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Heidelberger Volksblatt (18) — 1885

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Nr. 38 - Nr. 49 (1. April - 29. April)
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18. 2

4 6 . n abotuirt bein

In Untreue treu.
Roman von belene Stött.
Fortſetzung.
Er griff gerührt nach ihrer Hand.
was für eine Freude Sie mir bereiten, gnädige Frau. Wenn
auch der Dichter ſeine Lieder zunächſt nur ſchreibt,
eigenen Herzensdrange zu genügen, im Stillen wünſcht er
doch, daß das Lied, welches ſeiner Seele ſich entrang, auch
in anderen Seelen wiederklingen möge.
aber auch zuweilen, ein Echo in verwandter Bruſt zu finden,
er ſelber erfährt es in den ſeltenſten Fällen und geht da-
durch des mächtigſten Quelles begeiſternder Anregung ver-
luſtig. Vermittelt nun ein freundliches Geſchick ihm einmal
eine Begegnung mit einem Menſchen, dem ſeine Lieder Er-
quickung wurden, dann muß es ihm wohl zur hohen Freude
gereichen — “
Und umgekehrt,“ verſetzte Frau Foreja, „wird es dem
Leſer zur hohen Freude gereichen, dem Dichter, den er längſt
ſchon in ſeinen Werken verehren lernte, perſönlich nahe treten
und ihm danken zu dürfen für die Augenblicke der Erho-
lung, die er durch ihn genoſſen. „Mir, in meiner Zurück-
gezogenheit von der Welt,“ ihre Stimme bebte ein wenig,
„haben Ihre Gedichte oft das Herz gerührt, oder meinen

Geiſt mit kühnem Schwunge über die Leere und Erbärm-

lichkeit des Alltagslebens hinweg, dem Reiche des Idealen,
des ewig Wahren und Schönen, zugetragen.

gnädige Frau, — ſo glücklich,“ er ſchickte ſeine Blicke ſu-

chend im Garten umher, daß ich faſt den Zweck meines
ſo fühlt das große Publikum ſich nicht angeſprochen, und
meine Werke bleiben ohne Verleger.
gottbegnadeten Augenblicken dichten, in denen ich fühle, daß
die Muſe ſich mir begeiſternd naht, dann würde es meiner
Familie bald an Brod gebrechen.
zu laſſen, muß ich gar manches Mal ſchreiben, was gegen

Kommens vergeſſen und noch gar nicht nach meinen wilden
Buben gefragt habe.“
„Dort drüben ſpielen ſie. Anfangs waren ſie allerdings
ein wenig lebhaft, jetzt aber konnten ſte nicht muſterhafter
ſein, als ſie ſind. So viel ich vemerken rann, find ſie eben
dabti, Schule zu ſpielen. —.—

„Das hätte ich denken tönnen, mein Aelem ein

eborener Schulmeiſter.“
„Laſſen Sie uns ungeſehen zuhören!“

Sie blickten, die Gebüſche leiſe zurückbiegend, auf a

ſpielenden Kindert Ein Stöckchen als Zeichen der Würde

drei Knaben vor den beiden kleineren, die mit andächtig
gefalteten Händen auf einer Gartenbank ſaßen, auf und ab.

ſeinem

Gelingt es ihm

ſchenden zurück.

widerte dieſe, noch immer mit dem Lachen kämpfend.
lieben, herzigen Knaben.
ihnen haben! Aber ſie ſpielen ſo ſchön, daß es eine Sünde

ö „Jetzt al hben wir Religionsſtunde. Sage mir.
Karl, wer iſt alles im Himmel?ꝰ

„Der liebe Gott,“ ſagte das Bübchen, ſich ehrerbietig

von ſeinem Sitze erhebend.

aſen ů0.

Gut, ſetze Dich. Wer iſt noch im Himm, Hans 2⁷
Der Kleine beſann ſich ein Weilchen.
5 „Das Chriſttind *rief er dann mit Rober Entſchie-
denheit. 5**
„Wer noch, Karlꝰ
„Die Engel und alle geſtorbenen Menſchen.
„Gut, weiter, wer noch?“

Eine bedenkliche Pauſe entſtand. Selbſt der Herr Pro-

feſſor ſchien ſich plötzlich bewußt zu werden, zu weit gegan-
gen zu ſein.

„Wer noch?“ wiederholte er etwas unſicher.
Ja, wer noch? Tiefe Stille. Da rief Hänschen: „Ich

weiß es! Und der Storch, der die kleinen Kinder bringt.“

Mühſam ihr Lachen erſtickend, traten die beiden Lau-
„Was ſagen Sie zu dieſer allerneueſten
Heiligſprechung, gnädige Frau?“ rief Horand beluſtigt.
„Sie iſt das Köſtlichſte, was ich je gehört habe,“ er-
„Die
Was für Freude müſſen Sie an

wäre, ſie zu ſtören. Sagen Sie mir lieber noch, was ich

ſo gern wüßte, ob Sie bei Ihren Arbeiten wirklich immer

die echte, volle Befriedigung finden, die ein Dichter em-

finden ſoll?“

„Wenn ich dichten darf, wie ich dichten möchte, ja.

Wenn ich dichten muß, wie ich dichten ſoll, nein.“
„Sie machen mich ſehr glücklich durch Ihre Worte,
Ihrem eigenen Wuuſche entſpricht?“

„Was könnte Sie zwingen, anders zu dichten, als es
„Vielerlei. Mache ich dem Zeitgeiſt keine Konzeſſionen,

Wollte ich nur in den

Um ſie nicht Noth leiden

mein äſthetiſches Gefühl und Gewiſſen geht, mir ſelber nur
halb⸗ oder gar nicht gefällt.“

„Das iſt hart!“ ſagte ſie leiſe. „Sie find ganz auf

da3 Erträgniß Ihrer Geiſtesarbeit angewieſen?“ fügte ſie,
zaghaft zu ihm aufblickend, hinzu.
gravitätiſch in der⸗Luft ſchwingend, ſchritt der älteſte der

„Leider ja,“ erwiderte er. „Ich war früher Gymnaſial-
lehrer, aber ich mußte die Stelle meiner ſchwachen Geſund-
heit wegen vor einigen Jahren aufgeben. Mir perſönlich
 
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