb-
tSkiioität der hervorstechendste Zug. . . . was hier
Wd lmmer wieder zum Kusdruck gelangt, ein ge-
Udszu elementarer Mangel an Takt, ist lehten
Lndes die Grundlage, aus der sich alle einzelnen
Mstötze zwangsläusig ergeben. . . . Selbst auf dem
debieie des moralischen Urteils war ein ganz ent«
'prcchender Nlangel an Lmpfindung für atte feine«
en Disferenzierungen aufsaklend. Somit ist nicbt
tz erwarten, datz er wenigstens in Zukunst die I

Grenzen innehalten wird, die durch die Rücksicht
auf seine Stellung als hochschullehrer und Mit-
glied der akademischen Rorporation gezogen sein
sollte. . . . Und es ist ;u befürchten, datz er dabei
so wenig wie bisher imstande sein wird, auch nur
diejenigen Gesühle zu achten, die den weitaus
überwiegenden Teil der IRitglieder der akademi-
schen Uorporation beseelen und die unabhängig
von parteizugehörigkeit und sozialer Stellung
einen grotzen und wesentlichen Teil des deutschen
volkes verbinden. . . . Jn seiner Unsähigkeit, klug
bei der Sache zu bleiben, in seiner Zreude an einer
rhetorischen Leistung, an einer Situation, die ihn
intellektuell in günstigem Licht erscheinen lätzt,
wirkt er kindlich. INan sieht in seiner politischen
Setätigung das tgpische Ganze aus Zdse, anmah-
lichem Selbstbewutztsein, persönlicher Rffektivität
(Ressentiment, hah), Sensationslust und vemago-
gie. . . . Rus den Zrieden der Universität Rücksicht
zu nehmen, sich still;u verhalten, angesichts eines
verbreiteten Unwillens, provokationen zu vermei-
den, das liegt seinem Gedanken selbst als problem
sern."

vas Gutachten sährt dann fort: „Zasse ich zusammen,
so sehe ich in Gumbels persönlichksit zwar nichts
Gemeines, aber eine Neigung zu ungewöhnlicher

Lüge, aber unbekümmerte, unbesonnene Rück-
sichtslosigkeit, die in politischem Üamps und im
praktischen Leben die vinge unkritisch verschiebt.
Kuf Grund diefer Schilderungen und ihrer eigenen
Leobachtungen sieht sich die Zakultät genötigt,
auszusprechen, datz ihr die Zugehörigkeit l)r.
Gumbels zu ihr als durchaus unerfreulich erscheint".

Lr fährt nun fort, datz es bedauerlich sei, dah man vr.
Gumbel die Lehrtätigkeit nicht entzogen habe. vie haupt-
schuldigen in dieser Lrüskierung der gesamten nationalen
veutschen seien diejenigen, die sich schon bei der bekannten
Richtfestangelegenheit unsterblich blamiert und in den Rnna-
len der deutschen Studentengeschichte ein wenig rühmliches
Denkmal gesetzt hätten. veshalb erwarteten die heidelbergsr
Bürger und die Studentenschast, datz von der badischen Regie-
rung ungesäumt für Rbhilfe in der Rngelegenheit Gumbel
gesorgt werde. Sie erhoffen von der Philosophischen Zakultät
der Universität, von der Nlehrzahl der professoren, mit denen
sich die Studentenschaft als nationale veutsche eins wisse, datz
sie alle ihnen möglichen Schritte unternehmen würden, die
geeignet seien, diese den Ruf von Stadt und Universität heidel-
berg schädigende Lrnennung rückgängig zu machen.

" ver zweite Redner, der Student Bledow richtete sich in
äuherst scharfen worten gegen die Lrnennung l)r. Gumbels
zum ao. professor,- seine Rede wurde häufig durch minuten-
langen Leifall unterbrochen. ver Redner ging aus von der
Lxisten; und dem Zortleben eines Staates und ftägt sich in
diesem Zusammenhang, wie das überhaupt bei unserem heuti-
gen Staatssgstem möglich wäre» da der Staat.seW üie juuge
Generation sgstemotisch dem nation 'leu widerstandsgsdanken
entsrenrdet. Zm Lichte dicscc Grundgeüaicken beleuchtet er d^n
Zall Gumbcl bald von dcr Seit« dcs Str.atsbürgers, bold von
der Seite des Studentcn, und nicht zulctzt von dsr Seite d«sr
Universität. Linige treffende SLHe aus dem Eutachten dgr
Philosophischsn Zakultät, die schon in der Rede von Seeger-
Relbs erwähnt wurden, rückte nochmals den „Wissenschastler"
und vozenten l)r. Gumbel in den Rreis unserer Rufmerksam-
keit.

