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Lommer-Semester 1930 (68. Halbjahr)

Heidelberg, 19. Mai 1930 / Nr. 1

der

Kei-elberaerStu-ent

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l.c>ckäklstkbl 87UvkN7ky-äU88eNU88

Berantwortl. Schristleiter: stud. i«r.Richard Scherberger, Heidelberg. GeschSstszimmer des >181^, Marstallhos S», Fernsprech - Anschlutz Rr. 925.

Redattionsausschutz:

Dr.HansaeoraTchroth, PeterPaulSchwarz,WalterSchmitt, WeruerKleen, BertholdSeeger, MartinHSrz. Techn.Mitarbeiter: JoachimMitzlass,ErnstBl«me.
Druck Berlaa «nd Ameiaenannahme: Druüerei Winter, Heidelberg, Lutherstratze 55, Fernsprecher 2985. — Die Abgabe an die Stndierenden der Universität
Heidelberg erfolgt unentgeltlich. Bezngspreis durch den Buchhandel oder die Post RM. 3.- im Semester. — Postscheck-Konto Rr. 11521 Karlsruhe in Baden
Vk,o«okrg rr,mgr » u, * (Carl Winters UniversitLtsbnchhandlung. «bteilnng Druüerei, Heidelberg).

vem Nmmri» Lemertei!

ven Stteren Lemertem!

^Uen, äie sick irn 8ommer-8ernester in unserer lleiäelderger iruperto-carola
eingekunäen daden, xilt deute unser 6ruÜ. Nokken vir, äaü im Icommenäen 8emester,
gestLrlct unä neudeledt äurcd äas vorurteilslose venlcen unserer jungen Lommili-
toninnen unä Xommilitonen, ein einixenäes Lsnä uns alle rusammendalten möge in
äem Sestreden, eine verstänäige ^stapolitilc ru detreiden unä idre 8e1dstveriva1tunx
stets in stsrlrer ?üdrunx ru^dslte». Linix unä verstsnäix sei äss dosungswort unä
äsmit vünscden wir ein krodes 8ommersemester.

Oie 8cdrittleitung.

StudenLische AMvitäL.

vr. hansgeorg Schroth.

vie verschiedenen heidelberger Kstagruppen und einige
politische Gruppsn haben im heidelberger hochschulkalender
für das Sommersemester 1920 ihr hochschulpolitisches und hoch-
schulresormisches programm entwickelt. Aus diesen Äutzerun-
gen geht deutlich hervor, daß der Mlle zu studentischer Mivität
lebendig ist, und datz jeder, der neu;ur Universität heidelberg
kommt, sich gefatzt machen mutz auf ein lebhaftes In-Erschei-
nung-treten üer Studentenschaft. Sesonders aber im hinblick
aus die in jedem Sommersemester stattfindenden wahlen zum
Mlgemeinen Studentenausschutz. Was auf alle Zälle vermie-
den werden muß, ist die in studentischen Rreisen ost bekannte
Gleichgültigkeit den Zragen der hochschule und der Studenten-
schast gegenüber. Vas Urteil, und manche einzelnen Lrlebnisse,
die dieses noch verstärken mögen, nämlich datz eine Studenten-
schast nicht nur keine Aufgaben habe, sondern auch niemals
irgendwelche bewältigen könne, ist kein ungetrübtes Urteil.
In vielen Zällen kann man wohl leicht den Nachweis führen,
datz die deutsche Studentenschast versagt hat. Sie hat auch
versagt, in sehr vielen Zällen sogar gründlich. Nber all das gibt
weder das Recht zur Resignation noch das des bewutzten Bei-
seitestehens ohne Verantwortlichkeit;u fühlen. Sich nicht ent-
scheiden wollen ist immer Zlucht, nicht Stellung nehmen zu
müssen bequem. vas aber kann nicht Sache junger INenschen
sein. vielmehr wird schärfste Mivität gefordert und Lnt-
scheidung darüber, was aus unseren hochschulen werden soll,
welches ihre Bedeutung ist, welches ihre Stellung im Staate.
Um was geht der Rampf an den deutschen hochschulen und
in heidelberg? ver Rampf an den hochschulen ist ein doppel-
ter; beide Teile stehen in einem bestimmten Zusammenhang
miteinander. Lr ist ein allgemein politischer und er ist ein
speziell hochschulreformerischer. Nicht geht es um die politi-
sierung der hochschule als der Stätte wissenschaftlicher §or-
schung und Lehre. Beide werden in ihrer Zreiheit anerkannt.
N)ohl aber geht es um die politische Bildung der Studenten-
schast und der Dozentenschast und erst in ihrem Gefolge um
bestimmte Zorderungen der Gestaltung der hochschule aus
polittsch-sozialen Nlotiven, wie ;. B. die erneute Zorderung
nach Selbstverwaltung, die Zorderungen nach der Gebühren-
stastelung, die sachlichen Lrleichterungen der Bedingungen,
zu einem Studium zugelassen ;u werden und anderes mehr.
Viese an sich sachlichen Zorderungen können nur in ihrem poli-
ttschen Zusammenhang begristen werden und sehen je nach der
parteirichtung verschieden aus.

