Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
«eite 4«

Der Heidelberger Ttudent

W..T. 1SS0M. «r.«

Hochschulnachrichten.

BmA Ner i»ie ZwWeOlle m den Wlener SMlAlev
RlWlli i>er StuiielitelilAstswllkilen.

v. St. Jn der ersten Zebruarwoche finden an allen
lviener hochschulen die Wahlen zu den kammern der Oeut-
schen Studentenschaft statt, und zwar zum erstemnal nach Lrlatz
des Studentenrechtes an der wiener Universität. ünlätzlich
dieser wahlen hat nicht nur in der östcrreichischen, sondern
auch in der reichsdeutschen, linksgerichteten Presse ein grotzer
Zeldzug gegen die angeblich „völkisch-klerikale Studentenschaft"
begonnen. wie die Stellung der österreichischen Studenten-
schaften zu den hochschulbehörden ist, mag zunächst nach-
stehender klufruf der wiener Rektoren zeigen:

Die

Wiener Rektoren zu den Karnmerwahlen.

Zum ersten wale geht dic veutsche Studentenschaft der
Wiener Universität auf Grund der vom akademischen Senate
am 20. März I9Z0 beschlossenen Studentenordnung daran,
ihre vertreter ;u wählen. Gleichzeitig wählen auch die veut-
chen Studentenschaften der übrigen wiener hochschulen ihre
vertretung. ver Rreis der Rechte und pflichten studentischer
Selbstverwaltung, der nunmehr an allen wiener hochschulen
der veutschen Studentenschaft obliegt, macht es zur gebieteri-
schen pflicht jedes einzelnen deutschen Studierenden, sein
wahlrecht auszuüben, damit die neugewählte vertretung der
veutschen Studentenschaft in vertrauensvoller Zusammen-
arbeit mit den akademischcn Vehörden ihrer klufgabe an allen
wiener hcchschulen gerecht werden lann.

Wien, im Zanuar 1921.

gez. Uebersberger gez. Zung

Rektor der Universität. Rektor d. Techn. hochschule.

gez. Glbrich gez. Schwarz

Rektor d. bochschule f. Boden- Rektor d. Tierärztl. hochschule.
kultur.

gez. Beutel

Rektor der hochschule für welthandel.

vie Linksparteien haben — sicherlich im hinblick auf die
studentischcn wahlen — im österreichischen parlament eine
klnfrage wegen der gesetzlichen Grundlage des Stu-
dentenrechtes an der Universität eingebracht. ver Unter-
richtsminister Lzerwak gab ihnen eine Rntwort, die an Rlar-
heit nichts zu wünschen übrig lätzt:

„... dte Bildung dieser Studentenschaften ist wohl
dcr Ansdruü des unter der Hochschuljugend des ganzen
deutschen Kulturgebietes seit der grotzen politischen Um-
wälzung merkbaren Strebeus nach einer gewissen Zu-
sammenfassung zwecks Mitwirkung an der akademischen
Selbstverwaltung und Betreuuug gewisser wirtschaft-
licher und fürsorglicher studcntischer Jnteressen. vie
Lntwicklung dieser Grganisationen hat eine solche Bedeu-
tung erlangt, datz die akademischen Behörden, insbesondere
der wiener Universität als der hochschule mit der grötzten
hörerzahl, nicht umhin konnten, zur geordneten Gestaltung
der damitzusammenhängenden verhältnisse und ihrer Uus-
wirkungen auf dem innerakademischen Lereich regelnd ein-
zugreifen. Vie diesbezüglichen, vom akademischen
Senat erlassenen vorschriften stellen sich als Rus-
fluh einer Grdnungs- und visziplinargewalt auf
akademischein Boden dar, deren verantwortungs-
bewutzte handhabung nicht nur die Uhndung individueller
Grdnungsverletzungen, sonüern auch die vorbeugende
organisatorische Regelung oon innerakademischen Bewe-
gungen und Vestrebungen zur Pflicht macht, die sonst ;u
Grdnungsstörungen führen könnten.

Es handelt sich sonach bei der sog. Studcntenordnung
der Nniversität Wien um einereininnerakademischc,
in den Eigenberetch der akademijchen Behör-
den fallende Matznahme, die der obersten
Unterrichtsverwaltung keinen Anlatz zur Stel-
luugnahme ihrerseits bietet, insolange sie sich auf
das innerakademische Gebiet beschränkt und sich, wie üies
bisher der Zall war, mit den bestehenden Gesetzen und vor-
schriften vereinbaren lätzt."