Ein Gutachten vom 1«. Mai 1S25 stellt also fest, datz
„neben einem erhebliche« Tiefstand deS geistigen
Riveaus in sachlicher und stilistischer Hinsicht auch
nicht der leiseste Sinflutz wissenfchaftticher Qua "
z« spüren sei".

vie vemagogennatur Gumbels „von erheblichem TiefMß
geistigen Niveaus" wird also sür würdig befunden, der deutso
akademischen Zugend als Lehrer und Lrzieher vorgesetzt ;u
werden. ver Redner sährt nun weiter: Noch beschamender
aber ist es, datz ein Lehrer der deutschen hochschule Rriegsdienst-
verweigerer ist. Sie haben soeben die Lharakterstarken und
die Schmähungen über die deutschen Zrontkämpfer von diesem
herrn Gumbel gehört. Grundsätzlich haben wir als vertreter
der jungen Generation folgendes dazu zu erklären: Zedes
Lebewssen in der Natur, jeder Nlensch im einzelnen und genau
o, jedes Volk aus der Lrde rnutz sich seine Lxistenz erkämpfen.

eines Staates, diese Lrkenntnis dem volke immer wieder;u
vermitteln und dann — die praktischen Zolgerungen daraur zu
ziehen. vie praktischen Zolgerungen führt er im weiteren
verlauf seiner Rede an. Lr will Schutz für das eigene volk,
um sich gegen den Selbsterhaltungstrieb der andern völker ;u
behaupten. Garantie für Lebensraum und Rrbeit uns
volksgenossen kann nur die wehrmacht sein. Seine Sutz
trefftichen worte möchte ich hier zitieren:

„vie allgemeine Wehrpflicht ist nicht mili-
taristisch oder imperialistisch, sondern die all«
gemeine wehrpflicht ist der höchste Rusdruck
des Sozialismus".

Staat und Schule ist verpflichtet, diese Lrkenntnis dem
volke in jeder Zorm zu vermitteln. LrziehungderJugend,
Schule, Universität darf nicht als Selbstzweck los-
gelöst von der nationalen Gemeinschaft des volkes
betrachtet werden. professoren und Lehrer dürfen ihren
Leruf nicht nur als Lroterwerb auffassen, sondern sie haben
auch die verantwortliche Rufgabe die Lrziehung und Lrtüch-
tigung der Zugend. ver Redner sieht in dem heutigen Sr-stem
nur einen ausschiietzlichen Selbstzweck, der leider sich auch hier

wieder deutlich bestätigt hat.
trachtet, ^
autz

hier

Nur von dieser Warte aus be-
t. datz » Gu.noel
vie Seutsche Zugend

di« heutigen Nlachthaber fühlen sich in ihrer Lxisten; bedroht,
sobald die deutsche Zugend erkannt hat, dah gerade deren
vasein das ungeheure Llend veutschlands bedingt hak. V«L»
halb gerade geht der Rampf des heutigen Staates gsgen einen
gesund-empftndenden deutschen Geist auf der hochschuls.
Streifend erwähnt der Redner die beschämenden vorfälle am
28. Juni vorigen Zahres, als in Berlin die „Zörgiebel-Polizei
deutsche Studenten, die gegen den Schandvertrag von ver-
sailles protestierten, zusammenschlug und diese deutschs

niemals hat ein gütiger Lchicksal der Zreiheit und Un
fähigkeit vorschub geleistet. Gs ist daher die höchste Susgabe

Für das kommende

MitersMster 1938/31.

Oie Zolge der Nummern des „heidelber-
gerStudent" imWintersemester I930/3l wird
sich hauptsächlich mit dem problem

„Ae M»WtW I>« IMlle".

beschäftigen.

Zm einzelnen:

1. vie hochschule als 5tätte roissenschaft-
licher Zorschung und Berufsvorbildung.

2. vie juristische 5tellung der hochschule.
hochschule und 5taat.

hochschule und 5tudentenschaft.

3. vie hochschule als Zaktor der Gemein-
schastsbildung.

4. Vie studentische 5elbstverwaltung im
Nsta, in den Nmtern, Zachschaften und

. 5tudentenschasten.

Nach der oben angeführten Reihenfolge
werden diese Zragen jeweils das hauptthema
des „heidelberger 5tudent" sein.

wir bitten die Nommilitoninnen und
Nommilitonen sich mit diesem heute so viel
besprochenen problem eingehend zu beschäf-
tigen, um den „heidelberger 51udent" mit
gut ausgearbeiteten Nrtikeln im Winter-
5emester unterstützen zu kännen.

vieSchris
 
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