In erster Linie ist der Ramps an der hochschuls ein Ramps
der polittschen Mivierung der Studentenschast. Ver Studie-
rende ist heute zum grötzten Teil politisch-patteimätzig fest-
gelegt und kennt die Znteressen seiner beruflichen Rusbildung
an der hochschule nur aks notwendige im hinblick auf seine Le-
rufsaussichten an. Jhm genügt das aber nicht. Lr ist allein
schon durch die Zeit, aber auch durch die Traditionen in der
Studentenschaft eingespannt in besttmmte politische VerhAt-
nisse, die heute sehr stark attimert sind. So ist sein vassin an
der hochschule ein geteiltes: Lr ist ebenso sehr zur Schulung
auf der hochschule wie als vettreter seiner polittschen pattei,
abgesehen von dem Teil der Studentenschaft, der diesen vingen
gleichgültig gegenübersteht, aber doch immer mehr zur Stel-
lungnahme gezwungen wird. INan spricht dementsprechend
heute schon weniger vom Studierenden der Rechtswissenschast,

der Medizin usw., sondern vom nationalsozialistischen, vom
sozialistischen und k^.nnunisttschen Studierendsn. Ls ist hier
nicht die Aufgabe, dazu Stellung zu nehmen, ob diese Lntwick-
lung eine gute, eine erwünschte ist oder nicht, sie ist einfach
Tatsache, und der neue Studierende mutz sich dies klar machen.
Aus dieser Situation der lebhastesten Teilnahme der Studieren-
den am politischen Gegenwartsleben erklärt sich auch die hal-
tung der Studentenschaft den sachlichen Aufgaben der hoch-
schule gegenüber. Nlan kann hier nur dem Eindruck ein Vort
verleihen, den man bei nüchterner Betrachtung haben mutz:
ist ein Studierender attiv tätig, so ist er es viel weniger und mit
geringerem Znteresse und mit mangelnder Jntensität den
eigentlichen Aufgaben der hochschule gegenüber. vie politische
Mivität ist die stärkere. Und doch liegen die verhältnisse so,
datz es umgekehrt sein mützte, ohne dadurch der politischen
Mivität zu schaden. Gerade die Art des politischen verhaltens
der Studentenschast zeigt, datz dies nicht richtig ist. venn im
allgemeinen kann es sich für den Studenten nicht darum han-
deln, wenn er als Glied einer Studentenschaft in Lrscheinung
ttitt, datz er offiziell zu einem politischen problem der Gegen-
wart Stellung nimmt, und datz ;. B. eine Studentenschaft als
Ganzes üen Houngplan verwirst. vies ist nicht Aufgabe einer
Studentenschast als solcher, sondern das sind Stellungnahmen
polittscher Gruppen, denen wohl der Studsnt angehören wird,
die aber von sich aus, die in ihr teilnehmenden Studierenden
einschlietzend, die jeweiligen Stellungen vertreten. hier ist also
durch die Lntwicklung der Veutschen Studentenschaft eine ver-
schiebung der studentischen Zunktionen eingetreten, die nur
zu bedauern ist. Niemals soll damit gesagt werden, daß der
einzelne Student an der hochschule nicht für seine polittschen
und sozialen Überzeugungen werben, stch mit polittsch Anders-
denkenden auseinandersetzen soll, auch nicht Aufgaben des
Grenzlandamtes und des Amtes für politische Bildung ver-
schwinden sollen, sondern sie sind zu führen im akademischen
Rahmen. V. h. sie sind im Sinne sachlicher Bildung ;u leisten
und müssen das Znteresse der Gesamtheit im Auge behalten
und sich einfügen in die Drdnungen der hochschule.

In diesem Sinne gilt es also zu allererst eine veutsche Stu-
dentenschast neu aufzubauen. vann aber mutz eine solche
Studentenschast daran gehen, die sachlichen und fachlichen
Aufgaben, die z. T. mehr als S Iahre verlasfen sind, wieder
aufzunehmen. lvas einst die alte Veutsche Studentenschast
auf ihrem Innsbrucker Studententag als Aufgaben sich vor-
genommen hat, ist noch nicht durchgeführt und ist ttotzdem so
wichttg heute wie dazumal. Line veutsche Studentenschast
kann es nur auf diesem Boden wieder geben, nicht aber aus
der Summe studenttscher parteiteile, nicht in besonderen
studentischen parlamenten, die nichtstudentische Kragen be-
handeln und als nichts anderes anzusehen sind als pattei-
erweiterungen auf dem Gebiet der hochschule. Lrauchen die
patteien Zunktionäre, so müssen diese in eigenen Grgani-
sattonen erzogen werüen, nicht durch die Studentenschaft als
solche.