Während die überwiegende Nlehrheit der Studierenden,
soweit sie deutscher volkszugehörigkeit ist, in der veutschen
Studentenschaft zusammengesatzt sind (im vergangenen Som--
mer-Semester zahlten ungefähr 7000 von8Z00 deutschenhörern
ihre Leiträge), haben sich die zahlenmähig unbedeutenden
deutsch-Lemokratischen hochschüler und der verband der sozia-

listischen Studenten und Rkademiker, der nach seiner eigenen
ringabe insgesamt ca. 2000 Nkitglieder umfatzt, in schärfsten
Gegensatz zur veutschen Studentenschaft gestellt. Rnlählich
der Wahlen wollten die Sozialistcn nun ein Plakat mit der
Ausforderung zur Wahlcnthaltung in der Universität
anbringen, doch wurde dies vom Rektorat verboten. vas
plakat hatte folgenden wortlaut:

„Reine Stimme den Rlerikalen, den veutschnationalen, den
Nationalsozialisten!

wahlenthaltung üben alle Ltudentcn, die protestieren gegen
den Studentenrechtsunfug der Nassenspintijierer an den Wiener
kzochschulen,

gegen die vertretung der gesamten Studentenschaft durch eine
private klerikal-deutch-völkisch-nationalsozialistischevereinskoalition,
gegen die Versklavung der Kkademiker durch das Unternehmer-
kapital,

gegen die klrbeiterfeindlichkeit der veutschen Ltudentenschaft,
gcgen die bettlermätzige Lehandlung der Studenten durch
private Zürsorge,

gegen die Unterstühung der reichsdeutschen republikfeindlichen
Uumpskörperschast der veutschen Studentenschaft mit österreichi-
schen Studentengeldern!

Ulle Studenten die eintreten

sür eine dsm Kortschritt der Zeit angepatzte grundlegende
lsochschulreform und Underung der olten Studien- und Prüfungs-
ordnung,

für die oolle Unentgeltlichkeit des hochschulstudiums,
für den Uusbau der wissenschaftlichen Znstitute, der Liblio-
theken, der Laboratorien und der werkstätten,
für staatliche Ltudentenstiftungen und Studentenhäuser,
für die Grganisierung der Studenten des ganzen deutschen
Sprachgebietes und für den Zusammenhang des deutschen Uka-
üemikers mit seinem volke, daher für eine allgemeine gesetzlich
anerkannte Studentenoertretung,

üben wahlenthaltung bei den Uammerwahlen der veutschen
Studentenschaft.

vie Sozialistische Ltudentenschast."

Rm 2. Zebruar morgens waren diese vom Rektorat zum
Knschlag nicht zugelassenen plakate auf Rnschlagtafeln auf der
Stratze angebracht, welche das sozialdemokratisch-städtische
plakatierungsunternehmen „wipag" eigens zu diesem Zwecke
vor dem hauptgebäude der Universität, vor der Technischen
hochschule, und vor mehreren Universitäts-Znstituten errichtet
hatte. viese Tatsache, sowie der Umstand, datz die Sozialisten
den Rampf um rein innerakademische Ungelegenheiten in einer
derartigen Zorm auf die Stratze verlegt hatten, führte zu einer
überaus starken Lrregung unter der deutschen hörerschaft. Ls
sammelten sich auf der Rampe der UniversitLt viele Studenten
an, einzelne Gruppen überstrichen die sozialistischen plakate
und brachten Wahlaufrufe der Veutschen Studentenschaft an,
doch traf bald eine wache ein, die dies verhinderte. hierauf
wurden die sozialistischen plakate mit Tintensässern bombar-
diert und mit Teer übergossen, bis endlich die wache jeden
einzelnen Uandelaber mit einem Uordon umgab. von der
Rampe herab versuchten die Ungesammelten immer wieder,
den Rordon zu durchbrechen und;u den plakaten ;u gelangen,
was von der Wache — mehrfach unter rücksichtsloser
klnwendung des Gummiknüppels — verhindert wurde.
Uutzerdem wurden sozialistische Zlugzettelverteiler von der
Rampe abgedrängt. Oie Sozialisten, die sich vor dem Gebäude
ansammelten, wurden von der wache ebenfalls umzingelt, so
datz es nur;u einzelnen kleineren prügeleien kam. Ver Rektor
der Universität, prof. l)r. Uebersberger, veröffentlichte
mittags folgende

Kundrnachung an dle Studierenden.

veutsche Studierende! vie sozialistischen Studenten haben
auf dem Bürgersteig vor den Tingängen zur Universität plakate
betr. die Wahlen in die Rammer der veutschen Studenten-
schaft anschlagen lassen, deren Unbringung im Bereiche der
Universität ich mit Rücksicht auf den die akademischen Behörden
schwer beleidigenden und die grotze Mehrheit der Studieren-
den der Universität unerhört provozlerenden Jnhalt ver-
boten habe.

Ich richte an die deutschen Studierenden der Universität
den klpell, sich durch dieses betspiellos provozierende Bor-
gehen der sozialistischen Studierenden nicht zu handlungen
hinreitzen zu lassen, die letzten Tndes den ruhigen verlauf der
wahlen in die Rammer der veutschen Studentenschast ge-
fährden könnten.

Jch bin cntschlossen. mit allen mir zu Gebote stehenden
Mitteln dafür Sorge zu tragen, datz die Wahlen ordnungS-
gemätz durchgeführt werden können.

