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Heidelberger Volksblatt (18) — 1885

DOI Kapitel:
Nr. 141 - Nr. 152 (2. Dezember - 30. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44621#0581

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olksblatt.

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Vr. 1⁴⁴. —

Woc, en 9. Dezember 1885.

18. Jahrg.

Erſcheint jeden Montag, Mittwoch und Freitag. Preis monatlich 36 Pf. Einzelne Nummer 4 6 Pf. Man abonnirt beim

4 2222

Berleger, Schiffzafſe 4 und bei den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Verlorenes Spiel.
Roman von Cl. Lemore.
Fortſetzung.)
Es ſind nun ſechs Tage, daß das Inſerat in Ihrer
Zeitung erſchienen iſt, und Sie behaupten, daß in der ganzen
Zeit, Ihnen keine weitere darauf bezügliche Nachricht zuge-
gangen ſei, als die von Miß Malling und von mir ſelbſt,
daß ſonſt Niemand weiter Nachfrage gehalten hätte? Ich
muß Ihnen aufrichtig bekennen, daß ich Sie für einen Erz-
lügner halte! Sie haben mir nicht die Wahrheit geſagt,
Sie wollen mich hinter das Licht führen! Es iſt ein zwiſchen
Ihnen und Ihrem Compagnon geſchmiedetes Complot, um
das Geſchäft in Ihren eigenen Händen zu behalten und mich
um meinen Antheil zu betrügen. Ich bin überzeugt, daß
Sie dieſen Sir Geoffrey bereits geſehen und ihn mit Ihren
Inſtructionen in's Blaue fortgeſchickt haben, um alle Gottes-
äcker von Spanien nach dem Grabe ſeiner Nichte zu durch-
öbern. In dieſem Falle aber ſind Sie doch zu ſchlau ge-
weſen. Als ich Ihnen die Photographie von Pauline Mal-
lings Grab zeigte, habe ich wohlweislich verſchwiegen, daß

ich zuvor den Namen der Stadt, wo es aufgenommen wor-

den iſt, ſowie den des Künſtlers, der es photographirt hat,
davon entfernt. Ich habe die Namen ſehr ſorgfältig abge-
ſchrieben und behalte ſie für mich, bis ich dieſelben perſönlich
Sir Geoffrey vorlegen kann.
ſo einem Schlaukopf wie Sie, Herr Daws, nicht in die
Hände ſpielen.“ ö
„Bei dem Worte „Schlaukopf“ ſchlug ſie die geballte Fauſt
wieder mit Vehemenz auf den Tiſch, lehnte ſich ein wenig
nach vorn und ſah das kleine, ſchmutzige Männchen, das
zuſammen gekrochen in dem großen Armſeſſel an der anderen
Seite des Tiſches kauerte, mit durchbohrenden Blicken an.
Ruhig, ohne nur eine Muskel zu verziehen, hörte er ihr
zu. Als ſie innehielt umſpielte ein ſelbſtzufriedenes Lächeln
ſeine dünnen Lippen. ö ö
„Sie ſind die erſte Clientin, die ich je gehabt, welche mir
volle Anerkennung zollt, und ich achte Ihre Schlauheit hoch.
Wie ſchade, daß ſolch ein Hirnkaſten auf den Schultern einer
Frau fitzt! Aber in der Annahme, daß wir Sir Geoffrey
bereits gefunden, befinden Sie ſich doch auf dem Holzwege.

Warum führen Sie denn die Sache nicht ganz allein? Sie
ſind im Befitz der Adreſſe des Photographen, der das rührende

Bildchen von dem Grabe aufgenommen, ſagen Sie? Nun,

Ich will meine beſten Karten

was iſt dann leichter, als einen Detectiv mit dem Auftrage
zu betrauen, nach jener Stadt zu reiſen und dort an Ort
und Stelle von Augenzeugen alle Details über Pauline
Mallings Tod einzuholen und ſich den Todtenſchein zu
verſchaffen. Die junge Dame muß dann von ihrem uſurpirten
Throue herabſteigen und ſich mit Anſtande zurückziehen, und
Sir Geoffrey tritt in ſein rechtmäßiges Erbe ein.“
„Aber wenn wir ihn nicht finden könnten?“
„Pah! Ganz England wird von der Geſchichte wieder-
hallen. Sie muß ihm zu Ohren kommen, wenn er noch-
am Leben iſt!“ ö
„Was würde es denn koſten, wenn man, wie Sie äußer-
ten, einen Detectiv ausſenden wollte?“ ö ö
„Nun, Sie würdeen ihm gleich eine fünfzig Pfund Note
einhändigen müſſen, die Reiſe damit anzutreten. Er würde
viel zu ſchmieren haben, um alle gewünſchten Auskünfte zu.
erhalten.“
„Ich habe nicht ſo viel Geld in England; ich würde
darum nach Frankreich ſchreiben müſſen. Vier bis fünf
Tage würden erforderlich ſein, ehe ich es erhalten könnte,
und dann würde es für einen Theil meines Planes zu ſpät
werden. Wollen Sie mir das Geld borgen?“
„Ich Ihnen 50 Pfd. Sterl. borgen? Sie müſſen ver-

rückt ſein! Ich habe Ihnen bereits fünf lange Unterredungen

gewährt, ohne einen Pfennig dafür in Anrechnung zu bringen

— das erſte Mal, daß ich mir ſo eine Dummheit zu Schul-

den kommen laſſe. Wenn wir Sir Geoffrey entdecken könnten,
ſo möchte ich dieſem das Geld wohl vorſchießen; aber bis
wir ſicher ſind, daß er noch am Leben und Willens iſt, das
Geſchäft mit uns zu machen, iſt, „Vorſicht“ das Motto,
ſoweit Daws Raven dabei betheiligt find.“
Babette biß ſich mit verhaltener Wuth auf die Lippen;
Daws beobachtete ſie mit geſpannter Neugier.
„Wollen Sie mir ſagen, warum Sie die Geſchichte mit
ſolcher Eile betreiben?“ fragte er hierauf. „Wir können doch
jederzeit über ſie herfallen, wenn wir mit den nöthigen
Beweismitteln ausgerüſtet find. Warum wollen Sie nicht.
wegen des Geldes nach Frankreich ſchreiben und ruhig ab-
warten bis Ihr Agent mit den Beweiſen des Betrugs von.
Spanien zurückgekehrt iſt? Sie halten ja das Spiel in

Ihren eigenen Händen, können alſo ganz gemächlich abwarten.“

„Und ſie Herr Monſieur Dornton heirathen laſſen?“
„Weshalb nicht? Sind Sie etwa ſelbſt in ihn verliebt?“
Sie ſtieß ein ſchrilles, verächtliches Lachen aus.
„Aber ſind Sie dumm?“ rief ſie ſpöttiſch. Dann ver-

wandelt ſich ihre Stimme in ein leiſes Ziſchen, und eine
 
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