Nur in der reinlichen Trennung der Zunttionen kann die
Voraussetzung zu einer Neubildung einer deutschen Studenten-
schaft geschaffen werden. veshalb müssen rasse- und andere
politische Zragen, wie die der Weltanschauung und des Le-
kenntnisses ak allein entscheidende Bestimmungen studenten-

Sornrnersernester 1930.

wenn wir zurückblicken in die oergangenen Semester und
uns ftagen, was einer reibungslosen Arbeit im Interesse der
Gesamtstudentenschast bisher in vielen Zällen entgegengestan-
den hat, so müssen wir feststellen, daß es im wesentlichen die
hineinttagung staatspolitischer und patteipolitischer Gegen-
sätze in die Beratungen des Asta gewesen ist. vieser vorgang
erklärt sich leicht durch die Anlehnung der meisten Studenten-
gruppen an bestimmte parteien, politische Gemeinschasten
und dergleichen Grganisationen mehr. vie vergangenen
Semester haben bewiesen, datz weder der studenttschen Ge-/
meinschastsarbeit, noch den erwähnten parteipolitischen unv
anderen Grganisattonen ein vienst damit erwiesen worden ist.

Ivenn ich im heidelberger Universitäts-Ralender für eine
„politisierung der Studentenschast bis zum Autzersten" einge-
tteten bin, so ging ich alkein vom staatspolitischen Gesichtspunst
aus, von dem aus man unbedingt ernste Leschästigung mit
den politischen problemen -er Vergangenheit, Gegenwatt und
Zukunft und gegebenenfalls auch politisch verantwortliches
handeln jedes einzelnen Staatsbürgers fordern mutz. Ich
möchte jedoch keinesfalls mißverstanden werden und üemgemätz
feststellen, datz ich ein unbedingter Gegner jeder politisierung
des Asta bin!

vas Aufweisen von Mtzständen der vergangenheit genügt
jedoch keineswegs. Jede Rritik soll positiv sein. Ich möchte
deshalb für die Arbeit im Sommersemester vor allem eins vor-
schlagen: Iede Gruppe möge es unterlassen, Anträge im Asta
zu bringen, die wegen ihres politischen Lharatters von vorn-
herein auf widerstand stotzen müssen. Iede Gruppe möge be-
denken, datz nicht persönliche Gegensätze das wesentliche sein
sollen, ftmdern die gemeinschastliche Arveit. Alle vertreter der
Studentenschast wissen, datz fast ausnahmslos Linsttmmigkeit
herrscht, wenn über die verbesserung akademischer Linrichtun-
gen und dergleichen beraten wird>pläne und I-een solcher
Art gibt es auch in diesem Semester übergenug zu fördem und
auszuführen. Ls sei nur an eine Lrweiterung der Nompetenzen
des Asta, an den Bau -es Studentenhauses und an verbesserung
des Spottbettiebes erinnett. Gerade im Sommersemester, in
dem die Astawahlen stattftnden, ist es notwendig, daran;u
erinnem, datz nicht weitgehende Anträge, üie doch nicht durch-
gesühtt werden können, wesentlich sind, sondem das, was
prattisch erreicht wird.

In diesem Sinne möge im neuen Semester im Asta gear-
beitet werden.

Betont das Gemeinsame und stellt das Trennende zurück!

Bernhard Seeger-Nelbe.

Thema der nächsten Nummer

StllilelltlllliiSIM

Die Schriftleitung
hofft für das vorgenannte Thema
aus der Studentenschaft reichlich Beiträge
zu erhalten.

schaftlichen handelns ausgeschlossen werden. Nur so hat eine
Studentenschaftsorganisation als Ganzes vaseinsberechttgung.
will man polittschen Nampf, so führe man ihn osten, nicht
unter der Zlagge einer Studentenschast als Ganzes. Vas
gehött zum polittschen ksir play.

In diesem Sinne wird der polittsche Nampf auch in heidel-
berg weitergefochten werüen. Ls ist Aufgabe jedes einzelnen,
sich zu entscheiden. Lahme und halbe können wir nicht dulden.
Aber wir verlangen gegenseittge Achtung, akademisches ver-
halten und auch polittsche Anständigkeit. Was die deutschen
hochschulen in den letzten beiden Semestem gezeigt haben,
gehött zum dunkelsten in ihrer Geschichte. Auch.heidelberg
wurde nicht verschont. Ls wird sich beim wahlkampf zeigen,
ob die Studentenschast fähig sein wird, Zormen ihres INacht-
kampfes ;u finden, die man als anständig bezeichnen kann.

vas sind die nächsten Aufgaben der heidelberger Studen-
tenschaft. vie einzelnen Zragen finden allxr«ttstthreLehand-
lung, so daß sich ein jeder orientieren kcu^^echemchvsrmicht
das Ganze der deutschen hochschule b^Are GWltung.kann

lk geleistet

nur in der verantwortung vor
werden.
 
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