Ver Rektor der Universität
gez. Uebersberger.

Zn der Universität kam es kaum zu Zwischenfällen. vas
haus blieb geöffnet und der Studienbetrieb wickelte sich normal
ab. — kln der Technischen hochschule kam es zu grötzeren Un-
ruhen. vort wurden zunächst die genannten Unschläge ver-
nichtet, sodann die ebenfalls auf der Stratze befindliche Lln-
schlagssäule der Sozialisten umgelegt, in die Uula getragen
dort zertrümmert und die Trümmer hierauf im hofe ver-
brannt.

klm vienstag, üen Z. d. Nk., wiederholtcn sich die Rund-
gebungen an der Universitüt. Vie klnschlagrkästen der Sozia-
listen wurden ai s dem Gebäude entfernt und auf der Rampe
zertrümmert. Zwischen einem Zug von hörern der Tech-
nischen hochschule und den gegenüber der Universität ange-
sammelten Sozialisten und Urbeitslosen kam es zu einer plän-
kelei, die bald beendet wurde. kluch an diesem Tage blieb der
Lehrbetrieb uneingeschränkt aufrecht erhalten. vas Rektorat
veröffentlichte abends folgende Rundmachung:

„Unverantwortliche Tlemente haben heute
nach der vollkommen ruhig verlausenen ver-
sammlung der veutschen Studentenschaft in der
Rula mehrere Rnschlagskästen verschiedener ver-
eine von den wänden herabgerissen und zer-
trümmert. Jch spreche den Schuldtragenden
meine schärfste Nkitzbilligung aus.

Glcichzeitig stelle ich mit Genugtuung fest, datz dte
Führer dcr Deutschen Studentenschast aufrichtig bemüht
waren, diese Gcwaltakte zu verhindern.

Ich ersuche die veutsche Studentenschaft, trotz der prü-
vokationen seitens ihrer Gegner und troh entstellender
Darstellungcn der Borsälle in einem Teil der Tages-
presse, Ruhe und Besonnenheit zu wahren. — Nur so wird
es gelingen, den ruhigen, ungestörten verlauf der Wahlen
in die Rammer der veutschen Studentenschaft;u sichern
und den Nusbau der vom Nkademischen Senate beschlos-
senen Studentenordnung zu ermöglichen.

Ver Rektor der Universität
gez. Uebersberger.

Zn noch kleinerem Nlatze wiederholten sich die Rund-
gebungen auch am Mttwoch, den 4. d. Nk. Um 11 Uhr ver-
anstaltete die veutsche Studentenschaft eine versammlung in
der Nula der Universität, in der der Rektor Uebersberger und
der Sprecher der Studentenschaft Schinnerer das Wort er-

Besucht das Schauturnen des Sportamtes
der „DeutscheuStudcntelischast Heidelberg"
21. Februar 1931.

griffen. ver Rektor verurteilte die provokationen der Sozia-
listen und die Nusschreitungen gleicherweise und ersuchte die
hörerschaft, sich fernerhin nicht herausfordern zu lassen, sondern
im Znteresse der hochschule und des ungestörten verlaufes
der wahlen Besonnenheit und vornehme Nkätzigung;u zeigen.
Zm gleichen Sinne sprach der Sprecher der Ltudentenschaft.
Nkittags waren die Rundgebungen beendet, die Ruhe an der
hochschule selbst wurde auch an diesem Tage nicht gestört. Nm
5. d. Nk. begannen die Wahlen.

Wahlergebniffe.

vie wahlen zur Rammer der Studentenschaft
an der hochschule für Bodenkultur in wien hatten
solgendes Ergebnis:

Nationalsozialistische Studenten . . . 191 Stimmen lO Sitze
Ratholisch-deutsche hochschülerschaft. . 78 „ 5 „

Ls waren nur diese beiden Listen eingereicht.

Bei den wahlen vor einem Zahre hatte die Veutsch-völkische
Linheitsliste 10 Nkandate erhalten (darunter 2 Nationalsozia-
listen) und die Ratholisch-deutsche Liste 5.

vie wahlbeteiligung betrug in diesem Zahre 79,5°/>.
Gießen. vie wahlen zum Asta in Gietzen hatten
folgendes Lrgebnis: i

Nationalsozialistischer veutscher Stu-

dentenbund.715Stimmen I4Sihe

(im vorjahre 9)

Grotzdeutsche Studenten.461 „ 8 „

(im vorjahre 1Z)

Liste der Republikaner .1Z6 „ 5 „

(im vorjahre 4)

Gesamt abgegebene Stimmen 1Z57.

vie Wahlbeteiligung betrug 80^ gegen 62^ im vor-
jahre.

/Veuell^er'me/' 71/llsr^aus

/^F. //. /^er'/re^

älle, an diurlle vo > äer elntscksten dtunätisrmonlk» dl» rum
vertvollsten Stclnv/sy-blllgcl._
 
Annotationen